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09.02.2024

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Verschachtelte Wohnstadt

Quartiersbebauung von PPAG architects in Wien


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Wie neue urbane Lebensformen aussehen können, beschäftigt das Wiener Büro PPAG architects schon länger. Etwa vor sieben Jahren im Rahmen einer Ausstellung in Berlin, die provokant fragte: „Willst du wirklich wohnen wie deine Mutter?“ Man kann nur erahnen, dass mit dem jüngsten Projekt die Antwort darauf „Nein“ lauten soll. Das Team um Anna Popelka und Georg Poduschka stellte nun im 23. Wiener Bezirk Liesing einen Quartiersbaustein namens Rivus Vivere fertig. 296 Wohnungen und 12 Gewerbeeinheiten umfasst der Komplex, der der Stadt sicher wieder viel Beachtung in puncto Quartiersbebauung bescheren wird.

Der Grund dafür liegt im Konzept, das sich als dichte Mischung aus Gemeinschaft und Privatsphäre auf unterschiedlichen Nutzungsebenen darstellt. Auf einem Grundstück mit 13.404 Quadratmetern, davon rund zwei Drittel bebaute Fläche, erhebt sich das heterogene Geflecht eines autofreien Wohnquartiers. Der Clou liegt in der Teilung der Funktionen, die schnell an das Olympische Dorf in München denken lassen. So bildet ein insgesamt dreigeschossiger, durchgehender Sockel einen „künstlichen Hügel“ aus. Darin verschwinden die geforderte Parkgarage mit 280 Plätzen, Kellerräume, Lager, Technik und Müll. 585 Fahrradstellplätze verteilen sich außerdem auf die Anlage.

Ab der zweiten Ebene oberhalb des Erdniveaus entwickelt sich das eigentliche Wohnensemble. Sieben Baukörper ragen aus dem Sockel hervor und bilden in ihrer unterschiedlichen Ausprägung eine Vielzahl an Höfen, Plätzen, Wegen, Treppen, Spielflächen, Sitzgelegenheiten und Durchgängen aus. Die vielbefahrene Breitenfurter Straße sollte möglichst von der Wohnnutzung und den dazwischenliegenden Freiflächen abgekoppelt sein, diese sind über Treppen, Rampen und Passagen erreichbar. An der Straße reihen sich in den unteren zwei Geschossen lediglich Gewerbeflächen mit Büros und Co-Working-Plätzen, ein Café und Arztpraxen.

Als gemeinschaftlich nutzbare Bereiche sind Fitnessräume mit Boulderwänden, je ein Kleinkinder- und ein Jugendspielraum, ein teilüberdachter Kinderspielplatz, eine Hunde- und Fahrrad-Waschstation, ein Waschsalon sowie Paketboxen untergebracht. Die Struktur will sich explizit auch zur Nachbarschaft öffnen, die die zahlreichen Durchwegungen nutzen kann. Maisonetten auf Hofebene und im Dachgeschoss sowie unterschiedliche Wohnungstypen sollen möglichst viele Lebensformen für alle Generationen abdecken.

Die teils verputzten, teils mit Riemchen bekleideten Fassaden sowie die Stabgeländer sind durchgängig in einem hellen Ton gestaltet, lediglich goldfarbene Fensterprofile und -läden setzen einen Akzent. Die anfangs noch karg anmutenden, gepflasterten Freiflächen und Teile der Fassaden werden im Lauf der Zeit begrünt. Bäume und Stauden sollen in Erdkoffern, Hochbeeten und Töpfen wachsen. Die komplexen, präzise gesetzten Kubaturen lassen abwechlungsreiche Sonnen- und Schattensituationen im Tagesverlauf zu. Gründächer, Photovoltaik, Fernwärmeanschluss und eine Wärmepumpe sowie Retention von Regenwasser gehören außerdem zum Konzept einer energieeffizienten Bauweise.

Der Stadtbaustein entstand im Auftrag der Buwog Group (Wien), einem Komplettanbieter für Immobilien. Rivus Vivere, das frei finanzierte, laut Bauherr „hochwertige Mietwohnungen ab knapp 11 Euro pro Quadratmeter“ anbietet, ist der letzte Bauabschnitt innerhalb eines größeren, neu errichteten Quartiers namens Rivus. Dabei sind in den letzten acht Jahren rund 800 Wohnungen sowie ein Kindergarten, eine Schule und Einrichtungen der Nahversorgung im unmittelbaren Umkreis entstanden. In Wohnungsanzeigen ist zu lesen, dass die Mietdauer auf maximal 10 Jahre begrenzt ist. Damit scheint sich die neue urbane Lebensform – zumindest in Hinblick auf eine langfristige Zufriedenheit der Bewohnerschaft – deutlich von der nur einen Steinwurf entfernten Wohnmaschine Alterlaa zu unterscheiden. (sab)

Fotos: Hertha Hurnaus


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Kommentare

3

tutnixzurSache | 12.02.2024 18:34 Uhr

Aus den Fehlern nichts gelernt

Das ist strukturell wie gestalterisch einfach eine 70er-Jahre-Großwohnsiedlung die in der Geschosszahl ein wenig eingedampft wurde. Hier werden ganz konsequent alle Fehler der Vergangenheit wiederholt. Anonymität, Unübersichtlichkeit, fehlende Möglichkeiten der Aneignung, fehlende Maßstäblichkeit - und da sind die zeitgenössichen Themen noch nicht einmal mit berücksichtigt: Versickerungsfähigkeit, Vermeidung von Hitzeinseln etc.

Ich liebe die Enzis von PPAG. Aber das hier ist einfach ein objektiv dysfunktionales Projekt. Schrecklich.

2

Frank | 12.02.2024 13:40 Uhr

hochwertig

Wir brauchen viel Wohnraum und der muss zwingend attraktiv sein. Das Projekt macht auf den ersten Blick in vielerlei Hinsicht einen vorbildlichen Eindruck. Mehr Farbe wäre allerdings angebracht, auch wenn die geplante Begrünung kompensieren wird, die Zwischenräume scheinen nicht belebbar, wenn die Sonne nicht scheint.
Was ich nicht verstehe ist: "In Wohnungsanzeigen ist zu lesen, dass die Mietdauer auf maximal 10 Jahre begrenzt ist."

1

auch ein | 09.02.2024 16:47 Uhr

architekt

das weiss-in-weiss wirkt gleissend und steril, die nutzung wirds richten.
hier ist irgendwie die dichte auch nicht störend, die balkone werden ja bald zugehängt sein.

wäre gespannt wie es in 2 jahren aussieht.

 
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