Es beginnt, natürlich, bei der Liebe. 1803 verguckte sich in Innsbruck der Medizinstudent Friedrich Knie in die Kunstreiterin Wilma. Er gab sein bürgerliches Leben auf, um mit ihrer Artistentruppe zu ziehen. Aus der Liebe wurde zwar nichts, aber Folgen hatte die Geschichte trotzdem. Denn Friedrich gründete bald eine eigene Artistentruppe und damit die Künstlerfamilie Knie, die diese Tradition bis heute lebt. 1919 erfüllten sich die Knies den Wunsch nach einer eigenen Zirkusmanege und wurden, soweit das für einen Zirkus möglich ist, seßhaft in der Schweiz. Gleichzeitig ließen sie ein Winterquartier für ihr Zelt, die Fahrzeuge und Tiere in Rapperswil errichten, wo der heutige Schweizer National-Circus Knie sein Zuhause hat.
Inzwischen ist der Zirkus eine Institution, die jährlich durch die Schweiz tourt. Zudem betreibt die Familie in Rapperswil Knies Kinderzoo, eine auch architektonisch interessante Anlage mit Bauten von Wolfgang Behles, Müller und Truniger sowie dem ambitionierten Holzgebäude Knies Zauberhut von Carlos Martinez Architekten und Blumer Lehmann.
Im Juni eröffnete der Zirkus seinen jüngsten Neubau, der von raumfindung architekten (Rapperswil) entworfen wurde: Ein neues Winterquartier mit Werkstätten, Materiallager und Stellplätzen für Fahrzeuge. Es entstand am Rande von Wagen, einem kleinen Dorf östlich von Rapperswil. Das Projekt ersetzt eine veraltete Halle aus den 1970er Jahren und bietet nun mehr Platz, um die Lagerflächen für den Fuhrpark, Material und Requisiten sowie die Werkstätten an einem Standort zu bündeln. Wie der Vorgängerbau orientiert auch er sich an den großen Scheunen der Gegend.
Als streng funktionaler Bau ist er vor allem aus der logistischen Organisation der Fahrgassen für die über 250 Fahrzeuge – von LKWs über Zirkuswagen und Traktoren bis zu Multivans – entwickelt. Für das problemlose Ein- und Ausfahren kann jede Gasse auf zwei Seiten mit holzbeplankten Handfalt- oder Schiebetoren geöffnet werden. Vollständig aufklappbare Tore ermöglichen Durchgänge zwischen den Werkgassen und Eingängen in die Werkstätten. Der ungeheizte Hallenteil lässt sich durch große Holz-Schiebetore öffnen, robust und wirtschaftlich, wie sie bei Scheunen und Ställen genutzt werden.
Das Gebäude ist ein Holz-Hybrid-Bau: Erschließungskern, Bodenplatte und Fundamente sind aus Ortbeton, die Sockel der V-Stützen aus Betonfertigteilen. Die restliche Konstruktion besteht aus Holz. Die kräftigen, V-förmigen Stützen und die darauf liegenden Durchlaufträger spannen in Ost-West-Richtung, so bleiben die Fahrgassen stützenfrei. Das ringsum auskragende Vordach schützt die Fassaden und schafft überdachte Arbeitsbereiche für die Werkstattnutzungen. Im Inneren gibt es einen gedämmten und beheizten sowie einen unbeheizten Teil. Im Obergeschoss kann der unbeheizte Teil später nachgerüstet werden.
Im Obergeschoss kommen Schneiderei, Sattlerei und großformatige Requisiten unter. Eine PV-Anlage versorgt das Gebäude mit Strom. Auffällig ist die Form des Schrägdachs mit innenliegender Kehle. Mit einer Firsthöhe von 8,50 Meter fügt sich das 5.000 Quadratmeter umfassende Gebäude in die Umgebung ein. Die fein profilierten Fassaden gliedern das große Volumen und sollen es optisch verkleinern. Dezente Grün- und Grautöne der Holzfassaden unterstützen diesen Eindruck. Die markante Silhouette und sechs Bullaugenfenster sorgen dafür, dass das Gebäude Vorbeifahrenden durchaus auffallen kann – vor allem, wenn der kupferne Wasserspeier der Dachentwässerung in der Sonne funkelt. (fh)
Fotos: raumfindung architekten
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Marco polo | 05.08.2025 13:12 UhrKnie winterquartier
Die Ortschaft wo das winterquartier ist, heisst rapperswil-jona. Das winterquartier ist auf dem gemeindegebuet von ehemaligen jona