In den westlichen Ausläufern St. Gallens liegt zwischen Wald und Wiesen das Sitterwerk, ein öffentliches Zentrum für Kunst und Produktion in den Hallen einer ehemaligen Färberei. Südlich des Komplexes, nahe der Fürstenlandbrücke, stand einst ein Wohnhaus für Arbeiter*innen der Färberei. Im vergangenen Jahr wurde es durch einen Neubau von Studio Romano Tiedje ersetzt, das im Sitterwerk seinen Sitz hat. Bauherrin ist die Stiftung hausen + wohnen, die in der Region bezahlbaren Wohnraum bereitstellt.
Der Altbau war lange bewohnt, zuletzt jedoch stark von Bauschäden und Feuchtigkeit gezeichnet. Die Stiftung entschied sich gegen eine Sanierung und für den Abriss. Als Referenz an die Vorgeschichte blieb immerhin die Kubatur gewahrt, wenn auch leicht versetzt, nämlich rund vier Meter hangabwärts, um den notwendigen Abstand zum Wald einzuhalten. In dieser Lage konnte im Untergeschoss eine zusätzliche Wohnung geschaffen werden, sodass das Haus nun auf vier Geschossen und einer Nutzungsfläche von 365 Quadratmetern Platz für vier Parteien bietet – rund 30 Prozent Wohnfläche mehr als zuvor.
Alle Wohnungen sind über ein Treppenhaus an der nördlichen Stirnseite erschlossen. Die Grundrisse spiegeln die subtil verschobene Dachfirstlinie wider, indem die zentrale Wand auf allen Ebenen leicht schräg zur rechtwinkligen Ordnung des Haus-Grundrisses steht. Die Wohnungen im Erd- und Obergeschoss haben jeweils vier Räume, die im Dachgeschoss und Souterrain je zwei. Ein Teil der früheren Bewohner*innen ist wieder eingezogen, neue Mieter*innen kamen hinzu.
Der Neubau tritt mit strenger und ruhiger Präsenz auf. Die Waschputzfassade wird durch Details wie glasierte Klinker, die gelbe Dachuntersicht und ein Treppenhaus mit Glasbausteinen belebt. Innen setzt sich die rohe Materialästhetik fort. Hier arbeiteten die Architekt*innen mit unverputztem, lediglich gestrichenem Mauerwerk an den Außenwänden sowie Sichtbeton an Decken, Innenwänden und Stützen. Reduziert und herb, doch hochwertig ausgeführt.
Neben dem Neubau wurde ein kleines Waschhaus saniert, das nun als Atelier, Keller- und Fahrradraum dient. Die Gesamtkosten für das Projekt beliefen sich auf umgerechnet etwa 2,13 Millionen Euro. (gk)
Fotos: Jeremiah Schwery
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peter | 22.09.2025 20:43 Uhr@1, 2
finde ich nicht - das ist doch kein trauriges gespenst, sondern ein eindeutig neues haus in der annähernd alten kubatur, mit ein paar reminiszenzen. für meinen geschmack wäre es durchaus auch okay gewesen, ein paar spolien mit einzubauen - das hätte vielleicht den kontakt mit der geschichte des ortes noch etwas gestärkt, alt und neu noch mehr verwoben.
vielleicht hat es ja auch baurechtliche gründe, dass als strategie für diesen ort der wiederaufbau gewählt wurde.
etwas schwierig ist die platzierung etlicher fenster und türen genau in den raumecken, vermutlich aus gestalterischer motivation. für die nutzung bzw. möblierbarkeit der räume hat das aber nur nachteile - so etwas sollte man wenn möglich eigentlich lieber vermeiden.