Die Errichtung parametrischer Infrastrukturknotenpunkte im Baltikum durch Zaha Hadid Architects (ZHA) erreicht eine neue Stufe: Im September konnte das Büro einen internationalen Ideenwettbewerb für die großflächige Modernisierung und Erweiterung des Bahnhofs im litauischen Vilnius für sich entscheiden. Das Projekt ist Teil der Rail Baltic-Linie, dem osteuropäischen Hochgeschwindigkeitsnetz, für die ZHA bis 2026 auch den Bahnhof im estnischen Tallinn realisieren.
Der Bestand ist ein Nachkriegsbau aus dem Jahr 1950: Zentrales Tempelmotiv, vorspringende Risalite, korinthische Kolossalsäulen und auskragende Attikazone zeugen von der Monumentalität des sozialistischen Realismus. Das Monumentale schlägt auch beim Bahnhofsvorplatz durch, dessen symmetrische Ausrichtung von einer Zufahrtsachse und einem großen Parkplatz geprägt wird. Die Erschließung der Gleise erfolgte bisher unterirdisch, separiert im Westen findet sich außerdem eine einfache Fußgängerbrücke.
Diese Situation bildet den Ausgangspunkt für die Umgestaltung des Bahnhofs sowie des umliegenden Areals unter dem Titel Green Connect. Zentraler Baustein ist eine neue, 150 Meter lange und 46 breite Brücke über die Bahngleise, die den südlichen Stadtteil Naujininkai mit dem Stadtzentrum und der Altstadt von Vilnius verbindet. Wo die Gleistrassen zuvor einen städtebaulicher Keil bildeten, soll nun ein Ort der Verbindung und des Zusammenkommens entstehen. Die helle, zweistöckige Halle mit Oberlicht soll den Bau auch in den harschen Wintern Nordosteuropas zu einem beliebten Aufenthaltsort machen. Eine für ZHA-Verhältnisse moderate, weil als Zugeständnis an die Bestandsarchitektur linear-symmetrische, nichtsdestotrotz freilich aufwendig gewellte Dachkonstruktion fungiert als weithin sichtbares Signet. Dies macht sich vor allem an der Pelosos-Straße südlich der Gleise bemerkbar, wo eine neue, 9.500 Quadratmeter große Bahnhofshalle einen zweiten Hauptzugang bietet.
Die Anlage am Stoties Platz vor dem Haupteingang im Norden soll umfassend umgestaltet werden. Hier entsteht ein neuer Busterminal, der jedoch kaum sichtbar sein wird. Auf dessen Dach aus lokalem Leimholz wird eine Terrasse installiert. Der gegenüberliegende Park soll durch 300 zusätzliche Bäume, eine kleine pavillonartige Struktur, Sitzgelegenheiten und Wassergärten für die Sammlung, Filterung und Reinigung von Regenwasser aufgewertet werden. Autos fahren künftig in die Tiefgarage. Im bestehenden Bahnhofsgebäude sollen die kleinteiligen Einbauten wie Kioske und Büros verschwinden, damit alles offener wirkt. (stu)
Auf Karte zeigen:
Google Maps
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
6
Bahnfahrer | 11.10.2021 17:41 UhrShowtime
Der Fahr-"Gast" steht im Regen. Wäre ja auch zu schön, dass ein Gebäude einfach seine Funktion erfüllt. Haben die Arbeiter im Büro ZHA den Kontakt zur Außenwelt verloren?