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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Hochhausplaene_am_Berliner_Alex_auf_Eis_gelegt_-_mit_Kommentar_23088.html

13.03.2006

Nicht gegen den Markt

Hochhauspläne am Berliner Alex auf Eis gelegt - mit Kommentar


Die Hochhausplanungen des Architekten Hans Kollhoff für das Umfeld des Berliner Alexanderplatzes sind offenbar vom Tisch. Dies ist Äußerungen zu entnehmen, die Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer gegenüber der „Welt am Sonntag“ vom 12. März 2006 gemacht hat.

Zwar sehen die bestehenden städtebaulichen Verträge mit Investoren vor, dass im Frühjahr 2006 mit dem Bau der Hochhäuser begonnen werden müsse, damit diese bis 2013 fertig gestellt werden könnten. Doch „wir werden die Pläne nicht gegen den Markt durchsetzen“, sagte die Senatorin der Zeitung. Weder gebe es an der Spree zahlungskräftige Banker wie etwa in Frankfurt am Main, noch ausreichend große Verbände, die mit ihren Mitarbeitern die Wolkenkratzer füllen könnten.

Einen im Jahre 1993 durchgeführten städtebaulichen Ideenwettbewerb hatte Hans Kollhoff mit einem Plan gewonnen, der rund um den Alex achtgeschossige Sockelbauten und daraus erwachsene Hochhäuser von 150 Metern Höhe vorsah. Zunächst waren 13 Hochhäuser geplant, dann zehn, und zuletzt galten maximal sechs als realistisch. Begonnen wurden bisher weder die Sockelbauten und erst recht kein einziges Hochhaus. Statt dessen erhielt das nach Kollhoffs Plänen zum Abriss vorgesehene Hotel „Park Inn“ (früher: Hotel Stadt Berlin) erst im Jahre 2005 eine neue Fassade. Auch bei der laufenden Erweiterung des Kaufhofs (früher: Warenhaus Centrum) wurden keine Vorkehrungen für eine mögliche spätere Aufstockung getroffen.

Kommentar der Redaktion

Berlin hat sich von einer Lebenslüge verabschiedet, und das ist gut so. – Rückblick: Zum Zeitpunkt des Wettbewerbs 1993 ging man von einem schier unermesslichen Wachstum der Stadt aus, und da bot sich die durch die sozialistische Moderne geprägte zugige Ödnis des proletarisch besetzten Alexanderplatzes für die (westlichen) Planer als willkommenes Terrain zur „Aufwertung“ an. Hans Kollhoffs durch das New York der dreißiger Jahre inspirierte Image von achtgeschossigen Sockelbauten, aus denen einzelne, 150 Meter hohe Türme emporwachsen sollten, wurde als genau das passende Angebot für diesen Ort empfunden. Ein Rockefeller-Center am Alex, eine neue Stadtkrone, wow! Wieder einmal wurde nur auf ein architektonisches (Fassaden-)Bild geschielt, wieder einmal wenig über Nutzung, Soziales und gar Finanzierung nachgedacht.

Der Verfasser dieser Zeilen hat den Kollhoffschen Versprechungen schon 1993 nicht glauben wollen, und seitdem hat sich nichts, aber auch gar nichts getan, hier einen Umschwung hervorzurufen. Im Gegenteil, die Immobilienwirtschaft ging zwischenzeitlich in die Knie, und die Verwirklichung von Kollhoffs Klein-Manhattan wurde immer unwahrscheinlicher. Dies hat nun auch die Politik eingesehen.
Die zuständige Senatorin agiert unerwartet geschickt, wenn sie jetzt nicht den großen Paukenschlag tut (das wäre die formelle Aufkündigung der städtebaulichen Verträge mit den Investoren), sondern „nur“ per Zeitungsinterview wissen lässt, dass der Senat niemanden „gegen den Markt“ zu sinnlosen Investitionen zwingen wird.

Somit bleibt am Alex alles eine Nummer kleiner, und das ist eine dem Ort und der Zeit angemessene Perspektive. Und es ist ja nicht so, dass dort gar nicht gebaut würde: Die Freiraumgestaltung des Platzes ist im vollem Gange, im Mai wird der vergrößerte Kaufhof (leider ohne historische Alu-Fassade) eröffnet; für C&A wird das Berolinahaus von Peter Behrens saniert, und im nächsten Jahr beginnt Hines mit der Bebauung der nordöstlichen Platzecke. Ganz zu schweigen von der Bebauung der „Banane“ zwischen Alex und Jannowitzbrücke, die ebenfalls im vollen Gange ist.

Auch hier wurde bereits 2004 „vorerst“ auf den Bau eines Hochhausturms nach Kollhoff-Schema verzichtet. Wir dürfen getrost annehmen, dass „vorerst“ längst zu „endgültig“ geworden ist. Dies hat die Senatorin mit ihren Äußerungen vom Wochenende nun auch offiziell gemacht. Fortan brauchen in Investorensimulationen für Grundstücke am Alex keine angedeuteten Kollhoff-Türme mehr eingezeichnet zu werden.

Benedikt Hotze


Zum Thema:

Artikel vom 12. 3. 2006 in der Welt am Sonntag


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