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29.01.2024

Wiener Betonhut

Museumserweiterung von Certov und Winkler+Ruck


Vielen wird das unscheinbare Gebäude am Karlsplatz in Wien bisher gar nicht aufgefallen sein. Das könnte sich dank des kürzlich abgeschlossenen Umbaus ändern. Ein wesentlicher Grund, warum das Wien Museum nun eher ins Auge fällt, dürfte der massive Hut aus geriffeltem Sichtbeton sein, der über dem Bestandsbau zu schweben scheint. Nach Plänen der ARGE Ferdinand Certov Architekten (Graz) und Winkler+Ruck Architekten (Klagenfurt) wurde das in den 1950er-Jahren von Oswald Haerdtl entworfene Wien Museum außerdem umfassend saniert und um einen pavillonartigen Vorbau erweitert.

Eine Sanierung des denkmalgeschützten Baus galt schon seit 1980er Jahren als dringlich. Jedoch erst im Jahr 2013 fasste die Stadt Wien nach langem Hin und Her den endgültigen Entschluss: Der Standort des Museums am Karlsplatz sollte beibehalten, der Bau umfassend saniert und erweitert werden. Und das nicht nur ein bisschen: Festgelegt wurde eine Vergrößerung von 6.900 auf 12.000 Quadratmeter – also eine Verdoppelung der Fläche. An dem 2015 ausgeschriebenen Wettbewerb nahmen zahlreiche namhafte Büros teil – darunter Zaha Hadid, Foster + Partners, Snøhetta und Kengo Kuma. Der Siegerentwurf von Certov und Winkler+Ruck überzeugte damals unter anderem durch seine „selbstbewusste Haltung am Karlsplatz“, wie es in der Jurybeurteilung hieß. Das Architektenteam konnte bereits bei einem Auftrag für den Umbau des Kärnten Museums in Klagenfurt Erfahrungen sammeln, wofür sie den Österreichischen Bauherr:innenpreis 2023 erhielten.

Der auf ein gläsernes Geschoss aufgesetzte Körper aus Sichtbeton beherbergt zwei Etagen für Sonderausstellungen. Insgesamt 6.000 Kubikmeter Beton wurden für das massiv anmutende Volumen verwendet. Die Last der scheinbar stützenfreien Konstruktion wird durch das mittig gelegene Atrium 40 Meter nach unten in die hier eingegrabenen Fundamente geleitet. Im Inneren bleibt neben dem Beton auch das Stahlfachwerk zu großen Teilen sichtbar. In dem unter dem Betonkörper gelegenen gläsernen Geschoss befinden sich ein Café, Veranstaltungsräume sowie eine kleine Ausstellungsfläche. Die Räume lassen sich direkt vom Erdgeschoss aus und unabhängig von einem Ausstellungsbesuch erreichen. Geschützt von dem weit auskragenden Betonhut bietet sich von der Terrasse ein weitreichender Blick über den Karlsplatz.

Herausfordernd sei auch die Tragwerksplanung für den gläsernen, 215 Quadratmeter großen Vorbau gewesen, der nun als Eingangsbereich dient, so das Architektenteam. Der statisch komplexe Bau schließe nicht direkt an den Altbau an, sondern werde in das ehemalige Museumsatrium „eingeschoben“. Die Konstruktion bedient sich der filigran-eleganten Ästhetik der 1950er Jahre, die sich im gesamten Bestandsgebäude wiederfinden lässt. Letzterer wurde komplett entkernt, sodass lediglich das Stahlskelett übrig blieb. Alle denkmalgeschützten Elemente ließ man aufwendig restaurieren und anschließend wieder einbauen. Für die Fassade, die erneuert werden musste, kamen ein Dolit-Kalkstein aus Kroatien und Wachauer Marmor zum Einsatz. Bei der hellen Erscheinung habe man sich an dem Originalzustand orientiert, schreiben die Architekt*innen.

Auf den drei Geschossen der Dauerausstellung erwartet die Besucher*innen – übrigens bei freiem Eintritt – ein chronologischer Rundgang zur Wiener Geschichte. In der Mitte dient der 20 Meter hohe ehemalige Innenhof nun als Atrium. Auf mehreren Ebenen kann dieses durchschritten werden. Unter anderem finden hier besondere Ausstellungsstücke wie der zehn Meter lange Wal Poldi Platz, der früher einmal das Gasthaus Zum Walfisch im Prater dekorierte. Die Stockwerke sind außerdem über zwei neue seitliche Treppenhäuser an der Rückwand des Atriums miteinander verbunden. Unter dem Vorplatz wurde der Bau für unter anderem die Grafik- und Fotosammlung vergrößert. Insgesamt 1.200 Quadratmeter Fläche stehen hier nun zur Verfügung.

Die Kosten werden mit 108 Millionen Euro beziffert – womit das zuvor festgelegte Budget eingehalten werden konnte. (dsm)

Fotos: Lisa Rastl, Kollektiv Fischka, Christine Koblitz, Martina Baumeister


Zum Thema:

Mehr zu strukturierten Betonoberflächen bei Baunetz Wissen


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