- Weitere Angebote:
- Filme BauNetz TV
- Produktsuche
- Videoreihe ARCHlab (Porträts)
10.06.2015
Wie ticken die denn?
Metronom am Berliner Tempodrom
Von Jeanette Kunsmann
Eigentlich ist das keine Meldung. „Baustart des Wohnquartiers ‚Metronom‘ in Berlin-Kreuzberg“, lautet der Titel einer gestrigen Pressemitteilung. Nachrichten wie diese erreichen die Redaktion täglich – mal ist es Düsseldorf oder Hamburg, mal Frankfurt oder München, oft ist es Berlin. Zu oft. Denn ebenso wie alle anderen lieben auch die Investoren die Metropole an der Spree, auch das ist nichts Neues. Und „urbanes Wohnen“ klingt so, wie es aussieht. Mit Architektur oder Baukunst hat das nicht mehr viel zu tun. Beunruhigend: Diese Form von Gebäuden verbreitet sich und ist nicht zu stoppen.
Berlin-Kreuzberg bekommt nun das „Metronom“. Allein der Name, den die Kondor Wessels Holding geschickt vom benachbarten Tempodrom und Liquidrom ableitet und damit vielleicht Sprachkunst zu beweisen versucht, allein der Name sollte bereits verboten werden. Die Begriffe Hippodrom und Velodrom sind noch allgemein bekannt, das Tempodrom leitet sich von dem italienischen Tempo (Geschwindigkeit) und dem griechischen Wortstamm drom (Weg) ab. Und auch das Metronom gibt es: Dieses ist ein „mechanisches, elektronisches oder elektromechanisches Gerät, das ein gleichmäßiges Tempo durch gleichmäßiges Anschlagen von Notenwerten vorgibt“, weiß Wikipedia. Will dieses neue Wohnquartier am Anhalter Bahnhof nun das Tempo, also den Takt, für die weitere Stadtentwicklung Berlins vorgeben? Oder sollen hier vornehmlich Musiker einziehen? Ein Blick auf die Website gibt weitere Hinweise. Der Potsdamer Platz sei Pop, Kreuzberg Jazz und Friedrichstadt Klassik, wird dort behauptet. Ganz so einfach lässt sich urbanes Wohnen in Berlin anscheinend nicht verkaufen.
Oder doch: In dem neuen Quartier auf einer ehemaligen Brache in der Halleschen Straße werden jetzt 74 Eigentumswohnungen gebaut, die Hälfte sei bereits vor Baubeginn verkauft, behauptet die Pressemitteilung nicht ohne Stolz. Verkauft auf Grundlage von Zahlen, Zeichnungen und Visualisierungen wie den drei Bildern rechts. Anfang Mai wurde die Baugenehmigung erteilt, mit dem Aushub der Baugrube Mitte Mai begonnen, die Aufnahme der Rohbauarbeiten ist bereits für Juli geplant. Es muss schnell gehen mit diesem 23,5-Millionen-Euro-Projekt, denn im Sommer 2017 sollen die zwölf Wohnhäuser fertiggestellt sein.
Erst im vorletzten Absatz der Pressemitteilung wird übrigens der Name des Architekten verraten. „Die vom Büro Tobias Nöfer entworfene Architektur orientiert sich an klassischen Vorbildern und bietet zugleich alle Vorzüge eines Neubauprojektes“, heißt es dazu. Warum denn überhaupt noch einen Architekten, könnte man angesichts des geplanten Entwurfs fragen. Auf der Website von Nöfer Architekten – ein Büro, das sich bereits mit einer ganzen Reihe solcher Projekte rund um die Berliner Mitte verewigt hat – lesen wir: „Architektur ist das, was über das Gebaute hinausweist, sie ist der sichtbar werdende geistige Anteil am Bauen. Sie kann nur entstehen, wenn der Bauherr den Mehrwert erkennt, der durch gute Architektur geschaffen wird.“
Am Ende darf man nur eins: sich wundern. Wundern darüber, wie Architekten „Dauerhaftigkeit, Nützlichkeit und Schönheit – diese Urtugenden der Architektur“ (Nöfer Architekten) versprechen und nicht mal im Ansatz halten. Und darüber, wie die Investoren heute bauen und für ihre Geldanlagen unter dem Label Architektur werben dürfen. Dabei war doch erst vor wenigen Tagen in der Welt zu lesen, Berlin sei vorbei. Egal, es wird weiter spekuliert – so sind die Spielregeln. Zumindest solange in Berlin und anderswo die Investoren den Takt vorgeben.
Zum Thema:
Auf Karte zeigen:
Google Maps
Kommentare:
Kommentare (26) lesen / Meldung kommentieren