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16.05.2025
Tornado über dem Hafen
Museum in Rotterdam von MAD
Gestern wurde in Rotterdam das neue Museum Fenix eröffnet. Sein Thema ist die Migration. Argumentiert wird aber nicht mithilfe einer historischen Ausstellung, sondern anhand von zeitgenössischer Kunst. Untergebracht ist das Fenix in einem historischen Lagerhaus des Rotterdamer Hafens. MAD aus Peking sanierten den Bestand und setzten ihm eine spektakuläre Form aus glänzendem Edelstahl auf. Unser Autor war vor Ort.
Von Nikolaus Bernau
Der „Tornado“ auf dem Dach des neuesten niederländischen Museums Fenix blitzt edelstahlverkleidet in der Sonne Rotterdams. Die Reflexe scheinen bis zu den Hochhäusern der gegenüberliegenden Insel Koop van Zuid zu reichen. Einen echten Werbemarker hat Ma Yansong, Gründer des Pekinger Büros MAD, hier entworfen. Der „Tornado“ (so bezeichnet übrigens das Fenix selbst den spektakulären Aufbau) scheint mit seinen weiten, gleißenden Schwüngen regelrecht über dem historischen Lagerhaus zu schweben, in dem das Museum untergebracht ist.
Der Bestandsbau namens San Francisco wurde in den 1920er Jahren im Auftrag der Holland-Amerika-Lijn realisiert und stammt von Cornelis van Coor. 1940 wurden Teile des Gebäudes bei einem deutschen Luftangriff zerstört, später brannte ein weiterer Teil ab. Lange war geplant, dass die baulichen Überreste für weitere Hochhäuser an der Hafenkante weichen müssen. Bis sie nun wie ein Phoenix aus der Asche entstiegen. Daher auch der Name des Museums.
Seit 2018 arbeiteten Ma Yansong und sein Team an dem Projekt. Die Architekt*innen standen vor einer schwierigen Aufgabe, die sie gemeinsam mit dem Rotterdamer Buerau Polderman angingen, das die Sanierungsarbeiten verantwortete. Die Lagerhallen stehen als Dokument der Hafen- und Transportgeschichte unter Denkmalschutz. Sie gehören zum umfangreichen baulichen Erbe der einstigen Holland-Amerika-Lijn, die als eine der größten Reedereien der Welt seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Menschen vor allem zwischen den Amerikas und Europa transportierte – darunter viele auf der Flucht vor Armut, Krieg oder Verfolgung.
Kunst erzählt Geschichten
Von diesen vielen Geschichten handelt die vorzüglich – anders kann man es nicht ausdrücken – ausgestellte Kunst im Fenix. Man findet hier Dokumentationstücke wie einen Abschnitt der Berliner Mauer oder einen kleinen, in Lettland 1923 für Geflüchtete ausgestellten Nansen-Pass. Vor allem sieht man aber herausragende künstlerische Arbeiten wie „Refugees (1. Leaning on Air 2. God’s opinion is unknown)“ des Südafrikaners William Kentridge oder den fürchterlichen „Thron der Erkenntnis“ aus Kalaschnikows, Pistolen und Munition des Angolaners Goncalo Mabunda.
Ein Manko allerdings gibt es. Die konservatorischen Bedingungen sind, freundlich gesagt, problematisch, selbst wenn man nicht die hyperstrengen Bedingungen von Restaurator*innen ansetzt. Viele Werke wie die zarte Radierung „Die Heilige Familie auf der Flucht“ von Rembrandt sind aus Papier oder empfindlichen Textilien. Das Licht aus den Oberlichtern und den Fenstern ist trotzdem strahlend hell. Unverträglich auch für die Installation der Ukrainerin Daria Kzhai, die ihr Schlafzimmer aus Zeitungen nachgebaut hat. Und zwar mit jenen, die dokumentieren, wie der Ukraine die nationale Existenz abgesprochen wurde und anderen, die seit 2022 erst das Durchhalten der Ukrainer gegen den russischen Angriff als unmöglich bezeichneten und dann als heldisch feierten. Hier droht der Verfall.
Warum die Kurator*innen nicht einfach, wie etwa in amerikanischen oder britischen Museen schon lange üblich, Jalousien an Deckenlichtern und Fenstern anbringen, die unmittelbar, nachdem die letzten Besucher*innen das Haus verlassen haben, als Lichtschutz herabgelassen werden? Es gab gestern beim Presserundgang keine Antwort auf diese Frage.
Kritische Kontraste und ärgerliche Auslassungen
Die Kontraste sind teilweise kaum erträglich. Da ist ein kleines Boot Geflüchteter von der italienischen Insel Lampedusa, mitgenommen von der Fahrt über das Mittelmeer. Es ist nicht nur ein Symbol für die Hoffnung, dem Terror und der Armut in Afrika zu entkommen, sondern auch für die Güte der Menschen auf Lampedusa. Aber hinter diesem Boot sieht man durch das sorgfältig restaurierte Fenster die strahlenden Hochhäuser des wichtigsten europäischen Hafens. Die Regierung des Landes wird momentan von rechten Parteien vorangetrieben, deren Migrationspolitik vor kaum einer Grausamkeit zurückschrecken will. Hauptsache, „die da“ – seien es Afrikaner, Afghanen, Syrer oder Bangladeschi – bleiben draußen. Solche Selbstkritik der Niederlande kommt in dem Museum – das von einer sich selbst als politisch unabhängig betrachtenden Stiftung getragen wird – nur für bereits Wissende zum Tragen.
Das Fenix ist dezidiert ein Kunstmuseum. Wer erwartet, hier etwas über Geschichte der Migration an sich und speziell die der Niederlande zu erfahren, wird trotz all den großartigen Kunstwerken enttäuscht. So fehlt auch die Geschichte jenes Lagers Westerbork, das die niederländische Regierung 1938 einrichtete, um Flüchtlinge aus Deutschland, vor allem Juden, zu kasernieren und schnell abschieben zu können. Nach der Eroberung des Landes 1940 nutzten es die Deutschen, nunmehr mit niederländischer Amtshilfe, um vor allem die jüdische Bevölkerung auf den Weg nach Auschwitz zu bringen. Wieder einmal stilisieren sich die Niederlande durch Auslassungen zu einem Land der erfüllten Sehnsüchte.
Blank polierte Oberfläche
Neben den Hauptausstellungsflächen gibt es im Sockelgeschoss einen akustisch vorzüglich gedämmten Versammlungssaal, weitere Ausstellungsräume und ein Café. Das architektonische Symbol der Institution soll der „Tornado“ auf dem Dach sein: eine verzogene Doppelhelix in der Mitte des 550 Meter langen, flachen Gebäudes. Sie dient der Erschließung und öffnet immer neue Ausgänge – so wie Migration nicht ein Weg ist, sondern viele Wege. Leider sind aktuell keine Pläne zum Gebäude verfügbar, um dies genauer nachvollziehbar zu machen.
Mehr als 4.000 Quadratmeter blank polierte Edelstahloberflächen – sie werden den Instandhaltungsetat gehörig belasten, denn nicht nur Kinder wollen sie unbedingt berühren – begleiten den Gang nach oben zur Aussichtsplattform auf dem Dach. Die ist zwar viel zu niedrig gelegen, um in der Hochhausstadt Rottedam wirkliche Sensationsblicke zu bieten. Doch die Spiegelung der Hochhäuser und der Menschen auf der Plattform ist wirklich ein Erlebnis.
Nicht ganz korrekt preist sich das Fenix als erstes Museum Europas, das von einem Chinesen gestaltet wurde. Tatsächlich hat Wan Shu im Berliner Humboldtforum schon 2019 einen riesigen Ausstellungssaal für die Kunst der chinesischen Kaiserhöfe gestalten können. Beide Werke stehen zwar für ganz und gar unterschiedliche, ja, gegensätzlich gedachte Aspekte einer erneuerten chinesischen Architektur. Sie sind aber auch Teil jener von Nationalisten und Rechten nur als negativ gesehenen Migrationsgeschichte, die die Menschheit doch von Beginn an prägt.
Fotos: Iwan Baan
Zum Thema:
Direkt neben dem Fenix planen MAD momentan die Transformation eines weiteren Hafengebäudes zum Kulturzentrum Danshuis.
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Gestern wurde in Rotterdam das neue Museum Fenix von MAD eröffnet. Sein Thema ist die Migration. Gezeigt wird Kunst.

Der „Tornado“ zieht sich vertikal durch das gesamte Gebäude und begleitet den Gang nach oben zur Aussichtsplattform auf dem Dach.

Ausstellungsansicht von „The Family of Migrants“ im Fenix Museum

Bestandsgebäude in den 1920er Jahren
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