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16.04.2025

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Plakativ bis raffiniert

Zur Expo 2025 in Osaka


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Am Sonntag, dem 13. April 2025, hat die Expo 2025 in Osaka eröffnet. Aus architektonischer Sicht sind Weltausstellungen meist bunte Gemischtwarenläden. Die Gestaltungen der einzelnen Pavillons reichen von plumpen Messeständen bis hin zu feinen, ephemeren Gebilden, die es in den Kanon der Architekturgeschichtsschreibung schaffen. Unser Autor war vor Ort und hat sich einige bemerkenswerte Beiträge näher angesehen.

Von Ulf Meyer


Mehr als 160 Länder, Regionen und internationale Organisationen stellen in ihren Pavillons bis zum 13. Oktober 2025 Ideen zum recht vage gefassten Thema „Die zukünftige Gesellschaft für unser Leben gestalten“ aus. Die Kosten der Expo beliefen sich laut der Tagesschau auf umgerechnet 1,4 Milliarden Euro. Zu den interessantesten Pavillons gehören dieses Mal die von Frankreich, Usbekistan und Bahrain. Zudem hatte das japanische Wirtschaftsministerium eine junge Tokyoter Architektin gebeten, den Frauen-Pavillon zu entwerfen.

Der französische Pavillon nennt sich Theatrum Naturae und wurde von Thomas Coldefy und Carlo Ratti entworfen, der dieses Jahr die Architekturbiennale in Venedig leiten wird. Entlang einer promenade architecturale sollten Besuchende nach Wunsch der beiden Entwerfer „aufsteigen, Natur entdecken und zur Erde zurückkehren“. Eine Treppe sollte auf eine Dachterrasse führen, auf der Frankreichs Départements als Gärten präsentiert werden. Die Idee konnte nicht umgesetzt werden, stattdessen wurde ein berühmter französischer Lederhersteller als Sponsor gefunden, der ungeniert die Aufmerksamkeit der Pavillongäste raubt und auf seine Taschen und Koffer lenkt. Laut Ratti soll der Weg durch den Pavillon, eine „Symbiose zwischen der technologischen und natürlichen Umwelt inszenieren“. Dieser hohe Anspruch wird nicht eingelöst, aber die Präsentationen in dem außen gleißend weißen, innen aber als Blackbox inszenierten Pavillon sind sinnlich und einnehmend.

Der von dem Atelier Brückner aus Stuttgart gestaltete Pavillon für Usbekistan hat einen Sockel aus Ziegeln und Lehm. Auf der Terrasse darüber steht ein acht Meter hoher Stützenwald aus Zypresse. Eine aufsteigende Plattform fährt in drei Minuten zur Terrasse hinauf. Alle Materialien des Pavillons sollen am Ende der Weltausstellung in den Kreislauf zurückgeführt werden. Die Herkunft der Hölzer kann sogar mit dem Smartphone nachverfolgt werden. Sie stammen aus dem Umland von Osaka. Architektur findet sich auch als Sujet im Pavillon: Eine Wand wird mit einem Panorama aus grafischen Schichten bespielt, das Muster und Silhouetten aus Usbekistan zeigt.

Das kleine Königreich Bahrain präsentierte sich dem Weltpublikum in den letzten Jahren schon mehrfach als architektonisch geschickt agierend: Sowohl auf der letzten Expo in Dubai als auch auf der Architekturbiennale in Venedig bewies das Land am Golf Geschmack. Für Osaka hat Lina Ghotmeh, die derzeit wohl vielversprechendste junge Architektin in Paris, ihre Entwurfsinspiration in den Dhau-Booten gesucht und gefunden. Die Handwerkskunst der Bootsbauer in Bahrain nahm sie zum Ausgangspunkt ihres Pavillons, der endlich einmal keine „decorated shed“ ist, sondern echte Architektur. Die Konstruktion interpretiert die Parallelen zur Holzbaukunst im Land der aufgehenden Sonne ebenso wie die maritime Geschichte von Bahrain und Japan. In seiner Form erinnert der Pavillon an die Masten der Dhau, die einst die Küsten der arabischen Halbinsel und Ostafrikas befuhren. Nach der Expo kann der hölzerne Pavillon von Bahrain leicht zerlegt und wiederverwendet werden.

Das ist sinnvoll – aber besser als Recyclierbarkeit ist das Recycling selbst: Der Shooting Star der zeitgenössischen japanischen Baukunst, die Architektin Yuko Nagayama, hat für den Frauen-Pavillon den Japanischen Nationalpavillon der Expo Dubai abbauen lassen und setzt ihn in Osaka ein zweites Mal zu einer faszinierenden „Origami-Architektur“ zusammen. Die eleganten, weißen Fassaden zeigen Monyo-Motive, wie sie für Kimonos verwendet werden. Nagayama verwandelte das Asa-No-Ha-Muster in ein dreidimensionales Fassadenraster. Dass ausgerechnet ein Juwelenhersteller den Frauen-Pavillion als Förderer mit seinem Logo in Beschlag nimmt, ist natürlich nicht ohne Ironie. Die diagonalen Formen der Architektur erinnern so unfreiwillig an den kristallinen Ausdruck von Edelsteinen, von denen nicht klar ist, ob sie wirklich „a girl’s best friend“ sind ...

Im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten gestellt werden alle Pavillons von dem gigantischen hölzernen Arkadenring, den Sou Fujimoto entworfen hat. Als größte Holzkonstruktion, die es jemals in der Menschheitsgeschichte gab, dient sie den mehrheitlich japanischen Weltausstellungsbesucher*innen dazu, das zu tun, was sie – aus unserer westlich geprägten Sicht – scheinbar meisterlich können: herumzuwuseln, ohne zu lärmen und zu müllen. Ohne Fujimotos Ring, der das Expo-Gelände strukturiert und Orientierung bietet, wäre das Allerlei der Nationen- und Themenpavillons nur eine eklektische Collage der zeitgenössischen Ausstellungsarchitektur.

Für die Nachnutzung des Weltausstellungsgeländes auf einer künstlich aufgeschütteten Insel in der Bucht von Osaka ist der Bau eines Vergnügungsviertels geplant: Ein Vorschlag der Baufirma Obayashi sieht eine Formel-1-Rennstrecke mit Arena, Einkaufszentrum und Freizeitpark vor. Das Sumitomo-Konglomerat will das 50 Hektar große Gelände hingegen zu einem Resort mit Luxushotels, Wasserpark und Theater machen. In jedem Fall wird also von der Expo 2025 einst ebenso wenig übrig bleiben wie von der Expo 1970 in Osaka.



Zum Thema:

Der Fotograf Piet Niemann besuchte das Expo-Gelände in Hannover 20 Jahre nach der dortigen Weltausstellung. Seine Fotos vom heutigen Zustand der damals propagierten „Stadt der Zukunft“ sind in unserer BauNetz WOCHE #586 zu sehen.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

Krysmopompas | 18.04.2025 18:08 Uhr

Wozu genau

Weltausstellungen sind ja letztlich nur Etikettenschwindel, denn ausgestellt wird nicht die Welt, sondern nur noch ein Potpourri nationalstaatlicher Chauvinismen.
Die Welt auszustellen, bedeutete alle durch Kriege, Klimakatastrophen und dergleichen zerstörte Orte dieser Welt ähnlich medienwirksam in den Fokus zu rücken.
Es wäre Zeit für die Kehrseite der Medaille.

6

Stefan F | 18.04.2025 18:06 Uhr

Reuse Rethink Refuse - Ressourcen und der Städtebau

Was haben wir gelernt? Was lernen wir aus den gegenwärtigen Krisen? Scheinbar nichts. Oder viel zu wenig.
Das letzte große Spektakel, das städtebaulich progressiv und auf sozial-verträgliche Nachnutzung bedacht konzipiert wurde, waren meines Wissens die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona. Die Stadt, die vorher dem Meer den Rücken zeigte, öffnete sich zu diesem. Die berüchtigte "Barceloneta" wurde belichtet, Zugangsachsen wurden durch das überhöhte Viertel geschlagen und die neue Promenade am neuen Stadtstrand schloss das olympische Dorf, soäter ein neues Stadtviertel zum Meer hin ab. Und öffnete es zu diesem.
Diese Expo hier verweigert sich einmal mehr allen Themen des 21. Jahrhunderts. Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, der so tut, als würden wir noch in den 1970ern leben mit dem Traum vom billigen, endlosen Öl. Ein Traum, der 1973 schon zuende war.
Ressourcen, Kriege, Geopolitik - vom Globalen zum Planetarischen und vor und zurück geht es in diesem Business as Usual nicht wirklich weiter.
Ich war nicht da. Mein hartes Urteil mag vorurtilsbehaftet sein. Aber ich frage mich, warum solche Spektakel heute noch so geregelt werden.

5

Lars K | 17.04.2025 08:39 Uhr

Wozu genau

Wozu genau gibt es eigentlich noch mal die Expo? Wer präsentiert da wem was genau?

Anders gefragt: Was genau verliert die Welt, wenn es diese antiquierte Wanderveranstaltung nie mehr geben würde?

4

auch ein | 17.04.2025 08:14 Uhr

architekt

die EXPO als ausstellungen des gängigen "Fortschritts", früher als "Leistungsschauen" wurde immer mehr zur Tourismusförderung mit lustigen Filmchen innne.
Nichts temporäres.
In Dubai wars der Gipfel: alle Gebäude mussten nach "richtigen" Bauvorschriften gebaut werden, Dämmung, Lüftung, Kühlung, Brandschutz etc....
der deutsche Pavillion (nur Gebäude) damals um die 30 Mio Euro. Um dann wieder abzureissen. EIn irrsinn und nicht zeitgemäss.
von der EXPO hannover hätte man lernen können...aber das internationale Expo-Geschäft, in dem viele ausgediente Staats-Mitarbeiter sitzen läuft weiter rund.
und die Ergebnisse sind nicht mal spannend.....

3

claus | 16.04.2025 18:29 Uhr

Laute Abwesenheit

sehe das wie Peter: laute Stille zum deutschen Pavillon.

Architektonisch zurecht gewonnen haben leider mit Usbekistan und Bahrein autoritäre Präsidialdemokratien und Öl-Monarchien. Tja....

@Baunetz: wie wäre es nach dem Best-of noch den worst-of

2

Baumeister | 16.04.2025 18:11 Uhr

Gegenwart

Die ganze Idee Expo wirkt veraltet ...

1

peter | 16.04.2025 17:32 Uhr

kein wort zum deutschen pavillon

ist auch eine aussage.

und irgendwie auch ein passendes statement zum stand der dinge in deutschland.

 
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Französischer Pavillon von Coldefy (Lille) und CRA - Carlo Ratti Associati (Turin)

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Usbekischer Pavillon von Atelier Brückner (Stuttgart)

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Bahrainischer Pavillon von Lina Ghotmeh — Architecture (Paris)

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