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16.07.2025

Buchtipp: Flüchtige Momente

Encounters. Denise Scott Brown Photographs


Architektur ist immer beides, monumental und flüchtig. So zumindest lautet das Fazit nach der Lektüre von Encounters. Denise Scott Brown Photographs, das zahlreiche Fotografien der Architektin ausbreitet. Auf über 400 Seiten zeigt sich Architektur darin als Spiegel des Alltags, in Bildern weltberühmter Gebäude ebenso wie von Tankstellen, Baustellen, Freunden oder von flüchtigen Begegnungen mit Menschen, die Denise Scott Brown auf ihren Reisen faszinierten.

Herausgegeben vom Architekturhistoriker Izzy Kornblatt, ist die querformatige Publikation ein überraschend intimes Porträt der heute 93-jährigen Architektin und ihrem spezifischen Blick. Die Aufnahmen stammen aus den 1950er bis 1970er Jahren – einer Phase intensiver Bewegung in Scott Browns Leben, geografisch wie biografisch. Ihr Werdegang führt über mehrere Kontinente. Geboren im heutigen Sambia, aufgewachsen in Südafrika, mit familiären Wurzeln in Lettland und Litauen, studierte sie in Johannesburg und London. Danach ging sie in die USA, zum Lehren, Forschen und schließlich zur Arbeit mit ihrem zweiten Ehemann Robert Venturi, der 2018 starb.

Die Publikation verzichtet auf umfangreiche Texte. Es gibt lediglich eine Einleitung und einen Essay von Kornblatt. Statt einer chronologischen Abfolge ist das Buch in neun thematische Kapitel gegliedert. Den Auftakt macht „Fleeting Moments“. Wir sehen Porträts ihres ersten Mannes Robert Scott Brown, der 1959 bei einem Autounfall ums Leben kam, Aufnahmen aus ihrer ersten gemeinsamen Wohnung in London, Bilder von Familienmitgliedern, Freund*innen und immer wieder: Fremde, Busfahrer, Tanzende, Eisverkäufer*innen. Sie alle werden zu Figuren einer beobachtenden Architekturforschung.

„The Grand Tour“ dokumentiert Reisen nach Italien, etwa zur Villa Rotonda, gefolgt von informellen Szenen: Denise und Robert auf dem Markusplatz in Venedig, umringt von Tauben. Weitere Kapitel zeigen Bilder, die aus der Bewegung heraus entstanden – durch Fensterscheiben von Autos, Schiffen, Flugzeugen, darunter eindrucksvolle Luftaufnahmen Kapstadts, Venedigs oder New Yorks. Auch ihr Elternhaus in Johannesburg, nach dem Entwurf ihrer Mutter, die ebenfalls Architektur studierte, ist Teil dieser vielschichtigen Topografie. 

Den Städten Philadelphia und Las Vegas sind jeweils eigene Kapitel gewidmet. In Philadelphia lernte sie 1960 Venturi kennen, später kehrte sie zum Unterrichten und Arbeiten zurück. In Las Vegas wollte sie herausfinden, warum die Menschen diese Stadt so fasziniert. 1972 entstand daraus das Buch Learning from Las Vegas, das mit seinem Blick auf das scheinbar Nebensächliche der Stadt einen regelrechten Wendepunkt in der Architekturtheorie markierte.

Dass Denise Scott Brown in der Rezeption oft nur neben oder gar hinter ihrem Mann Robert Venturi gedacht wurde, ist eines jener strukturellen Probleme, dem dieses Buch entgegenwirkt. Vor gut zehn Jahren forderte eine internationale Petition, ihr den Pritzker-Preis rückwirkend gemeinsam mit Venturi, der ihn 1991 erhalten hatte, zu verleihen – vergeblich. BauNetz traf sie damals für ein Interview in der BauNetz WOCHE #327. Die Publikation Encounters jedenfalls macht Denise Scott Brown als eigenständige Denkerin sichtbar: analytisch und humorvoll. 

Text: Gertje Koslik

Encounters. Denise Scott Brown Photographs

Izzy Kornblatt (Hg.)
434 Seiten 
Englisch
Lars Müller Publishers, Zürich 2025
ISBN 978-3-03778-794-6
60 Euro 


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„Venice Den. S. Marco“, Denise Scott Brown auf dem Markusplatz, circa 1956

„Venice Den. S. Marco“, Denise Scott Brown auf dem Markusplatz, circa 1956

„City hall & flowers“, Johannesburg, 1950er

„City hall & flowers“, Johannesburg, 1950er

Las Vegas, Mitte der 1960er

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„Africa hsg JHB“, Soweto, Südafrika, 1957/58

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