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05.04.2024

Leben in der Lokstadt

Wohngebäude, Schule und Kindergarten in Winterthur von EM2N


Das Gelände der Lokstadt in Winterthur hat eine lange Geschichte. Fast ein Jahrhundert lang hatte der Industriekonzern Sulzer auf dem etwa 22 Hektar großen Areal, keine 200 Meter südwestlich des Hauptbahnhofs, Lokomotiven und großformatige Zugbaumaschinen hergestellt. In den 1980er Jahren wurde die Produktion langsam eingestellt. Ein erster Plan, alles abzureißen und einen Businesspark anzulegen, scheiterte am Widerstand der Bevölkerung und des Schweizerischen Architekten- und Ingenieurvereins SIA.

Also lobte Sulzer einen internationalen Wettbewerb aus, den 1992 Jean Nouvel mit dem Projekt Megalou gewann. Zwar wurde auch dieses nie umgesetzt – aus Mangel an Großinvestoren verfiel die Baubewilligung 2001 ungenutzt – aber es löste einen sehr viel kleinteiligeren Prozess mit Zwischennutzungen und Übergangslösungen aus. Dazu gehört die Umnutzung der Kesselschmiede als Architekturschule der ZHAW. Mit dem neuen Jahrtausend entstanden dann ergänzende Neubauten, Umbau- und Aufstockungsprojekte wie die Lokomotive von Knapkiewicz & Fickert im Jahr 2006 oder der Superblock von Adolf Krischanitz im Jahr 2015. Einen eigenen Bereich nimmt der Lagerplatz entlang der Gleise ein, der von der Stiftung Abendrot seit 2014 ökologisch und sozial verträglich, gemeinsam mit Anwohner*innen und Zwischennutzer*innen entwickelt wird. Dort wurde 2021 der experimentelle Recycling-Umbau K118 von baubüro in situ fertig.

Aktuell befindet sich vor allem noch das Baufeld 1 in der Entwicklung, früher das Kernareal der Lokomotivenfabrik. Die private Implenia AG lässt hier ein 2000-Watt-Quartier entstehen. Weil die Bauherrin mehr Hallenbauten saniert als vertraglich vereinbart, darf sie im Gegenzug drei Hochhäuser errichten. Darunter befindet sich das Rocket von Schmidt Hammer Lassen, das mit 100 Metern einer der höchsten Holzbauten Europas und bis 2027 realisiert werden soll.

Fertiggestellt wurden jetzt drei Bauten von EM2N (Zürich): das Wohnhochhaus Bigboy mit 50 Metern Höhe und 125 Mietwohnungen, der zweiteilige Wohnungsneubau Tender mit 82 Eigentumswohnungen sowie die umgenutzte Bestandshalle Draisine mit ihrem markanten Sheddach, wo auf 1.628 Quadratmetern vier Klassenräume als Erweiterung einer benachbarten Schule und eines Kindergartens entstanden sind. Die Wohnungen reichen von 1,5-Zimmer-Apartments mit 52 Quadratmetern bis zu Maisonetten und Duplex-Einheiten von bis zu 170 Quadratmetern Größe.

Jedes der vier Gebäude ist als eigenständiges Volumen entworfen. Einen gestalterischen Zusammenhang bildet die zweigeschossige Erdgeschosszone, in der Räume für „hybride Wohn- und Arbeitsnutzungen“ angeboten werden. Der schmale Hof zwischen den Häusern soll die „Erinnerungen an ähnliche Zwischenräume auf dem früheren Areal“ bewahren. Er bietet zudem einen geschützten Durch- und Zugang. Der extrabreite Spielflur des Kindergartens öffnet sich mit großen Panoramafenstern zum Innenhof, was den Raum belebt und Sichtbezüge nach außen ermöglicht. Die Fassade der ehemaligen Draisinenhalle mit ihrer Sheddachkonstruktion ist als denkmalgeschützter Teil des industriellen Erbes bewahrt geblieben. Ein zusätzlicher, geschützter Außenraum für die Schüler*innen und den Kindergarten ist als 330 Quadratmeter große Terrasse in das Dach eingeschnitten. (fh)

Fotos: Damian Poffet


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