- Weitere Angebote:
- Filme BauNetz TV
- Produktsuche
- Videoreihe ARCHlab (Porträts)
18.06.2025
Schneller, einfacher, flexibler
Bau-Turbo passiert das Bundeskabinett
In den ersten 100 Tagen einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Wohnungsbau-Turbos unter Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit vorlegen sowie Lärmschutzfestsetzungen erleichtern – das hatte die Regierung im Koalitionsvertrag versprochen. Und das hat sie eingehalten. Beim Pressetermin heute Vormittag in Berlin verkündeten Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung, den sogenannten Bau-Turbo.
Mit dem Gesetzentwurf sollen Kommunen die Möglichkeit bekommen, nicht nur Wohnungen, sondern auch soziale und kulturelle Einrichtungen schneller zu bauen. So würden aus derzeit durchschnittlich fünf Jahren zwei Monate Planungszeit. Gleichzeitig würden der Umwandlungsschutz von Miet- und Eigentumswohnungen und damit die Rechte von Mieter*innen gestärkt. Der Bau-Turbo sei der erste Schritt für mehr Tempo im Wohnungsbau, so Hubertz.
Zu den Neuerungen im Gesetzentwurf zählen unter anderem die Neueinführung von § 246e, der befristet bis 31. Dezember 2030 ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften erlaubt. Bei Anwendungen kann die Gemeinde Wohnungen, sei es durch Neubau, Umbau oder Umnutzung, bereits nach zwei Monaten Prüfung, ohne Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zulassen.
Die Anpassung von § 31 Absatz 3 BauGB ermöglicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Plans hinaus. So kann etwa in Straßenzügen durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen neuer Wohnraum in zweiter Reihe geschaffen werden. Durch die Anpassung von § 34 Absatz 3b BauGB wird es möglich, im unbeplanten Innenbereich über die bisherigen Möglichkeiten hinaus Wohngebäude zu errichten. Künftig kann auch in zusammenhängend bebauten Ortsteilen ohne Bebauungsplan von geltenden städtebaulichen Regelungen abgewichen werden, zum Beispiel bei der Aufstockung von Gebäuden oder Nachverdichtungen im Hinterland.
Weil verfügbares Bauland in vielen Städten und Gemeinden immer knapper wird, soll künftig auch im sogenannten Außenbereich, also in Gebieten ohne Bebauungsplan und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, Wohnraum geschaffen werden können. Dabei wolle man den Umweltschutz und die Flächensparsamkeit beachten. Gebaut werden soll allerdings nur im räumlichen Zusammenhang mit bestehenden Siedlungen. Schließlich sollen Änderungen im Baugesetzbuch ermöglichen, dass Gemeinden in Bebauungsplänen zum Beispiel bei Schallschutzvorkehrungen für das Erreichen bestimmter Innenraumpegel abweichen dürfen. Mit innovativen Lärmschutzlösungen soll so mehr Wohnbebauung in der Nähe von Gewerbebetrieben realisiert werden.
Wie der Wohnbau-Turbo konkret eingesetzt wird, entscheiden die Gemeinden. Damit will man die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden stärken. Bundesländer wiederum können Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt ausweisen und ihnen Steuerungsinstrumente wie etwa die erleichterte Anwendung von Vorkaufsrechten, Befreiungen oder Baugeboten an die Hand geben. Die Bundesregierung rechnet mit einer jährlichen finanziellen Entlastung für die Verwaltung und die Wirtschaft von mehr als 2,5 Milliarden Euro.
Der Gesetzentwurf bekommt nicht von allen Seiten Zustimmung. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den geplanten Beschluss als „neuen Tiefpunkt in der deutschen Baupolitik“. „Neue Einfamilienhäuser auf bislang unbebauter Fläche sollen ermöglicht, Umweltstandards und Beteiligungsrechte mit der Brechstange ausgehebelt werden. Bezahlbarer Wohnraum entsteht so nicht – stattdessen drohen Bodenspekulation und Naturzerstörung“, sagt die Bundesgeschäftsführerin der DUH Barbara Metz. Statt auf soziale und ökologische Stadtentwicklung zu setzen, wolle die Bauministerin Neubau um jeden Preis. Es brauche eine Sanierungsoffensive und einen echten „Umbau-Turbo“ im Bestand. Der Bundestag müsse den Paragrafen 246e im parlamentarischen Verfahren dringend nachbessern.
Die Bundesarchitektenkammer sieht den Entwurf teilweise kritisch. Präsidentin Andrea Gebhard sagte gegenüber BauNetz: „Schneller und kostengünstiger Wohnungsbau entsteht dann, wenn klug geplant wird und mehr Spielraum in der Verwaltung geschaffen wird. Vorschriften müssen reduziert werden, der Gebäudetyp-e ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Bezahlbarer Wohnraum darf nicht auf Kosten von Klima-, Umwelt- und Gestaltungsqualität entstehen. Sehr kritisch sehen wir die geplanten Regelungen zum § 246e ohne Baugebot, die falsche Anreize für kurzsichtige Bauentscheidungen setzen. Dass die Mindestzahl von sechs Wohnungen bei Wohnungsneubau im Außenbereich nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen ist, halten wir für besonders fatal, denn es führt zu einer Ausweitung von Flächen ohne Not und im schlimmsten Fall zur Vergoldung von Flächen ohne Wert für die Allgemeinheit. Das hat mit zeitgemäßem, sozial gerechtem Wohnungsbau wenig zu tun.“, so Gebhard.
Das Gesetzgebungsverfahren soll im Bundestag bis Herbst 2025 abgeschlossen sein. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen. (fm)
Zum Thema:
Weitere Beiträge zur Baupolitik auf Bundesebene in der letzten Zeit: „Kritik am Bau-Turbo. Appell mehrerer Verbände“ und „Baustelle Deutschland Wie weiter nach dem Ampel-Aus?“
Kommentare:
Kommentare (9) lesen / Meldung kommentieren

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und Bundesbauministerin Verena Hubertz heute in Berlin beim Pressestatement zum Bau-Turbo
