Wie steht es in einer Situation hoher Bodenpreise und Wohnungsmangel in der Stadt um Denkmalschutz oder Freiflächen? Im Münchener Stadtteil Forstenried – einst ein eigenständiges Dörfchen südlich der Landshauptstadt – plant der Münchner Immobilienentwickler Euroboden ein altes Bauernhaus im historischen Dorfkern zu sanieren und im Gegenzug auf seinem Gartengrundstück 16 Wohneinheiten neu zu bauen. Der Derzbachhof von 1751, den Euroboden von einer Erbengemeinschaft erwarb, ist neben der spätgotischen Kirche Teil eines geschützten Ensembles. Geografisch zwischen der Großsiedlung „Parkstadt Solln“ aus den 1960er Jahren und einem Neubaugebiet im Westen gelegen, spiegelt der seit Dekaden leerstehende Hof heute die ambivalente Situation wider, in der sich Nachverdichtung und dörfliche Strukturen überlagern.
Das Bau- und Sanierungskonzept für diesen sensiblen Ort, dessen zukünftige Nutzung bereits unter den Forstenrieder*innen einen Wettstreit der Petitionen hervorgerufen hat, entwickelte Peter Haimerl (München). Mit Projekten wie dem Konzerthaus in Blaibach oder dem Umbau des denkmalgehützten Schusterbauernhauses in München hat der sich bereits eigenwillig aber engagiert für das baukulturelle Erbe Bayerns eingesetzt. Entwurf und Umsetzung des Konzepts erarbeiten raumstation Architekten (Starnberg) in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege.
Peter Haimerls Pläne für die Sanierung des Bauernhauses, das Wohnstube, Stallungen und eine Tenne umfasst, sind ungewöhnlich: Der alte Wohnbereich im vorderen Teil des Hofgebäudes soll eine Gemeinschaftsfläche für die zukünftigen Bewohner*innen des Derzbachhofes werden. Für den Wirtschaftsbereich hingegen plant Haimerl drei bis vier Wohnungen, die als hölzerne Boxen in den Bestand eingesetzt werden. Der Zugang zu den doppelgeschossigen Einheiten soll über eine alte Rampe im Garten erfolgen, über die einst Heu und Gerätschaft in die obere Tenne gebracht wurde. Sie mündet in einen langen Mittelgang unter dem offenen Dachstuhl der Scheune. Von ihm aus sollen in Zukunft die Wohnboxen erschlossen werden.
In die äußere Erscheinung des hauptsächlich aus Holz konstruiertem Bestands möchte Haimerl möglichst wenig eingreifen. So wird ein Filter aus Holz die zukünftigen Verglasungen der Wohnungen im Obergeschoss umgeben. In das gemauerte Erdgeschoss wiederum sollen neue Fenster eingesetzt werden. Das Hofgebäude wird stellenweise saniert, wozu auch die Abdeckung des Daches mit Holzschindeln gehört.
Während Euroboden die entstehenden Wohneinheiten im alten Bauernhaus zu vermieten plant, soll im hinteren Bereich des Grundstücks Eigentum entstehen: 16 Wohneinheiten, die in einem zusammenhängenden Gebäude hinter den Altbau gerückt werden. Mit Referenzen an eine landwirtschaftliche Architektur, wie den locker angeordneten Holzlatten auf der Fassade, den Hofdurchgängen zum hinteren Gemeinschaftsgarten und der gegliederten Dachlandschaft, soll sich dieser Neubau in den historischen Bestand einfügen.
18 Prozent des Grundstücks vom Derzbachhof will Euroboden überirdisch neu bebauen. Unterirdisch hingegen wird es mehr sein, wenn zusätzlich zum Neubau noch eine Tiefgarage entsteht, die auf Straßenebene lediglich über einen holzüberdachten Autolift am Rand des Grundstücks zu erkennen sein wird. Während der große Garten zumeist in gemeinschaftlicher Nutzung den zukünftigen Bewohner*innen des Derzbachhofes zur Verfügung stehen wird, plant Euroboden, einen Teil des Grundstücks öffentlich zugänglich zu machen, indem die Zaunabgrenzung zum historischen Bauernhaus einige Meter von der Straße nach hinten gerückt wird. Freifläche, Denkmalschutz und der Druck zur Nachverdichtung – das Projekt Derzbachhof zeigt den Versuch, auf privatwirtschaftlicher Ebene schwer Vereinbares zusammenzubringen. (sj)
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Lars K | 02.08.2019 14:40 UhrBravheit
Das nenne ich mal einen braven Entwurf. gerade für Haimerl. Allerdings muss man auch sagen, dass diese Renderings wirklich wenig aussagen. Einen Grundriss gibt es erst recht nicht. Was soll das für eine Rampe mit den Holzwänden sein? Zugang zu den Wohnungen? Unter einem offenen, historischen Holzdach? Mutig.
Im Lageplan kann man immerhin sehen, warum der Investor hier so rührselige Stimmungs-Renderings verbreitet: weil hinter dem historischen Haus ein großer Neubau geplant wird. Könnte Baunetz hier nicht einmal kritischer hinterfragen? Der Artikel wirkt eher wie die Waschmittelwerbung des Investoren....