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21.10.2021

Kein Pharaonengrab für Düsseldorf

Zu den Neubauplänen der Kunstakademie


In Düsseldorf will der Rektor der Kunstakademie einen Erweiterungsbau durchsetzen und dafür als Architekt gleich selbst die Planung übernehmen. Was der schwulstige Bau direkt vor der Frontfassade der Akademie für die Uferansicht der Rheinmetropole bedeuten würde.

Von Klaus Englert


1879 veröffentlichte der Künstler Wilhelm Gause eine Grafik der gerade eingeweihten Düsseldorfer Kunstakademie mit wehenden Fahnen auf dem Dach. Davor ist der Sicherheitshafen mit vor Anker liegenden Schiffen zu sehen. Und im Vordergrund der von Maximilian Friedrich Weyhe angelegte Hofgarten mit flanierenden Bürger*innen.

Düsseldorfer trauen beim Anblick der Grafik ihren Augen nicht. Denn an der Stelle des Gewässers ragt heute die Rampe zur Oberkasseler Brücke empor, auch die idyllische Landschaft mit Flaneuren ist verschwunden, nachdem Wilhelm Kreis die Rheinhalle und dahinter die Museumsbauten am Ehrenhof errichtete. Heute haben sich zwischen Hofgarten und Rhein nicht nur diese Gebäude sondern auch die Rheinuferstraße geschoben, die mittlerweile euphemistisch Joseph-Beuys-Ufer heißt. Die Düsseldorfer*innen wissen gar nicht, dass hier die – verrohrte – Düssel in den Rhein fließt.

Nun könnte man denken, schlimmer kann es nicht werden. Aber die städtebauliche Malaise ist noch steigerungsfähig. Denn der Rektor der Kunstakademie und dortige Professor für Baukunst Karl-Heinz Petzinka möchte sich an seiner Wirkstätte verewigen und fertigte einen Entwurf für einen Erweiterungsbau der Akademie an, der die sensible Rheinfront weiter verbauen würde. Dabei soll der Anbau sinnigerweise an der Schauseite des Neo-Renaissancegebäudes von Hermann Riffart hochgezogen werden, dort, wo einst die Schiffe im Hafenbecken dümpelten. Petzinka möchte ihn auf der vorgelagerten Wiese errichten, die allerdings baurechtlich zum Hofgarten gehört. Das Problem ist zudem, dass der schwulstige, pharaonengleiche Annex die schöne Akademiefassade, die man heute fast nur beim Vorüberfahren aus der Straßenbahn bewundern kann, noch weiter in den Hintergrund schieben und zahlreiche, nach Norden ausgerichtete Atelierräume verschatten würde. Nach der Brückenrampe soll also noch ein monströser Anbau die Sicht auf große Teile der weltberühmten Kunstakademie versperren, die immerhin eines der wenigen glanzvollen Düsseldorfer Bauwerke aus dem 19. Jahrhundert ist.

Der Düsseldorfer BDA-Vorsitzende Georg Döring, der mit einem Offenen Brief auf den Petzinka-Entwurf reagierte, wird in der Rheinischen Post zitiert: „Hier baut sich der Rektor sein eigenes Denkmal.“ Tatsächlich weiß Petzinka, der vor Jahren das Düsseldorfer Stadttor und die Berliner CDU-Zentrale baute, wie man durch spektakuläre Attribute massenwirksame Bühnenarchitektur kreiert. Ein bisschen Villa Malaparte durch eine schaubühnenhafte Freitreppe, die bis zum Dachniveau des Riffart-Baus hinaufführt, ein bisschen Öko-Architektur, bei der sich die neuen Werkstattbereiche um die kammartig offenen Gebäudenischen mit alten Baumbeständen gruppieren und ein bisschen katalanischer Modernisme, denn Petzinka dachte sich für die Einbuchtungen ausgerechnet vielfarbige Azulejos und versponnene Fensterlaibungen aus. Der Akademierektor begründet den Anbau mit der auf 650 gestiegenen Studierendenzahl. In den 1980er Jahren gab es zwar deutlich mehr Studierende, aber Petzinka meint, es gelte, die Zahl der Werkstätten von 14 auf 21 zu erhöhen.

Dabei ist die Konzentration aller Werkstätten in dem Erweiterungsbau durchaus sinnvoll. Das gleiche gilt für die Konzeption des Akademieneubaus aus dem Büro Petzinka. Denn der Rektor beabsichtigt, für die Mappenübergabe der Bewerber*innen, die Kunstwissenschaftler*innen, das Rektorat und die Kanzlei neue Räumlichkeiten einzurichten. Allerdings hat Petzinka für das Raumprogramm ausgerechnet ein freies Grundstück zwischen dem quer gestellten Rheinflügel, in dem Seminarräume und Bibliothek untergebracht sind, und den Werkstätten auserkoren, die Rudolf Schwarz 1958 baute. Ein wellenförmig über die Ateliers auskragender, grauer Betonriegel soll einfach in die Baulücke gepresst werden. Das raubt den beiden Ateliergebäuden mit ihren unverputzten Backsteinmauern und den asymmetrischen Sheddächern ihre architektonische Eigenständigkeit.

Gibt es für die Erweiterung der Kunstakademie tatsächlich eine Notwendigkeit? Der Stadtrat hat zwar Ende September der Akademie die zu bebauende Wiese per Erbbaurecht übertragen. Aber der Entwurf Petzinkas stößt keineswegs nur auf Gegenliebe. Studierende starteten kurz nach Bekanntgabe des Entwurfs eine Petition, die die patriarchalen und narzisstischen Allüren des Rektors angreifen und einen öffentlichen Wettbewerb fordern. Ins gleiche Horn bläst der BDA Düsseldorf, der kritisiert, Petzinka definiere „im Alleingang“ den Projektumfang, gebe das Projekt in Auftrag und führe selbst die Planung durch. Georg Döring verweist in dem Offenen Brief auf den Realisierungswettbewerb zum Blaugrünen Ring, den 2019 das Frankfurter Büro raumwerk gewann. Dessen Entwurf sieht vor, Rampe und Verkehrsschneise der Oberkasseler Brücke zurückzubauen und unterhalb eines neu zu schaffenden, öffentlichen Plateaus Werkstätten für die Studierenden der Kunstakademie einzurichten. Petzinka, der als Preisrichter den Wettbewerb zum Blaugrünen Ring begleitet hatte, war genau über die Pläne informiert. Sein eigener Entwurf – so der Rektor – füge sich bestens in die Planung ein. Das ist natürlich Unsinn, denn sein Vorschlag läuft auf einen Gegenentwurf zu den Planungen von raumwerk hinaus, ohne dessen Komplexität zu bedenken.

Warum jetzt der Planungsausschuss, der seinerzeit die überzeugenden Entwürfe zum Blaugrünen Ring gebilligt hatte, Zustimmung für Petzinkas Werkstattprojekt signalisierte, ist nicht nachvollziehbar. Die Frankfurter Architekt*innen fühlen sich zu Recht düpiert. Die Kunstakademie braucht kein Pharaonengrabmal des Rektors Karl-Heinz Petzinka, sondern einen erstklassigen Entwurf, der die in Düsseldorf begonnene ökologische Stadtreparatur zwischen Hofgarten, Kögraben und Landtag voranbringt. An dem Entwurf von raumwerk kommt man nicht vorbei. Das weiß bestimmt auch die Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, die über den Petzinka-Entwurf entscheiden muss.

Visualisierungen: Petzinka  / Krumholz / Kunstakademie Düsseldorf


Zum Thema:

Gegen das Anbauvorhaben läuft eine Petition.


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