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06.04.2018

Behördensitz in alter Spinnerei

Wettbewerb in Kulmbach entschieden


Wenn von neuem Leben in alten Fabriken die Rede ist, denkt man unweigerlich an die Kreativindustrie oder auch an hippe Startups. Behörden residieren hingegen meist in charakterlosen Neubauten oder angegrauten Bürohäusern aus allen Epochen, aber nur selten im transformierten Bestand. Die oberfränkische Kleinstadt Kulmbach möchte dies jedoch in Zukunft anders angehen und plant den Umbau einer denkmalgeschützten Spinnerei in ein Behörden- und Verwaltungszentrum mit begleitenden Nutzungen. Hierfür wurde ein nichtoffener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren ausgelobt, der hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen aber explizit niederschwellig gehalten war. Wenn schon keine Kreativindustrie, dann wenigstens junge Kreative auf Seiten der Architekten, so könnte das löbliche Motto der Auslober gelautet haben.

Prämiert hat die Jury um den Vorsitzenden Florian Fischer (fischer_Z architekten, München) schließlich zwei erste Preise, die an die Teams k. u. g.-architekten / Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten und W&V Architekten / bbz landschaftsarchitekten berlin gingen. Insgesamt waren bei zehn gesetzten Büros 25 Teilnehmer zugelassen. Das Ergebnis im Überblick:

  • Ein 1. Preis: k. u. g.-architekten (München)/ Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten (Bockhorn)

  • Ein 1. Preis: W&V Architekten (Berlin) / bbz landschaftsarchitekten berlin

  • 2. Preis: Studio Gründer Kirfel (Römhild-Bedheim) mit Rudolph Langner - Station C23 Architekten und Landschaftsarchitekten (Leipzig)

  • 3. Preis: Arge H2M Architekten + Stadtplaner - Drenske Architekten (beide Kulmbach)
Anerkennungen
  • Heide & von Beckerath, Justine Miething (beide Berlin)
  • juli architektur / design (Kulmbach) // JOMA Landschaftsarchitektur (Bamberg)
  • Springer Architekten (Berlin)
  • Staab Architekten (Berlin)

Das Projekt zeugt, wie Florian Fischer zu Beginn der Jurysitzung sinngemäß anmerkte, von einer ungewöhnlichen Ambition der Stadt Kulmbach. Denn die Alte Spinnerei besetzt nicht nur städtebaulich ein wichtiges Grundstück zwischen Bahnhof und der südlich gelegenen Innenstadt, sie stellt mit ihren extrem tiefen Grundrissen auch alles andere als eine bürogeeignete Typologie dar. Hinzu kommt das Programm selbst, das zwei öffentliche Behörden, ein privates Softwareunternehmen, ein Veranstaltungssaal, ein Vorlesungsraum und eine in der Auslobung nicht näher bestimmte Wohnnutzung umfasst. Hinsichtlich des geplanten Umbaus geht es um das alte Hauptgebäude der Spinnerei, das nach einem Brand um die vorletzte Jahrhundertwende neu errichtet wurde, und um einen Kopfbau aus den späten Zwanzigerjahren des Stuttgarter Büros Maas und Horlacherer. Andere Hinterlassenschaften der Spinnerei wurden zum Teil schon renoviert und werden heute als Bürogebäude, Jugendeinrichtung und Einkaufszentrum genutzt.

Mit Blick auf die architektonischen Lösungen war vor allem die Vorgabe wichtig, die Fassaden weitgehend zu erhalten, während Eingriffe in die Substanz durchaus denkbar sind. Angesichts der Tiefe der beiden Gebäude sehen dann auch alle Projekte große Lichthöfe vor, die sich vor allem in ihrer Platzierung unterscheiden. Gebäudehohe Foyers finden sich da und verwilderte Gärten hinter der Fassade, langgezogene Lufträume werden mit Arbeitsboxen belebt und skulpturale Treppen verbinden die Geschosse. Die Mitten werden bei einem Projekt betont und bei einem anderen die Ränder, bei einigen Entwürfen wird der Raum auch doppelgeschossig ineinander verschränkt oder Teile des Volumens als offenes Skelett präpariert. Tatsächlich muss man sagen, dass die Vorgaben des Denkmalschutzes die Phantasie der Teilnehmer keineswegs beschränkt, sondern eher angeregt hat. Dass zeigt sich auch darin, dass nur wenige Büros den Bestand aufstocken, was dann auch nur in einem Fall überzeugen kann.

Die beiden Gewinnerprojekte von k. u. g.-architekten / Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten und W&V Architekten / bbz landschaftsarchitekten berlin gehören vor diesem Hintergrund zu den strengeren Ansätzen. K. u. g.-architekten arbeiten mit kompakten Lichthöfen, die sich der verschachtelten Nutzung anpassen, während W&V Architekten die beiden Volumina durch rechteckige Lichthöfe stärker strukturieren. Beide setzen – wie auch viele andere Entwürfe – einen mittigen Haupteingang, unterscheiden sich aber in der Orientierung des Foyers: k. u. g. führen es parallel zum Vorplatz, während es sich bei W&V zum Lichthof verglast in die Tiefe entfaltet. Die öffentlichen Bereiche werden dabei im Erdgeschoss des vorderen Volumens angeordnet, gewohnt wird hingegen auf dem Dach des hinteren Gebäudes, W&V bieten außerdem noch ein Café über der Erschließungszone.

Wie sich Gebäude und Platz zueinander verhalten, war mit Blick auf die städtebauliche Bedeutung des Areals eine der wichtigsten Fragen. Viele der Entwürfe kommunizieren die Veränderungen im Inneren mit deutlichen Eingriffen in die Fassade, was den Vorplatz aber oft zu stark dominiert. Die beiden Siegerprojekte wählen da einen zurückhaltenderen Ansatz, der zugleich mit einer unhierarchischen Gestaltung des Umfelds einhergeht. Kurz gesagt: Hier wird kein behördlicher Repräsentationsbedarf befriedigt, sondern Freiraum geboten für Passanten und alle Nutzer der alten Spinnerei.

Die beiden erstplatzierten Projekte überzeugen darum gleichermaßen, sodass die finale Entscheidung vor allem davon handeln dürfte, ob man die Kleinteiligkeit von k. u. g. oder die großformatigere Architektur von W&V bevorzugt – keine schlechte Ausgangslage also für die weitere Umgestaltung der alten Spinnerei. (sb)


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

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Ein 1. Preis: k. u. g.-architekten / Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten

Ein 1. Preis: k. u. g.-architekten / Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten

Ein 1. Preis: W+V Architekten / bbz landschaftsarchitekten berlin

Ein 1. Preis: W+V Architekten / bbz landschaftsarchitekten berlin

2. Preis: Studio Gründer Kirfel mit Rudolph Langner - Station C23 Architekten und Landschaftsarchitekten

2. Preis: Studio Gründer Kirfel mit Rudolph Langner - Station C23 Architekten und Landschaftsarchitekten

3. Preis: Arge H2M Architekten + Stadtplaner - Drenske Architekten

3. Preis: Arge H2M Architekten + Stadtplaner - Drenske Architekten

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