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11.08.2025

Häuser für die, die darin wohnen

Zum Tod von Hinrich Baller


Wie am Wochenende bekannt wurde, ist der Berliner Architekt Hinrich Baller am 23. Juli 2025 im Alter von 89 Jahren verstorben. Zusammen mit seiner langjährigen Partnerin Inken Baller entwarf er insbesondere im West-Berlin der 1970er und 80er Jahre eigenwillige und nicht ganz unumstrittene Häuser, die im Stadtraum aus der Reihe tanzen.

Viele der Bauten entstanden im öffentlich geförderten Wohnungsbau, unter anderem im Rahmen der IBA 87. 2023 erhielten Inken und Hinrich Baller für ihr Werk den Großen BDA-Preis, der herausragende Leistungen in Architektur und Städtebau würdigt. Ihre Bauten seien „aufmüpfig, fröhlich, sozial und von eigenwilliger Schönheit“, lautete die Begründung der Jury.

Hinrich Baller wurde 1936 in der östlich von Stettin liegenden Stadt Stargard geboren. Dass er vor seiner Architekturausbildung an der TU Berlin zunächst einige Zeit Musik studierte, erscheint beim Blick auf seine Entwürfe fast schon logisch. Diese folgen einem beschwingten Rhythmus aus Erkern, Bögen und Kurven. Mit rechten Winkeln hingegen ging er sparsam um. Inspiration fand er unter anderem in der Architektur von Bruno Taut, Hans Scharoun und Bernhard Hermkes, der an der TU Berlin unterrichtete.

Für Hermkes war Hinrich Baller nach seinem 1964 erworbenen Studienabschluss auch eine Weile als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Während dieser Zeit lernte er seine erste Ehefrau Inken Baller kennen, die ebenfalls an der TU studierte. 1966/67 realisierten die beiden ihr erstes gemeinsames Projekt – ein Wohnhaus in Hinwil in der Schweiz. In der Folge gründeten sie ihr Büro und arbeiteten bis 1989 zusammen. Ab den 1990er Jahren, nach der Scheidung von Inken Baller, entwarf Hinrich Baller zahlreiche weitere Bauten mit seiner zweiten Ehefrau Doris Baller (ehemals Piroth). Von 1972 an war er bis zu seiner Emeritierung 2001 Professor für Architektur an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg.

Schon während seiner Zeit als Assistent an der TU stand Baller der gängigen städtebaulichen Praxis kritisch gegenüber, insbesondere was den Bereich Massenwohnungsbau betraf. Zusammen mit einer Gruppe junger Architekturschaffender, die unter dem Namen Aktion 507 agierte, organisierte er anlässlich der Berliner Bauwochen 1968 die Ausstellung „Diagnose zum Bauen in West-Berlin“. Diese Bestandsaufnahme, für die unter anderem Bewohner*innen des damals brandneuen Märkischen Viertels befragt worden waren, fiel bitter aus. Und sie war für Baller ein persönliches Schlüsselerlebnis: „Architektur ohne Betroffene geht nicht“, fasste er es in einem Interview mit BauNetz zusammen, das 2015 in der BauNetz WOCHE #408 erschien.

Seitdem trat Baller mit seiner filigranen, organisch wirkenden Architektur gegen die in seinen Worten „blöden Kisten“ an, die damals wie heute im Wohnungsbau immer wieder realisiert werden. Dabei hatte er stets die künftigen Nutzer*innen im Blick, wollte wissen, „wie sie leben wollen, nicht vorschreiben, wie sie leben sollen“. Flexibilität war ihm besonders wichtig – dass sich Menschen die Räume, in denen sie wohnen, auf unterschiedliche Weise aneignen können.

Auch wenn die von Baller geplanten Bauten in ihrer äußeren Erscheinung polarisieren und einige von ihnen zwischenzeitlich zu bautechnischen Sanierungsproblemfällen wurden – ihre innere Organisation überzeugt und steht beispielhaft dafür, was gutes Wohnen ausmacht. Das zeigte nicht zuletzt die Ausstellung „Visiting Inken Baller und Hinrich Baller“ im Deutschen Architektur Zentrum DAZ im Jahr 2022. Da konnte man beim Blick auf die an den Wänden und in der gleichnamigen Publikation präsentierten Fotografien schon mal neidisch werden. Zu sehen war das Innenleben einiger zwischen 1966 und 1989 realisierter Baller-Häuser: über mehrere Ebenen fließende Raumlandschaften mit riesigen Fenstern und dynamisch schwingenden Balkonen, verspielt, luftig und teils üppig begrünt – so wohnen, das wär’s!

Hinrich Baller hat seine unangepasste Architektur immer wieder gegen Widerstände durchgesetzt und gezeigt, dass selbst innerhalb der engen Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus Großzügigkeit und Fantasie möglich sind. Dass Funktionalität nicht bedeutet, alles standardmäßig vorzugeben, und räumliche Effizienz sich auch ohne Lineal realisieren lässt. Seinem Anspruch, Häuser zu planen, in denen Menschen gerne leben, ist er oftmals gerecht geworden: Wer einmal in eine Baller-Wohnung eingezogen ist, zieht nur selten freiwillig wieder aus. (da)


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Hinrich Baller 2015 im Gespräch mit BauNetz.

Hinrich Baller 2015 im Gespräch mit BauNetz.

Im Kontext der IBA 87 realisierte Wohnbebauung am Fraenkelufer Ecke Admiralstraße, 1982–1985, mit Inken Baller. Foto: Gunnar Klack, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Im Kontext der IBA 87 realisierte Wohnbebauung am Fraenkelufer Ecke Admiralstraße, 1982–1985, mit Inken Baller. Foto: Gunnar Klack, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Im Kontext der IBA 87 realisiertes Wohn- und Geschäftshaus Pohlstraße 63, 1982–1985, mit Inken Baller. Foto: Gunnar Klack, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Im Kontext der IBA 87 realisiertes Wohn- und Geschäftshaus Pohlstraße 63, 1982–1985, mit Inken Baller. Foto: Gunnar Klack, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Hinrich Baller mit dem Programm zum festlichen Auftakt der „Diagnose“-Ausstellung am 9. September 1968.

Hinrich Baller mit dem Programm zum festlichen Auftakt der „Diagnose“-Ausstellung am 9. September 1968.

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