Der Bezirk Dalston im Norden Londons entwickelt sich in den letzten Jahren zu einem angesagten Ort. Auslöser für diesen Wandel, der mit einer entsprechenden Gentrifizierung einhergeht, waren wohl die Olympischen Spiele 2012 und der damit verbundene Ausbau des Overground-Netzes in Richtung Norden. Das ortsansässige Büro [Y/N] Studio hat hier 2022 ein Geschäftshaus behutsam transformiert, ohne dabei die bestehenden Mieter*innen zu übergehen.
Der Komplex Bradbury Works liegt am Gillett Square, einem ehemaligen Parkplatz, der sich in den letzten 20 Jahren zu einem wichtigen Ort für Gemeinschafts- und Kulturveranstaltungen entwickelte. Im Norden schließt das 2004 erbaute Dalston Culture House an, südlich grenzt die namensgebende Bradbury Street an. Die lokale Stadtentwicklungsagentur Hackney Co-operative Developments (HCD), die laut eigenen Aussagen bezahlbare Arbeitsflächen schaffen will, agierte als Bauherrin. Nachdem das Projekt 2017 von der Stadt mit einer Million Pfund zusätzlich finanziert wurde, konnten die Planungen beginnen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 3,1 Millionen Pfund, was heute etwa 3,6 Millionen Euro entspricht.
Das Dach sowie die platzseitigen Laubengänge der bestehenden viktorianischen Mauerwerksstruktur wurden rückgebaut und die rund 600 Quadratmeter Arbeitsfläche renoviert. Stattdessen ergänzten die Planenden ein Satteldach mit Maisonette-Einheiten sowie eine vorgesetzte, vier Meter tiefe Stahlrahmenkonstruktion. Zum Platz hin nimmt diese zehn kleine Einzelhandelseinheiten auf, in den oberen Geschossen dient sie der Erschließung sowie dem Aufenthalt. Im Erdgeschoss und auf dem Dach ist der Anbau mit profilierten Aluminiumwellblechen verkleidet, an den Giebel- und Längsseiten hingegen in eine transluzente Polycarbonat-Fassade gehüllt. Der schimmernde, fast spiegelnde Baukörper ist mit großen Öffnungen versehen, zwischen den Balken des neuen Dachs wurden zusätzliche Fenster positioniert.
Um den Bestand energetisch zu verbessern, wurden die bestehenden Fenster durch Doppelverglasungen ersetzt und innenseitig isolierte Gipskartonplatten angebracht. Das Treppenhaus ist in Farben der CMYK-Farbpalette eingefärbt, um die Orientierung zu erleichtern. Symbolisch soll diese Farbigkeit an die Durchmischung der Nutzer*innen von Bradbury Works anlehnen: Neben einer Schneiderei, einem Friseur, Cafés oder einem Radiostudio sind ebenso drei Jazzclubs, Wohltätigkeitsorganisationen und Kunstschaffende eingemietet. Auch [Y/N] Studio selbst haben ihr Büro nun an einer der Stirnseiten unter dem Satteldach. Während der Bauarbeiten konnten die bestehenden Mietparteien im Gebäude bleiben oder temporär in von HCD betriebene Ausweichräume ziehen. (gk)
Fotos: French and Tye
Zum Thema:
In unserem Themenpaket versammelten wir vergangenen Herbst zwölf weitere Projekte mit transluzenten Fassaden.
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arcseyler | 02.04.2024 16:34 Uhr.......
auch hier dominiert, aber auf andere Weise, der Zubau den Altbau, was ein interessantes Gleichgewicht erzeugt. Schon ein überragender Höhenstachel als Y-Koordinate würde bei einem kleineren Anbau genügen.
Oder anders herum: man kann sich als Anbau gar nicht so klein machen, dass man nicht stört.