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14.05.2025

Kontemplative Korrespondenzen

Zum Schweizer Pavillon auf der Architekturbiennale 2025


Der Schweizer Pavillon möchte daran erinnern, dass alle Pavillons in den Giardini von Männern gebaut wurden. Deshalb haben die Kuratorinnen Bruno Giacomettis Pavillon mit der weitgehend vergessenen, temporären Kunsthalle seiner Zeitgenossin Lisbeth Sachs überlagert. Das schafft ein äußerst stimmungsvolles Setting, verharrt aber ein wenig zu sehr in sich selbst.

Von Gregor Harbusch


Dänemark, Japan und Südkorea beschäftigen sich dieses Jahr intensiv mit der Architektur ihrer Pavillons. Indirekt macht das auch die Schweiz. Die Kuratorinnen Elena Chiavi, Kathrin Füglister, Amy Perkins und Myriam Uzor von der Gruppe Annexe stellen nämlich die hypothetische Frage, was wohl wäre, wenn nicht Bruno Giacometti (1907–2012), sondern die Zürcher Architektin Lisbeth Sachs (1914–2002) den 1952 eröffneten Pavillon in den Giardini geplant hätte. „Endgültige Form wird von der Architektin am Bau bestimmt.“ nennt sich ihr Beitrag mit Bezug auf einen Stempel, den sie bei ihren Recherchen zu Sachs – die nach Lux Guyer als zweite selbständig tätige Architektin der Schweiz gilt – fanden.

Annexe gehen das Thema mit einer angenehmen Leichtigkeit an, indem sie einen abstrahierten, hölzernen Nachbau von Sachs’ fantastischer Kunsthalle auf der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit SAFFA in die Räume und Höfe des Pavillons einfügen. Die SAFFA fand 1958 am Ufer des Zürichsees statt, ihr Thema war der „Lebenskreis der Frau in Familie, Beruf und Staat“. So konservativ das Motto, so konsequent modern war der Entwurf für die Kunsthalle, in der Malerei, Grafik, Skulptur und Kunsthandwerk gezeigt wurden.

Sachs arbeitete mit freistehenden, aufgefächerten Sichtbetonwänden, die drei kreisrunde Räume bilden. Über diese spannte sie zirkuszeltartige Dächer. Wände gab es keine. Obwohl hier Kunst gezeigt wurde, sorgten ausschließlich Vorhänge für ein Minimum an Schutz. Die Grenzen zwischen innen und außen, zwischen Natur und gebautem Raum lösten sich in diesem Setting aus rauem Sichtbeton und leichten Textilien geradezu auf. Ein klassisches Thema der Moderne, das auch in Giacomettis Pavillon zu finden ist, dort aber weitaus konventioneller durchexerziert wurde.

Sachs und Giacometti in Konversation


Ihre Intervention in den Giardini wollen die Kuratorinnen nicht als strenge Dichotomie unter didaktisch-feministischem Vorzeichen verstanden wissen. „Wer weicht hier wem aus?“, fragen Füglister und Uzor suggestiv beim Rundgang zwischen den Mauern und Glaswänden von Giacomettis Pavillon sowie den rauen Holzwänden und sich wiegenden Vorhängen von Sachs. Nicht die Konfrontation zweier (männlich und weiblich lesbarer) Haltungen steht im Zentrum, sondern ein feines Gespinst an Korrespondenzen und Gegensätzen im Möglichkeitsraum der Nachkriegsmoderne.

Die Umsetzung überzeugt. Die Ruhe der Räume lädt ganz profan zum Verweilen, Innehalten und Nachdenken ein. Mit typisch Schweizerischer Sorgfalt wurden die Details der architektonischen Verschneidungen gelöst. Temporär entfernte Bodenplatten lagern nun in der Haupthalle des Pavillons neben der originalen Möblierung, mehreren Paletten mit Ausstellungsfaltblättern sowie einem riesigen Ventilator, der im Sommer für die nötige Luftzirkulation sorgen soll.

Einbettung versus Auslagerung


Begleitet wurde der Planungs- und Realisierungsprozess von Axelle Stiefel, die sich als „eingebettete Künstlerin“ bezeichnet und Partnerin im Team des Pavillons ist. Gemeint ist damit eine künstlerische Praxis, die sich in andere Disziplinen einfügt und eine Reflexion der Beteiligten anstößt, um über das eigene Handeln nachzudenken. Ein Ergebnis ihrer Arbeit sind field recordings, die im Pavillon zu hören sind.

Ganz bewusst verzichteten Annexe darauf, Sachs’ Projekt historisierend auszubreiten. Keine einzige Zeichnung oder Fotografie der Kunsthalle ist im Pavillon zu finden. Vielmehr setzen sie auf subtile Referenzen, was allen historisch Interessierten die Spurensuche nicht einfach macht. Dabei hätte die Kunsthalle unbedingte Aufmerksamkeit verdient. Umso wichtiger ist die Monografie von Rahel Hartmann Schweizer, die 2020 im gta Verlag erschienen ist und nun auch auf Englisch vorliegt. Ein Blick in das Buch, das vor Ort ausliegt, ist dringend geraten, um den Schweizer Pavillon nicht als kontemplative Wohlfühloase misszuverstehen.

Fotos: Keystone-SDA / Gaëtan Bally


Zum Thema:

prohelvetia.ch

Alle Beiträge zur Biennale finden sich auf unserer von der Firma Godelmann unterstützten Sonderseite.

Lisbeth Sachs’ Hauptwerk ist das Kurtheater in Baden bei Zürich, das 2018–20 durch Boesch Architekten denkmalgerecht saniert wurde.


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Lisbeth Sachs, temporäre Kunsthalle auf der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) in Zürich 1958

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