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12.06.2018

Keine Baracke, keine Kaserne, keine Hundehütte

Siedlungshaus von Egon Eiermann in Buchen-Hettingen saniert


Kann ein Dorf mit 1.500 Einwohnern 500 Flüchtlinge aufnehmen? Angesichts der aufgeheizten Debatten wäre das heute wohl politisch nicht vermittelbar. Direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das anders. Da war die Not so groß, dass weniger debattiert wurde, sondern gehandelt. Ein wenig bekanntes Ergebnis eines solch umsichtigen planerischen Handelns aus den späten 1940er-Jahren findet man in den Tiefen der Provinz. In Buchen-Hettingen im Neckar-Odenwald-Kreis initiierte der rührige Ortspfarrer Heinrich Magnani eine Genossenschaftssiedlung für Heimatvertriebe und Einheimische.
 
Die 30 Wohneinheiten, die 1946/47 realisiert wurden, waren in quantitativer Hinsicht zwar nur ein kleiner Schritt angesichts der 500 Zuzügler, die das Dorf zu bewältigen hatte. Doch sie sind mehr als beachtenswert, denn hier gelang einem charismatischen Pfarrer ein echtes Stück Integration, nicht zuletzt deshalb, weil der Bau der Häuser größtenteils in Eigenleistung der zukünftigen Bewohner und Freiwilliger geschah.

Der Architekt hinter dem Projekt: Egon Eiermann, der trotz größten materiellen Mangels klare Vorstellungen von der wirtschaftlichen und ästhetischen Qualität der Bauten hatte: „Ich halte es für falsch, Fehlinvestitionen in der Art zu machen, dass jetzt notdürftige Bauten, die später ersetzt werden müssen, erstellt werden. Der Bedarf ist so ungeheuer, dass kein neues Gebäude für Jahrzehnte frei sein wird. Darin liegt eine große Verantwortung der Menschheit gegenüber, die ein Heim, aber keine Baracke, keine Kaserne und keine Hundehütte haben soll.“
 
Heute klingen Eiermanns Worte plötzlich wieder extrem aktuell. Und wie es der Zufall will, eröffnet am kommenden Sonntag, 17. Juni eines der Häuser unter dem Namen Eiermann-Magnani-Haus als Außenstelle des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg. Hinter der denkmalgerechten Sanierung und der Umwidmung des Hauses als Museum steckt die Wüstenrot Stiftung aus Ludwigsburg, die sich seit 2011 mit dem architektonischen und sozialhistorischen Kleinod beschäftigt hat. 500.000 Euro kosteten die Sanierung und die Ausstellung, 85 Prozent dieses Betrags trugen allein die Ludwigsburger, die – wie bei allen Projekten des renommierten Sanierungsprogramms der Stiftung üblich – das Projekt auch selbst leiteten.
 
Die Sanierung erfolgte äußerst zurückhaltend, was auch deshalb möglich war, da das Haus über die Jahrzehnte weitgehend unverändert geblieben war. Im neu eröffneten Museum wird sowohl das Bauprojekt präsentiert als auch das Leben in der Siedlung dargestellt. Im Erdgeschoss vermitteln die Kuratoren die ursprüngliche architektonische Konzeption Eiermanns, das Obergeschoss zeigt weitgehend den letzten bewohnten Zustand und ist dem Lebensalltag der Bewohner und der Geschichte der „Ostflüchtlinge“ im Dorf gewidmet.
 
Die Wüstenrot Stiftung bringt in ihrer Mitteilung zum Projekt auf den Punkt, was damals wie auch heute in architektonischer Hinsicht virulent ist, wenn es um kostengünstige Wohnbauten geht: „Egon Eiermann schuf mit genau kalkulierten Proportionen auf engem Raum großzügige, offene Wohnbereiche in den Häusern und plante die Ausstattung bis ins Detail.“ (gh)

Fotos: Thomas Wolf


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Der offizielle Festakt zur Eröffnung des Hauses am kommenden Sonntagvormittag, den 17. Juni ist nicht öffentlich. Ab 12 Uhr findet am Haus ein öffentliches Fest statt. Weitere Informationen zum Museum finden sich unter www.eiermann-magnani-haus.de


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Egon Eiermann und Heinrich Magnani realisierten 1946/47 in Buchen-Hettingen insgesamt 30 Wohneinheiten, die zu einem großen Teil als Selbstbau entstanden.

Egon Eiermann und Heinrich Magnani realisierten 1946/47 in Buchen-Hettingen insgesamt 30 Wohneinheiten, die zu einem großen Teil als Selbstbau entstanden.

An der Fassade setzte Eiermann auf einen Prüssverband, was zu einem charakteristischen Äußeren der einfachen Häuser führte.

An der Fassade setzte Eiermann auf einen Prüssverband, was zu einem charakteristischen Äußeren der einfachen Häuser führte.

Die Ausstellung im Obergeschoss des Hauses ist der Lebensrealität der „Ostflüchtlinge“ im Dorf gewidmet.

Die Ausstellung im Obergeschoss des Hauses ist der Lebensrealität der „Ostflüchtlinge“ im Dorf gewidmet.

Eiermann arbeitete gerne mit Farbe, die Farbfassung im Obergeschoss dürfte aber von den Bewohnern stammen. Das „Treppengeländerseil“ geht jedoch auf Eiermann zurück.

Eiermann arbeitete gerne mit Farbe, die Farbfassung im Obergeschoss dürfte aber von den Bewohnern stammen. Das „Treppengeländerseil“ geht jedoch auf Eiermann zurück.

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