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02.06.2006

Erst Glaskunst, dann Baukunst mit Licht

Zum 100. Geburtstag von Carlo Scarpa


Carlo Scarpa, der 1978 gestorben ist, wäre heute, am 2. Juni 2006, hundert Jahre alt geworden. Scarpa gehört zu den wichtigsten Architekten der italienischen Moderne. Durch seine Lehrtätigkeit, seine Entwürfe und Projekte prägte er die Architektur des 20. Jahrhunderts entscheidend.

Scarpa wurde in Venedig geboren und schloss sein Studium an der örtlichen Kunstakademie im Fach Architekturdarstellung ab. Von 1926 an hatte er verschiedene Assistenzstellen an der neu gegründeten Architekturfakultät in Venedig inne, wo er ab 1933 als Lehrbeauftragter und schließlich als Professor tätig war. Als der nur zwei Jahre ältere Guiseppe Terragni 1943 starb, lag Scarpas architektonische Schaffenskraft noch im Schlummer.

Scarpa setzte sich 1933 bis 1947 mit der Glaskunst und Entwürfen für die Firma Venini aus Murano auseinander. Ab 1945 setzte er seine Lehrtätigkeit in den Bereichen Kunsthandwerk und Industriedesign fort. Ab etwa 1950 begann er schließlich mit der Realisierung größerer Bauaufgaben.

1955 bekam Scarpa den Doktorentitel honoris causa verliehen. Trotzdem war er Angriffen ausgesetzt, da er aufgrund seines Abschlusses im Fach Architekturdarstellung vielen als Nicht-Architekt galt. Ein Angriff, dem sich Autodidakten aussetzen müssen. Besonders wenn sie gut sind.

Schon eines seiner Frühwerke, die Gipsoteca del Canova in Possagno, erregte Aufsehen. Ihre Heiterkeit und Lichtfülle erhoben den Anbau vom Bestand, der Basilika Francesco Lazzaris. Eine kleine künstlerische Intervention Scarpas erweckte die bleichen Gipsfiguren von Antonio Canova zum Leben. Beeindruckend – doch wer war dieser Scarpa? Ein Architekt? Eigentlich nein.

Erst 1965 legitimierte ein Gerichtsurteil seine Bautätigkeit und das Führen des Architektentitels. Im Jahr 1966 nahm er an der Ausstellung „Museumsarchitektur“ des Museum of Modern Art in New York teil. Daran schloss sich ein längerer Amerika-Aufenthalt an, bis er Direktor der Architekturfakultät in Venedig wurde. 1978 starb Scarpa in Japan an den Folgen eines Sturzes.

Scarpas Architekturverständnis stützt sich auf einen planerisch-konzeptionellen Ansatz sowie handwerkliches Fachwissen. Handskizzen und Zeichnungen sind in seinem Werk besonders wichtig, seine Bemühungen um Skizzen und Werkpläne führten immer wieder zu Pausen seiner Bautätigkeiten. Seine Detailversessenheit ist verbürgt.

Scarpas Bedeutung für die Moderne ist weniger in seinen Neubauten selbst als in seinem intuitiven Umgang mit Licht in der Architektur zu sehen. Die Beschäftigung mit Murano-Glas – mit Farbe, Material Lichtbrechung, Lichtlenkung – hat sein Verständnis von und seinen Umgang mit Licht geprägt. Auch die Verwendung von Glas in der Architektur, wie bei der Fassade der Banca Popolare die Verona, zeugen von seiner Kenntnis, Licht in Architektur zu destillieren.

Von Scarpa könnten viele der globalisierten, multinationalen Architekten der Gegenwart lernen, dass kulturelle Vielfalt ein Geschenk – und eine Voraussetzung für das Entstehen des wirklich Neuen ist.

Zu seinen bedeutendsten Bauwerken zählen:

  • Umbau Gallerie dell‘Accademia in Venedig (1944-1949)

  • Umbau Palazzo Querini Stampalia in Venedig (1949-1956)

  • Gipsoteca del Canova in Possagno (1956-1957)

  • Museo di Castelvecchio in Verona (1958-1964)

  • Olivetti-Geschäft in Venedig (1959)

  • Negozio Gavina in Bologna (1961)

  • Friedhofserweiterung und Grabmal Brion in San Vito d'Altivole (1970-1973)

  • Banca Popolare di Verona (1974)

  • Casa Ottolenghi in Bardolino (1974-1978)
Till Wöhler


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