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03.05.2022

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Konflikte im Kreuzberger Gewerbehof

Zum Bürohaus von kadawittfeldarchitektur in Berlin


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An der Ritterstraße in Berlin-Kreuzberg wurde ein weiteres Bürohaus fertig. Es war als Gewerbehof 2.0 für die kreative Szene von Kreuzberg angekündigt, gibt sich aber nun wie eine Festung. An der Architektur liegt es nicht.

Von Friederike Meyer


Umringt von Wohnquartieren entwickelt sich die Ritterstraße in Berlin-Kreuzberg derzeit zur Meile des New Work. Varianten von Bürohaus, Gewerbehof und Atelierneubau ersetzen den Bestand aus der Zeit, als die Gegend noch Zonenrandgebiet war – oder stehen nun einfach dazwischen. Ein Tisch im Coworking-Space kann hier schon mal um die 400 Euro pro Monat kosten.

Teil dieser Entwicklung ist auch das von kadawittfeldarchitektur (Berlin) im Auftrag des Projektentwicklers Pandion entworfene Bürohaus The Shelf, das jüngst bezogen wurde. Auf dem Grundstück Prinzen-/ Ecke Ritterstraße, wo jahrzehntelang die Kreuzberger bei Robben & Wientjes ihre Transporter anmieteten, schließt es fünf- und sechsgeschossig den Block. Die in warmem Goldton eloxierten Alufassadenelemente interpretieren die Struktur der Nachbarbauten auf einem Grundraster von 1,35 Meter. Die Architekt*innen sprechen von einem „Stadtregal“.

Der Grundriss mit insgesamt 24.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche lässt die bewährten Elemente der traditionellen Kreuzberger Gewerbehöfe erkennen, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in der Gegend entwickelten. Im Sinne einer Freiluftlobby werden alle Bürogeschosse vom Innenhof über vier Kerne in den Ecken erschlossen. So können pro Ebene maximal acht unabhängige Einheiten angeboten werden. Darüber hinaus stehen der Mieterschaft laut Angaben des Büros 18 Loggien, eine Balkonterrasse, eine Dachterrasse sowie ein Gemeinschaftsgarten zur Verfügung.

Das Haus ist ansprechend gestaltet und konzeptionell auf vieles vorbereitet. Doch die Chancen, die die Architektur bietet, werden nur wenig genutzt. Zwar lockt eine großzügige Eingangsgeste von der Straße in den von ST raum a. Landschaftsarchitektur (Berlin) gestalteten Innenhof, den wiederum ein schicker Kronleuchter des Lichtplanungsbüros jack be nimble überspannt. Doch ein schwarzes Streckmetalltor versperrt Weg und Blicke in jenen Raum, der ursprünglich für alle zugänglich sein sollte. Es ist Ausdruck der Konflikte, die die Entwicklung der Gegend heraufbeschwört.

Gold und Waschbeton


Die golden schimmernde Fassade des Neubaus bildet den denkbar größten Kontrast zu den Waschbetonplatten der Wohnhäuser gegenüber. Sozial verträgliche Mieten hier, Maximalrendite da – die Ausgangslage auf beiden Seiten der Straße könnte extremer kaum sein. Die Konflikte sind an den demolierten Scheiben des Neubaus deutlich ablesbar. Manche würden das als bekannten Alltag in einem sich wandelnden Kreuzberg bezeichnen. Doch The Shelf steht beispielhaft für eine Vorgehensweise im überhitzten Berliner Immobilienmarkt, der Nachbarschaft, Verwaltung und städtisches Umfeld immer wieder zu Zaungästen degradiert, obwohl Investoren und Entwicklerinnen pausenlos das Gegenteil behaupten.

Als das Projekt vor knapp vier Jahren vorgestellt wurde, sprach Pandion-Niederlassungsleiter Mathias Groß von „modellhaften und auf die Zukunft ausgerichteten Gewerbehöfen, die sich auch Experimenten nicht verschließen“, von einem „neuartigen Mobilitätskonzept im Bereich E-Mobilität“ und von einer Moosfassade, die Feinstaub binden und Frischluft bringen soll. Man wollte sich an den Bedürfnissen der Gewerbetreibenden in Kreuzberg und an der Nachbarschaft orientieren, wollte einen Ort entwickeln, wo Raum für Kreative entsteht, hieß es in der Presseerklärung.

Dass die Realität nun anders aussieht, hat mit der architektonischen Planung wenig zu tun und kann auch nicht mit Corona oder der Rohstoffknappheit entschuldigt werden. Eine DGNB-Gold-Zertifizierung ist angestrebt, aber die Moosfassade war zu teuer. Vom Mobilitätskonzept sind 190 Fahrradstellplätze und acht mögliche Ladestationen für E-Autos in der Tiefgarage geblieben. Statt an Kreuzberger Kreative ist alles bis auf einzelne Räume im Erdgeschoss an den Selbstkochboxen-Anbieter „Hello Fresh“ vermietet. Der Alleinmieter schützt den Innenhof nun mit einem Tor vor der aufgebrachten Nachbarschaft. Das Gebäude wiederum hat Pandion längst an den weltweit agierenden Vermögensverwalter DWS verkauft. Ob sich dieser für die Gemengelage interessiert?

Fotos: HG Esch, Schnepp Renou


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Kommentare

14

Moma | 13.05.2022 02:52 Uhr

Kritik

Es sieht aus als es hier etwas versucht wird aber nicht genug gut und gescheitert...Ich frage mich warum bei solchen Projekten keine internationale Wettbewerben ausgeschrieben werden?Es ist ein Beispiel mangelder öffentlicher Komunikation ohne Presedan.
Auch Farbauswahl sieht wie ein umgekrempelten etwas, passt nicht in die Norddeutsche Genius Loci, also sehr iritierend.
die Leuchten Konstruktion sieht wie eine Spinne aus...Gefährlich...und die gepflasterten hof ist zu gepflastert ...ganz schön Emmisionsaufwendige CO2 Ausstoss, da helfen nicht einige pseudoovale Pflanzeninsel in verkrampfter Anordnung.Wenn Gold benutzt wird assoziert es an antiquen Tempel.Aber ohne Säulen ist es kein würdiger Architekturbeitrag.

13

Eva Meier | 05.05.2022 13:01 Uhr

Geht es um Stadtplanung oder um Architektur?

Es scheint, als sei die Stadtplanung gefragt, sich für mehr Diversität v.a. in der Nutzung einzusetzen. Wo sind die nötigen Verordnungen? Darf der Investor vielleicht ein Geschoss mehr bauen, wenn das Erdgeschoss verpflichtend gemeinnützig ist usw.? Architekten-Bashing ist an dieser Stelle verkehrt. Wettbewerbe werden ausgeschrieben, Investoren fordern Büroflächen...Der Entwurf von kadawittfeld hat hier aus meiner Sicht potentiell noch was für die Nachbarschaft rausgeholt. Das ist längst nicht immer der Fall! Die Fassade ist übrigens sehr elegant geworden, ich finde sie der Bauaufgabe entsprechend und gelungen.

12

Ulknudel | 05.05.2022 11:04 Uhr

@STHP

Gegenüber von THE SHED steht mittlerweile THE GRID. Ein mindestens genauso furchtbar anzusehendes Gebäude.
www . pandionthegrid . de

11

STPH | 04.05.2022 17:02 Uhr

...

Gegenüber haben die 50er sich quergestellt (google maps), also passen hier in diese hybride Übergangslage schon kraftvolle Solitäre und das ist einer, wenn nicht freistehend dann wenigstens durch die Fassade.
Die Chancen der Bombenlöcher nutzen mit ihrer vielseitigen Nachkriegsgeschichte. Freistehend gegen Blockbildung ausspielen. Vorkriegsberlin war eng und eintönig.
Vielleicht macht der 1. Mai ja mal die Architekten auf diese Weise frei. Nicht immer der Dekonstruktivismus per Pflasterstein.

10

Paluschke | 04.05.2022 15:59 Uhr

Goldblechdeko

In Berlin sind Investor und Architekt gerne gemeinsam grob. Früher in Naturstein und Gummifuge. Heute ganz frisch in Goldblech.

Das Lametta kommt weder richtig um die Ecke, noch ist der Boden-Anschluss gelöst. Vom Gehsteig aus zieht sich die Deko wie eine Ziehharmonie zusammen.

Bitte beim nächsten Mal in richtigem Gold.

9

Ulknudel | 04.05.2022 10:27 Uhr

Eines der wenigen Gebäude

die bei mir wirklich tiefe negative Emotionen auslösen. Der Name (THE SHELF), der Ausdruck, die Fassade. So vieles daran schreit nach Aufmerksamkeit und ist doch nichtssagend...

8

schlawuki | 04.05.2022 10:07 Uhr

@1 /1.Mai

also bei uns in bayern ist das total super am 1.mai!
da stellen wir unsere maibäume auf.
und freuen uns das es frühling wird und das, das leben so schön ist.
dazu trinken wir bier aus dicken krügen, sitzen unterm lindenbaum und lassen uns die sonne auf die nase scheinen.
du, @1, läufst am 1.mai durch deine schöne stadt und schaust was du kaputt machen kannst, oder?
schäm dich!
jetzt kann man natürlich dem irrglauben erliegen, das du für eine bessere welt kämpfst.
vergiss es.
komm nächsten mai nach bayern.
aber lass deinen pflasterstein und deine spraydose daheim.
es grüßt aus seiner schicken schwabinger altbaueigentumswohnung

schlawuki

7

50667 | 04.05.2022 08:41 Uhr

Das räumliche Konzept...

...mit der Erschließung über den Hof ist sehr schön und hätte die perfekte Grundlage für ein ambitioniertes und den Stadtteil aufwertendes Projekt sein können.

Stattdessen belanglose Fassaden, eine überambtionierte Innenhofgestaltung und eine kameraüberwachte Gated Community.

Brave new world ...

6

Blaugrau | 03.05.2022 22:28 Uhr

traurig...

Was unpassenderes hätte man sich gar nicht für die Lücke in Kreuzberg ausdenken können. Das soll wohl einfach nur modern aussehen und irgendwelche Startups anlocken.
Kontext egal - Materialwahl, Farben, Kubatur und Tektonik. Kann sowas nicht weiterhin in der Europacity oder an der Mediaspree entstehen? Sieht in echt übrigens genau so unbelebt aus wie auf den Architekturfotos...

5

Eva Meier | 03.05.2022 19:17 Uhr

Stadtregal

Sehr schönes Projekt! Dass es knirscht in der Nachbarschaft, hat das Gebäude nicht verursacht. Die architektonische "Hand" ist noch da, die vielleicht eines Tages auch gereicht wird: Das Erdgeschoss könnte an Kreative und/ oder für die Nachbarschaft nützliche Organisationen vermietet werden sowie der Hof geöffnet...Es ist nie zu spät! Mit Abschottung gab es noch nie Akzeptanz, ganz gleich, welche Gestalt diese hatte!

4

Jürgen Scharlach | 03.05.2022 17:31 Uhr

Bürohaus Ritterstrasse v. Kadawitter

Respekt, ein nahezu genial konzipiertes Projekt, Fassade könnte auch als dialektisch durchgehen, Bravo!

3

gebbit15 | 03.05.2022 17:16 Uhr

architektur als ware

Was man sich schön und naiv ausmalt als Architekt*in kann man den Nachbarn erzählen wenns um die Genehmigung geht. Wenn die erstmal da ist und das Gebäude steht sagt der Investor "ätschibätsch" und nur noch das Geld steht im Vordergrund.

Zudem ist das Gebäude kein Augenschmaus, es ruft geradezu "Ich gentrifiziere dich!"

2

Philipp | 03.05.2022 16:36 Uhr

auch mit moos nix los

Ich komm täglich hier vorbei.
Das hätte auch keine Moosfassade gutmachen können...

1

wolfgang meier-kühn | 03.05.2022 15:51 Uhr

warten auf den 1. Mai

dann vertrauen wir mal auf die weiteren 1. Mai-Kundgebungen in Kreuzberg.........

 
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