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05.02.2020

Buchtipp: Get Stollerized!

Ezra Stoller. A Photographic History of Modern American Architecture


Platz da! Das neue Buch zum Lebenswerk des amerikanischen Architekturfotografen Ezra Stoller (1915–2004) kommt im schweren Großformat daher: 29 auf 25 Zentimeter, über 400 Seiten und gute drei Kilo schwer. Räumen sie also Ihren Schreibtisch frei, dies ist definitiv kein Buch, dass man abends gemütlich im Bett liest.

Besser sollte Ezra Stoller. A Photographic History of Modern American Architecture auf einer stabilen Unterlage liegen und sowieso bei guten Lichtbedingungen studiert werden. Denn die 450 Abbildungen sind kein Fast Food aus dem Internet, sondern auf das Feinste konstruierte Kunstwerke. Ein genaues Studium lohnt sich, und daher braucht es das gedruckte Großformat. Denn Stoller war der vielleicht umtriebigste Chronist des amerikanischen „High Modernism“. Gerade rechtzeitig für dessen Hochphase kam er 1938 aus dem Architekturstudium. Mit dem Fotografieren hatte er noch als Student begonnen, seine ersten kommerziellen Aufträge erledigte er im Fotolabor der Universität. Zielstrebig und geschäftstüchtig baute er seine Arbeit zur Marke aus, trat direkt mit Bauherren, Herausgebern, Kuratoren und den Architekten in Kontakt und gründete 1966 seine eigene Fotoagentur Esto, die auch andere Fotografen vertrat oder deren Bilder kaufte.

Auch bei seinen Aufnahmen überließ er nichts dem Zufall. Stoller beeindruckte die Star-Architekten seiner Zeit mit der Gabe, die grundlegenden Ideen des Entwurfs in wenigen, präzisen Fotos ausdrücken zu können. Er war ein präziser Konstrukteur, der die Aufnahmen tagelang vorbereitete und auch Fenster und Türen in einem bestimmten Winkel öffnen ließ, um den besten Schattenfall zu bekommen. An einem guten Tag – so wird er im Buch zitiert – habe er acht Fotos geschafft. Der große Lebemann der amerikanischen Moderne Philip Johnson brachte es perfekt auf einen Nenner, als er schrieb, dass Stoller nicht fotografierte, sondern Häuser „stollerisierte“ (stollerized). Der Architekturkritiker Paul Goldberger hingegen jammerte nach dem Besuch eines so „stollerisierten“ Gebäudes, das Foto habe so viel besser ausgesehen als das mediokre Werk vor Ort.

Die Architekten aber standen Schlange, um ihre Gebäude „stollerisieren“ zu lassen. Frank Lloyd Wright, Marcel Breuer, Walter Gropius, Mies van der Rohe, Eero Saarinen und immer wieder Skidmore, Owings and Merrill. Mehr noch als ein Ausnahmefotograf war Stoller aber auch überzeugter Anhänger dieser Moderne. Er suchte sich die Gebäude aus, die zu seiner Begeisterung passten, andere lehnte er ab. Stoller war nicht nur Chronist, sondern auch Akteur und mit seinen Aufnahmen ein Prediger dieser neuen Architektur, die ohne Gebrauchsspuren und fast ohne Menschen still und großartig in seinen Fotos leuchtet.

Stoller kam und ging mit der Moderne. Bis Ende der 60er arbeitete er immer mehr und erledigte bis zu 95 Aufträgen im Jahr. Dann starben seine Auftraggeber, und die neue Generation gefiel ihm nicht. Die Postmoderne hat er kaum eines Blickes gewürdigt. Er fotografierte stattdessen weniger und kümmerte sich um die Agentur und die Vermarktung. Viele der von ihm fotografierten Gebäude hätten ohne seine Aufnahmen wohl nie dieselbe weltweite Beachtung gefunden. Seine Fotos vom Guggenheim, vom Seagram Building, vom Lever House oder dem UN Headquarter gehören ohne Zweifel zu den eindrucksvollsten New-York-Fotos des 20. Jahrhunderts und künden heute noch von der (erneuten) Neuerfindung dieser Stadt durch die moderne Architektur. Dieses Buch bietet das Format und die Ruhe, um sich dem Sog dieser Bilder hinzugeben. Man wird sozusagen selbst „stollerisiert“. Was für ein Vergnügen!

Text: Florian Heilmeyer

Ezra Stoller. A Photographic History of Modern American Architecture

Pierluigi Serraino
Englisch
416 Seiten
Phaidon, 2019
ISBN 978-0714879222
125 Euro


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Eine von Ezra Stollers bekanntesten Aufnahmen: Das von innen leuchtende „Seagram Building“ in New York, 1958.

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Marcel Breuer und seine Frau Constanze im „Breuer House“ (1939) in Lincoln, MA. Aufnahme 1940.

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