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28.06.2018

Surrealistisch kuratierte Parkhausfassade

J. Mayer H. Architekten, WORKac, Clavel Arquitectos, Nicolas Buffe und K/R entwerfen in Miami


Ob Schaufensterauslage oder beer menu – heutzutage wird ja eine ganze Menge kuratiert. Der Begriff hat den Kunstkontext längst verlassen und schwirrt durch die gesamte Konsum- und Kultursphäre. Manch spöttische Bemerkung liegt da immer wieder auf der Hand. Wenn nun aber im Miami Design District die „kuratierte“ Fassade eines Parkhauses fertiggestellt wurde, dann wäre ein bissiger Kommentar mehr als unangebracht. Verantwortlich für die spektakuläre Hülle ist nämlich kein Geringerer als der Architekt Terence Riley, ehemals Kurator am MoMA und später Direktor des Miami Art Museum.
 
Vor drei Jahren wurde Riley von Investor Craig Robins – dem „Erfinder“ des Design Districts – beauftragt, ein Konzept für ein Parkhaus im Zentrum des beliebten Kultur- und Konsumviertels zu entwickeln, das den programmatischen Namen Museum Garage trägt. Geplant und realisiert wurde das Parkhaus von Rileys New Yorker Büro K/R. Doch anders als bei Herzog & de Meurons luftig aufragendem Parkhaus in der Lincoln Road 111, geht es bei Riley nicht um spektakuläre Konstruktion und aufregende Raumerlebnisse in Sichtbeton. Er verfolgte einen gegensätzlichen Weg und beschäftigte sich allein mit der Hülle des sieben Geschosse hohen Hauses, das neben 800 Stellplätzen auch Verkaufsflächen im Erdgeschoss umfasst.
 
Cadavre Exquis
 
Riley lud vier Architekten und Designer ein, die jedoch nicht gemeinsam an dem Projekt arbeiteten, sondern im Unklaren darüber waren, was die Kollegen machten. So verkündet es jedenfalls die Pressemitteilung zum Projekt. Dort beruft sich Riley auf das surrealistische Spiel Cadavre Exquis, das heute weniger avantgardistische Kunstpraxis ist, sondern eher ein Familienspiel für verregnete Sonntagnachmittage: Ein Blatt wird mehrmals gefaltet, man einigt sich auf wenige grundsätzliche Regeln und jeder zeichnet einen Teil des Bildes, ohne zu wissen, was die anderen gezeichnet haben. Am Schluss wird das Papier aufgefaltet und man freut sich über das skurrile Ergebnis.
 
Cadavre Exquis dürfte jedoch mehr Gedankenmodell als tatsächliche, streng angewandte Planungspraxis gewesen sein, denn zumindest das Design XOX (Hugs and Kisses) von J. Mayer H. Architekten greift auf zwei Entwürfe der Kollegen zurück und synthetisiert diese an der Ecke des Hauses zu einer spektakulären Form. Das Berliner Büro bespielt den markantesten Teil der Parkhausfassade. Selten dürften die viel diskutierten, wulstigen Formen des Büros weniger Angriffspunkte für Kritik geboten haben: Die poppigen, nachts hell erleuchteten, amöbenhaften Formen können als angemessene Antwort auf die Entwurfsaufgabe gelten. Einer solchen Parkhausfassade in Miami plakative Kulissenhaftigkeit vorzuwerfen, ginge dann doch am Thema vorbei.
 
Gestapeltes öffentliches Programm
 
Für die kurze Schmalseite des Parkhauses waren WORKac (New York) verantwortlich. Ihr Teil überschneidet sich relativ stark mit dem von Jürgen Mayer H. Die New Yorker Architekten waren die Einzigen der fünf Teams, die sich nicht auf den Entwurf einer vorgehängten Oberfläche beschränkten. Stattdessen konzipierten sie eine 90 Zentimeter tiefe Raumschicht vor dem eigentlichen Parkhaus und stapelten hier eine ganze Reihe (halb)öffentlicher und sozialer Funktionen en miniature übereinander. Was in amerikanischen Innenstädten oft abgeht, findet sich in ihrem Beitrag mit dem ironischen Titel Ant Farm nun als kompaktes Surplus an der Fassade eines Parkhauses wider: eine Bar, ein kleiner Spielplatz mit Rutsche, eine Leihbücherei, ein kleiner Kunstraum, Lounges, eine DJ-Kabine und ein winziger Garten mit einigen Palmen.

Auf dem Dach gibt es ein kleines Auditorium und einen künstlichen „beach space“. Im Erdgeschoss findet man eine öffentliche Toilette, Bänke und eine Ladestation für Handys. Auch praktische Funktionen für die Autobesitzer – nämlich Ladestationen für Elektroautos und Geräte zur Autopflege – liegen in diesem Bereich des Parkhauses. Das Artifizielle dieses spielerischen und eher symbolischen Stücks Urbanität manifestiert sich nicht zuletzt in den Öffnungen, die wie bei einer Ameisenfarm die Zirkulation und das Geschehen im Inneren didaktisch für die Betrachter auf der Straße inszenieren. Seht her: Das ist eine Stadt!
 
Northeast 41st Street
 
Die Längsseite des Parkhauses erstreckt sich entlang Northeast 41st Street. Hier entwarfen der französische, in Japan lebende Künstler Nicolas Buffe, das spanische Büro Clavel Arquitectos und Rileys eigenes Büro. Buffe arbeitete mit plakativen, schwarz-weißen Ornamenten aus Metall und Faserverbundwerkstoffen. Er kombiniert auf ziemlich amerikanische Art japanische Manga-Ästhetik mit europäischem Rokoko zu einem axialsymmetrischen Fassadenbild. Zwischen vier überlebensgroßen, comicartige Karyatiden liegen die Ein- und Ausfahrten des Hauses.
 
Demgegenüber wirkt der Fassadenabschnitt Urban Jam des Büros Clavel aus silbern und gold lackierten Autokarosserien fast konventionell. Beim abschließenden Teil Barricades von K/R wird es geradezu konzeptionell und abstrakt. Die New Yorker nahmen die orange und weiß gestreiften Straßenabsperrungen Miamis als Ausgangspunkt und entwarfen einen Lamellenvorhang, der ein wenig an die Streifenbilder von Daniel Buren erinnert. Das passt insofern, da direkt gegenüber das Institute of Contemporary Art Miami des Madrider Büros Aranguren + Gallegos Arquitectos liegt, das im letzten Jahr eröffnete. (gh)

Fotos: ImagenSubliminal (Miguel de Guzmán + Rocio Romero)


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Das New Yorker Büro WORKac stapelte an der Schmalseite des Hauses ein kompaktes städtisches Programm en miniature in die 90 Zentimeter tiefe Fassadenschicht.

Das New Yorker Büro WORKac stapelte an der Schmalseite des Hauses ein kompaktes städtisches Programm en miniature in die 90 Zentimeter tiefe Fassadenschicht.

J.Mayer.H Architekten waren für die prägnante Ecke des Parkhauses im Miami Design District verantwortlich. Der Abschnitt überschneidet sich teilweise mit dem von WORKac.

J.Mayer.H Architekten waren für die prägnante Ecke des Parkhauses im Miami Design District verantwortlich. Der Abschnitt überschneidet sich teilweise mit dem von WORKac.

Der Künstler Nicolas Buffe kombinierte für seinen Fassadenabschnitt oberhalb der Ein- und Ausfahrten japanische Manga-Ästhetik und europäisches Rokoko.

Der Künstler Nicolas Buffe kombinierte für seinen Fassadenabschnitt oberhalb der Ein- und Ausfahrten japanische Manga-Ästhetik und europäisches Rokoko.

Terence Riley kuratierte die Zusammenstellung der Fassade und steuerte mit seinem New Yorker Büro K/R einen eher abstrakt und konzeptionell gehaltenen Abschnitt bei.

Terence Riley kuratierte die Zusammenstellung der Fassade und steuerte mit seinem New Yorker Büro K/R einen eher abstrakt und konzeptionell gehaltenen Abschnitt bei.

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