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30.06.2025

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Polemiker mit Stift

Zum Tod von Léon Krier


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Von Léa-Catherine Szacka

Der Architekt, Theoretiker und Stadtplaner Léon Krier, bekannt vor allem für seine provokanten Ideen und sein Eintreten für einen New Urbanism, ist am 17. Juni 2025 im Alter von 79 Jahren in Palma de Mallorca verstorben.

Pianist war der erste Berufswunsch des 1946 geborenen Kriers – ein Beruf, den schon seine Mutter ausgeübt hatte. Beeinflusst von seinem älteren Bruder Rob Krier (1938–2023) begann er jedoch, sich für Architektur zu interessieren. Nicht nur privat, auch beruflich standen die beiden Brüder lebenslang in einem engen Verhältnis zueinander. Léon Krier ging nach Stuttgart, um dort Architektur zu studieren. Nach nur einem Jahr brach er das Studium jedoch ab und zog nach London. Dort arbeitete er von 1968 bis 1974 im Büro von James Stirling, wo er unter anderem Details für das Florey Building – ein Studierendenwohnheim in Oxford – entwarf. Zwischendurch folgte eine Tätigkeit in Berlin im Büro von Josef Paul Kleihues. Anschließend übernahm er ebenfalls in London einen Lehrauftrag an der Architectural Association (AA).

Schon früh begann Krier, moderne Bautechniken zugunsten einer handwerklich geprägten Architektur abzulehnen. Nach einer anfänglichen Faszination für Le Corbusier kam er schnell zu dem Schluss, dass dessen stadtplanerische Ideen katastrophale Auswirkungen hätten. Viele europäische Städte würden sich unter diesem Einfluss in „Anti-Städte“ verwandeln, die nicht mehr in der Lage seien, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Krier wurde daraufhin zu einem vehementen Verteidiger einer vermeintlich klassischen Architektur und der Vorstellung einer traditionellen „europäischen Stadt“, die es wieder zu stärken gelte.

Es sind Ideen, die er auch mit dem belgischen Architekten, Stadtplaner und Herausgeber Maurice Culot teilte, der 1969 in Brüssel die Archives d’architecture moderne (AAM) mitgegründet hatte. Krier und Culot verband eine lange und anhaltende Freundschaft, die im Laufe der Jahre in gemeinsamen Projekten, Konferenzen und Büchern resultierte. So veröffentlichte das AAM 1980 Kriers „Charta für den Wiederaufbau der europäischen Stadt“ – ein zehnseitiges Dokument, in dem er sich für eine Rückkehr zu traditionellen, fußläufigen Stadtvierteln und eine kompakte, menschengerechte Bebauung aussprach.

In den 1970er und 1980er Jahren machte sich Krier – von dem der Ausspruch „Ich bin Architekt, darum baue ich nicht“ überliefert ist – vor allem durch Ausstellungsprojekte einen Namen. Im Jahr 1978 nahm er an der Gruppenausstellung Roma Interrotta teil, für die er eine Reihe monumentaler Plätzen entwarf. 1980 war er einer der jüngsten Teilnehmer*innen der ersten offiziellen Architekturbiennale in Venedig, die Paolo Portoghesi (1931–2023) unter dem Titel „Strada Novissima“ organisiert hatte. Fünf Jahre später teilte er sich in New York im MoMA die Bühne mit dem katalanischen Architekten Ricardo Bofill (1939–2022) – „Architecture, Urbanism, and History“ versprach ihre gemeinsame Ausstellung. Sie bildete den Auftakt einer Reihe, die „die aktuelle Entwicklung im Bereich der Architektur untersuchen“ sollte.

Als Urbanist ist Krier vor allem für seinen Masterplan für Poundbury bekannt, einer experimentellen Stadterweiterung am westlichen Stadtrand von Dorchester in England. Im Jahr 1988 wurde der Architekt vom Herzogtum Cornwall für dieses Projekt beauftragt. Gewünscht war eine gemischt genutzte Siedlung mit niedrigen Häusern. Unter der Schirmherrschaft des heutigen Königs von Großbritannien, King Charles III., sollte diese dem Vorbild eines englischen Dorfes aus dem 18. Jahrhundert folgen. Neben Poundbury war Krier auch an der Planung und Entwicklung von Seaside in Florida beteiligt. Als Architekt konnte er außerdem das kapellenartige Rathaus in Windsor (1990–99, ebenfalls Florida) und das Jorge M. Pérez Architecture Center in Miami (2000–05) errichten.

Kries große Karriere wurde jedoch vor allem durch seine schriftstellerische Arbeit und Tätigkeit als Lehrer geprägt. Neben der AA lehrte er an zahlreichen Schulen im Vereinigten Königreich und im Ausland, darunter das Royal College of Arts, die University of Virginia, die University of Notre Dame, die Cornell University sowie die Universitäten Princeton und Yale.

Bekannt als streitbare Persönlichkeit, veröffentlichte Krier 1985 eine Monografie über die Architektur von Albert Speer. Albert Speer: Architecture 1932–1942 entstand mit Unterstützung von Speer selbst und löste einen Skandal aus. Krier löste das Werk von Hitlers Lieblingsarchitekten aus seinem politischen Kontext und bezeichnete ihn als „großen Künstler“. Das Buch war auch der Auslöser für eine Auseinandersetzung mit seinem Freund und Kollegen Peter Eisenman (der vor drei Jahren seinen 90. Geburtstag feierte), die schließlich in einer Ausstellung an der Yale School of Architecture mündete. In der zugehörigen Veröffentlichung „Eisenman/Krier: Two Ideologies“ wurden die beiden polemischen Antagonisten als „Dekonstruktion und Rekonstruktion“ porträtiert.

Trotz seiner oft provokanten und polemischen Positionen wird Krier für seine scharfsinnigen Analysen und einflussreichen Arbeiten zum Städtebau der Nachkriegszeit in Erinnerung bleiben. Neben konkreten Projekten hinterlässt er eine große Anzahl einzigartiger diagrammatischer Zeichnungen, die seine Ideen über Architektur und Städtebau in nur wenigen Bildern pointiert auf den Punkt brachten.

Übersetzung aus dem Englischen durch die Redaktion.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

krysmopompas | 04.07.2025 08:06 Uhr

Poundbury ...

... ist doch auch nur ein Beispiel zur Unwirtlichkeit von Städten, die sich dem Paradigma der Autogerechtigkeit unterordnen.
Kriers sich mit sekundären Strukturmerkmalen begnügendes Werk ist genauso wenig Antwort auf städtebauliche Fragen, wie Wurzelholzeinlagen an Armaturenbretter motorisierten Individualverkehrs Antworten auf verkehrspolitische Fragen sind.

6

claus | 01.07.2025 22:15 Uhr

mehr als McDonalds

Ich persönlich glaube, dass ich Poundbury und analog dazu auch Seaside bei einem Besuch ebenfalls ziemlich schrecklich finden würde, eben desshalb steht es auf meiner Besuchsliste. Manchmal muss man sich gruseln :)

Ich denke die Existenz (und Beliebtheit) dieser Experimente ist vor allem ein Symptom des Versagens des "modernen" Städtebaus. Themen wie Platz, Fassade, Gasse, Schichtung und die richtige Platzierung der wichtigen Häuser in einer Straßenstruktur finden an vielen der Lehrstühle für Städtebau kaum noch Raum. Sicher haben sich die Anforderungen an Städte seit dem 19. Jhd. weiterentwickelt, aber die oben genannten Punkte spielen oft leider keine Rolle mehr - mit fatalen Ergebnissen. All die Europaviertel, die in den letzten 20 Jahren so in Deutschland gebaut wurden, haben mit Europa (und der vielfältigen europäischen Idee von Stadt) ungefähr so viel zu tun wie McDonalds...

Ich fände es nicht so schlecht, wenn wir als Architekt:innen den 6B mal wieder einstecken und unsere Abscheu dem mittelmäßigem Kleinbürger gegenüber etwas zurückfahren würden. Dann schaffen wir vielleicht auch wieder echte Räume für alle.

Ich hab ja auch viele Probleme mit der ins Historismus kippenden Formalpolemik der Krierbrüder, aber als etwas nervende Stadtraumverteidiger werden sie uns wirklich fehlen.

Hoffentlich wachsen da wieder ein paar mit Substanz nach.

5

Frauke | 01.07.2025 13:51 Uhr

Poundbury

Poundbury- die absolute Mittelmäßigkeit kleinbürgerlicher Vorstellungswelt als Ideal- eine gebaute Dystopie.

Immer unter der Annahme, dass mit allen denen es nicht gefällt etwas nicht stimmen kann....und dem Hinweis, dass alles andere unmenschlich ist.

4

DWS, Stuttgart | 30.06.2025 21:22 Uhr

Postmoderne Träume

Man erinnere sich an den klassizistisch rückwärtsgewandten Traum von "Atlantis", einem so bezeichneten "Zukunftsprojekt" des Stuttgarter Galeristen H.-J. Müller für Teneriffa von 1984. Der luxemburgische Theoretiker der Postmoderne zeichnete es 1985 unter Zuhilfenahme zahlreicher Tempelgiebel und Säulen und stellte es mit Bazon Brock im damaligen Hospitalhof in Stuttgart vor. 1991 veröffentlichte Müller seine Utopie in dem Buch "ATLANTIS - MARIPOSA, Geschenk 2000". Im Gegensatz zum damaligen Kulturpessimismus fand Frei Otto 1989 zum gleichen (allerdings viel kleineren) Projekt (jetzt "Mariposa", spanisch = Schmetterling) keine historistische Lösung, sondern nachhaltige Konstruktionen der kreativen Leichtbauweise. Es wurde 1990 in Santa Cruz auf Teneriffa vorgestellt.

3

Pekingmensch | 30.06.2025 19:23 Uhr

Building Places People Love

Ein ganz grosser Städtebauer und Polemiker ist von uns gegangen. Seine berühmten polemischen Skizzenreihen zu modernistischem und traditionellem Städtebau haben mich als Student damals inspiriert, die gängige Orthodoxie in Frage zu stellen. Seaside und Poundbury gelten heute - sehr zu Recht - als Meilensteine einer Rückkehr zu menschlichem Maßstab und fussgängerfreundlicher Planung. Leider hat Kriers Werk und der "New Urbanism" in Deutschland nie so recht den Makel des vermeintlichen "Disneylands" abwerfen können. Wer Gelegenheit hat, Poundbury oder Seaside zu besuchen, sollte das unbedingt tun. Allen anderen seien die Bücher und Schriften von Krier und seinen Mitstreitern ans Herz gelegt.

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2

Arcseyler | 30.06.2025 17:16 Uhr

.de

Das Ganze im einzelnen Motiv und addiert, statt der modernen offenen Ganzheit.

1

Was | 30.06.2025 16:59 Uhr

bleibt

ist der Städtebau.

Danke!

RIP

 
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Léon Krier (1946–2025) in Poundbury, 2016. Foto: Wikimedia / Rggv / CC BY-SA 4.0

Léon Krier (1946–2025) in Poundbury, 2016. Foto: Wikimedia / Rggv / CC BY-SA 4.0

Rathaus in Windsor (Florida) von 1990–99. Foto: Wikimedia / Ipps506 / CC BY-SA 3.0

Rathaus in Windsor (Florida) von 1990–99. Foto: Wikimedia / Ipps506 / CC BY-SA 3.0

Krier House in Seaside (Florida) von 1985–87. Foto: Wikimedia / Dr. Laurie & Joseph Braga / CC BY-SA 4.0

Krier House in Seaside (Florida) von 1985–87. Foto: Wikimedia / Dr. Laurie & Joseph Braga / CC BY-SA 4.0

Skulptur „Der Flösser“ in Pforzheim von Rob und Léon Krier, 1988–90. Foto: Wikimedia / Martin Hahn / CC0 1.0

Skulptur „Der Flösser“ in Pforzheim von Rob und Léon Krier, 1988–90. Foto: Wikimedia / Martin Hahn / CC0 1.0

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