Neubau kann nicht allein die Lösung für die Wohnungsfrage sein. Auch wenn es Kanzler Friedrich Merz im Bundestag und Verena Hubertz mit dem Bau-Turbo so darstellen. Drei neue Dokumentationen von Arte, ZDF und dem Canadian Centre for Architecture thematisieren den Zielkonflikt zwischen Wohnungsnot und Klimakrise. Ihre Protagonisten machen deutlich, dass ein „Umbau-Turbo“ nötig ist.
Hört auf zu bauen!
Die Reportage des ZDF-Magazins Aspekte fragt, wie es Städten gelingt, schneller, günstiger und klimafreundlich Wohnraum zu schaffen. Dabei unterhält sich Moderatorin Katty Salié mit Architekt*innenteams, die Bestehendes umwidmen und dabei graue Energie erhalten. Zum Beispiel mit Frank Schönert und Nanni Grau vom Büro Hütten und Paläste, die die DDR-Ausflugsgaststätte Lottenhof in Potsdam zum Kulturzentrum umnutzen. Oder mit dem Architekten Jurek Brüggen, der mit der Wohnungsbaugenossenschaft Altmark in Stendal Plattenbauten zu Einfamilienhäusern umbauen will. Sie besucht den Deutschen Pavillon in Venedig und sie fährt nach Landau, wo Bürgermeister Dominik Geissler (CDU) dem Leerstand von rund 700 Wohnungen mit einer Zweckentfremdungsverbotssatzung Einhalt gebieten will. Schließlich führt sie eine Reihe umgenutzter Parkhäuser auf. Das ist kompakt und informativ erzählt und die Botschaft ist klar: Umbauen statt neu bauen ist eine riesige Herausforderung. Planer*innen liefern maßgeschneiderte Ideen, nicht nur für Wohnungen, aber es braucht auch überzeugte Politiker*innen.
Hört auf zu bauen!
Reportage
44 min, ZDF, 23. Mai 2025
in der Mediathek verfügbar bis 22. Mai 2026
Wohnungsnot bekämpfen ohne neu zu bauen?
Weniger auf realisierte Beispiele als vielmehr auf kontroverse Argumente setzt ein Beitrag in der vom ZDF produzierten Reihe „Agree to disagree“, der aktuell in der ARTE-Mediathek zu sehen ist. Gastgeber Bertold Meyer, Professor für Arbeitspsychologie, spricht mit zwei Männern, deren Positionen unterschiedlicher kaum sein könnten. Jan-Hendrik Goldbeck, Wirtschaftsingenieur und Geschäftsführer eines Bauunternehmens, will „ein Angebot an Wohnungen schaffen und zwar an den Orten, wo die Leute hinwollen“ und vertraut dabei auf klimafreundlichere Technologien. Tim Rieniets, Professor für Stadt- und Raumentwicklung in Hannover, hingegen kritisiert, dass der Diskurs immer mit Blick auf die Energieeffizienz des einzelnen Objekts geführt werde, nicht jedoch auf seine Entstehungsbedingungen. Er plädiert für eine bessere Verteilung von Wohnraum und Bestandsaktivierung. Einen Bürobau zum Wohnhaus umzubauen, sei kein bezahlbares Unterfangen, entgegnet Goldbeck. Weil der sanierte Altbau die gleichen Standards erfüllen müsse wie ein Neubau, kontert Rieniets. In dem geschickt geschnittenen Streitgespräch kommen viele Zahlen auf den Tisch. Es geht um graue Energie, Flächenverbrauch und Recycling, die gestiegene Wohnfläche pro Person und das Auslaufmodell Einfamilienhaus. Auch die Firma Concular, die gebrauchte Bauteile zur Wiederverwendung vermittelt, wird vorgestellt. Schließlich stellt Meyer noch ein paar gute Fragen: Hat die Politik versagt? Liefert die Industrie genug Möglichkeiten? Wohnen Sie selbst auf mehr als 30 Quadratmetern? Das Fazit ist eindeutig: Alle können einen Beitrag leisten, indem sie ihre eigenen Ansprüche überdenken.
Wohnungsnot bekämpfen ohne neu zu bauen?
Reportage in der Reihe „Agree to disagree“
27 min, Arte / ZDF, 03. Juni 2025
in der Mediathek verfügbar bis 29. Juni 2028
To Build Law
Als Making-Of-Doku kommt der Film „To Build Law“ daher, den das Canadian Center for Architecture (CCA) im Rahmen seiner dreiteiligen Film- und Ausstellungsreihe zu alternativen Architekturpraktiken produziert hat. Der Film begleitet zwei altbekannte Zu-Wort-Melder im Architekturdiskurs, Olaf Grawert und Arno Brandlhuber sowie die Kampagnenmanagerin Alina Kolar bei der Geburt der Europäischen Bürgerinitiative HouseEurope!. Diese will unter anderem Gesetzesänderungen zur Begünstigung von Sanierungsprojekten erstreiten und sammelt Unterschriften für eine Volksabstimmung auf europäischer Ebene. Bis Ende Januar 2026 müssen eine Million Unterschriften in mindestens sieben Ländern zusammenkommen. Die in Berlin und Zürich 2024 gedrehten Aufnahmen beobachten die Protagonisten in den Phasen der Kampagnenvorbereitung. Wie sie einen Workshop in San Gimignano, dem Büroturm von Brandlhuber + in Berlin-Lichtenberg, abhalten, im Stuhlkreis mit Gästen europäischer Architekturinstitutionen Slogans diskutieren, eine Werbeagentur für die Zielgruppenanalyse briefen, ein Storytelling-Seminar in ihrem ETH-Studio station+ abhalten und schließlich in der Tempelhofer Flughafenhalle die Kampagne launchen. Fazit: Man erfährt, wie es aussieht, wenn sich Architekt*innen und Hochschullehrende bei der Arbeit an ihrem Beitrag zum Klimawandel portraitieren lassen. Doch braucht es diese 50 Minuten Selbstdarstellung, um eine Million Menschen in ganz Europa für eine Unterschriftenaktion zu gewinnen? Oder geht es um etwas ganz anderes? Vergangene Woche erhielt House Europe! den mit 100.000 Euro dotierten OBEL Award. Bei der Europäischen Kommission sind bisher 22.604 Unterschriften eingegangen.
To Build Law
R: Joshua Frank
50 min, CCA, 2024
CCA
Auswahl und Text: Friederike Meyer
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Hinrich Schoppe | 23.06.2025 10:42 UhrRichtige Richtung
Das ist mal eine super Sache.
Hoffentlich schauen die richtigen Leute so etwas auch mal an, statt immer das vermeintlich einfache "schneller höher weiter" zu predigen.
Die Zeiten sind jetzt andere.
Danke.