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07.10.2020

Symbol der Kollektivität

Springer-Campus von OMA in Berlin eröffnet


Auf dem Dach des neuen Campusgebäudes des Axel Springer-Konzerns gibt es laut Mathias Döpfner eine Bar namens „Rem“. Dass die Auftraggeber mit der Arbeit ihres Architekten und seines Büros, Rem Koolhaas und OMA, zufrieden sind, wird anlässlich der ins Internet übertragenen Eröffnung auch sonst deutlich. Man duzt sich entspannt und dankt sich ausführlich. Döpfner betont, wie eng die Zusammenarbeit über die Jahre war, und Koolhaas berichtet noch einmal, warum dieses Gebäude in seiner Karriere eine Sonderstellung einnimmt: Nicht nur, dass er selbst einmal Journalist war – auch hatte er sich nach seinem Architekturstudium bereits Ende der 1960er Jahre ausführlich mit der Mauer beschäftigt. In Anwesenheit von Friede Springer und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde das Gebäude gestern offiziell eröffnet. Bereits zum Jahresbeginn war es von den ersten Mitarbeiter*innen bezogen worden.

Mit dem Gebäude verfügt Springer nun nüchtern gesagt über ein hochmodernes Medienzentrum, das – sieht man von der Tageszeitung Die Welt ab – primär allen Geschäftsfeldern jenseits des klassischen Journalismus gewidmet ist. Rund 43.000 Quadratmeter Nutzfläche bietet es, die sich in Büroflächen, Newsrooms und Fernsehstudios aufteilen. Weitere 8.000 Quadratmeter stehen für öffentlichere Programme zur Verfügung, hinzu kommt ein Dachgarten mit 4.000 Quadratmetern. Eine Tiefgarage mit 11.000 Quadratmetern gibt es auch noch, was in diesem Maßstab vielleicht der anachronistischste Aspekt des Gebäudes ist. Neben Koolhaas waren Chris van Duijn als Partner und Katrin Betschinger als Projektleiterin maßgeblich an der Umsetzung beteiligt. Aufseiten von Springer war Andreas Ludwigs verantwortlich. Rund 3.500 Menschen werden hier arbeiten.

Schon beim Wettbewerb und später beim ausführlichen Baustellenbesuch war überdeutlich geworden, dass man bei diesem Gebäude mit reinen Fakten nicht weit kommt. Döpfner als tief in das Projekt involvierter Vorstandsvorsitzender der Axel Springer-Gruppe offenbarte von Anfang an eine überraschende Ambition. Nicht weniger als das physische Zusammenarbeiten im digitalen Zeitalter sollte hier neu erfunden werden, zumindest für den deutschen Maßstab. In Kalifornien gibt es schließlich einige Vorbilder großer Technologie-Unternehmen, die Döpfner inspiriert haben könnten. Das Resultat ist ein spektakulärer Binnenraum aus ineinander verschachtelten Terrassen und Volumen, für den das Wörtchen „Atrium“ fast schon zu bescheiden ist. Dessen offizielle „Funktion“, im Sinne eines „Kraftwerks der Kreativität“ aus zufälligen Begegnungen Innovation zu generieren, lässt dabei fast schon an strukturalistische Ideen denken. Aber das Gebäude verfüge gleichzeitig eben auch und vor allem über eine starke symbolische Komponente als Ort der Kollektivität, so Koolhaas, weil man hier wieder ein Sinn für die Arbeit der Kolleg*innen bekomme. Und langweilig wird es den Nutzer*innen auf den flexibel nutzbaren Terrassen bestimmt auch nicht.

Dass sich Döpfner so sehr für das Verhältnis von organisatorischen und räumlichen Strukturen interessiert, könnte im Übrigen noch einen anderen Grund haben, den er bei der Eröffnung in einem Nebensatz erwähnt. Sein Vater sei ja Architekt gewesen, wenn auch ein idealistischer, der nicht viel gebaut habe. Das mag sachlich zwar richtig sein, aber insofern eine Untertreibung, weil Dieter Döpfner nach seiner Arbeit für Buckminster Fuller und Egon Eiermann als Direktor der Werkkunstschule Offenbach deren Transformation zur heutigen HfG – die passenderweise vor fast genau 50 Jahren eröffnet wurde – vorantrieb. Und ein spätes Echo des damaligen Mottos, dass es nicht um die Fertigung von Einzelwerken gehe, sondern um gestalterische Experimente unter der Voraussetzung eines interdisziplinären Informationsaustausches, kann man durchaus im gewaltigen Luftraum des neuen Springer-Gebäudes vernehmen – wenn auch das Ziel bei Springer weniger eine „Humanisierung der Umwelt“ als eher das Geldverdienen sein dürfte. (sb)

Fotos: Laurian Ghinitoiu


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Mathias Döpfner, Friede Springer, Frank-Walter Steinmeier und Rem Koolhaas auf dem Dach, Foto: Dirk Lässig

Mathias Döpfner, Friede Springer, Frank-Walter Steinmeier und Rem Koolhaas auf dem Dach, Foto: Dirk Lässig

Beim Rundgang durchs Gebäude, Foto: Dirk Lässig

Beim Rundgang durchs Gebäude, Foto: Dirk Lässig



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