Flexibel anpassbarer Wohnraum, der einer Vielfalt von Lebensweisen gerecht wird, anstatt starren, standardisierten Formaten zu folgen – mit diesem Anspruch entstand in Ivry-sur-Seine in der südlichen Pariser Banlieue das aus fünf Hochhäusern bestehende Wohnensemble START Ivry. Entworfen wurde der rund 22.860 Quadratmeter Nettofläche umfassende Komplex von einem Team aus Rotterdam: Die Architektur planten STAR strategies + architecture, die Freiraumgestaltung übernahmen BOARD (Bureau of Architecture, Research and Design). Beide Büros realisierten vor Kurzem in ihrer Heimatstadt ein nur sieben Quadratmeter großes Mikroapartment.
Bei START Ivry gestaltete sich bereits die Projektgenese als besonders, die Ähnlichkeiten mit einem Konzeptverfahren aufwies. Die Architekt*innen sprechen diesbezüglich von einer „inversen Methode“ und beschreiben diese wie folgt: Zuerst wählte die Gemeinde Ivry-sur-Seine, derzeit von der Kommunistischen Partei Frankreichs PCF regiert, das Architekturteam aus – dabei war das methodische Konzept und nicht fertige Visualisierungen ausschlaggebend. Anschließend lud sie mehrere Bauträger ein, auf Grundlage dieses Entwurfs Angebote abzugeben. Über acht Monate hinweg wurden in Workshops mit Beteiligung relevanter Akteure – darunter die Architekt*innen, die Kommune, mögliche Investoren und ihre Bauunternehmen – alle Aspekte des Projekts diskutiert. Ausgewählt wurde schließlich nicht das günstigste Angebot, sondern jenes, das am besten mit dem architektonischen Konzept harmonisierte.
Der Standort befindet sich in Uferlage am Zusammenfluss von Seine und Marne. Was Dimension und Anlage betrifft, ist der Komplex als kleine Stadt in der Stadt konzipiert: Fünf schlanke, unterschiedlich hohe Türme mit 13 bis 19 Geschossen – der höchste misst 56 Meter – bieten zusammengenommen rund 19.700 Quadratmeter Wohnraum in diversen Größen und für unterschiedliche Einkommensklassen, von der Sozial- bis zur Eigentumswohnung.
In den Sockelbauten stehen rund 3.160 Quadratmeter flexibel anpassbare Geschäftsflächen für Einzelhandel und Gastronomie zur Verfügung. Hinzu kommen 2.600 Quadratmeter öffentlicher Raum auf Straßenniveau sowie 2.000 Quadratmeter von der Hausgemeinschaft genutzte Außenflächen auf diversen Obergeschossen.
Insgesamt gibt es 288 Wohnungen, aus denen im Falle künftiger Anpassungen – beispielsweise sind große Einheiten unterteilbar, kleine mit „Plus-Alkovenzimmern“ erweiterbar – bis zu 350 werden können. Die Hälfte ist als Wohneigentum vorgesehen, 34 Prozent sind sozialer Wohnungsbau, der Rest bewegt sich im durchschnittlichen Mietniveau. Zwei der fünf Türme sind gemischt und kombinieren verschiedene Wohnformen auf demselben Flur. Zudem gibt es im siebten Geschoss jedes Turms Gemeinschaftsräume, darunter Mehrzweckräume und Gästezimmer.
Hauptkonstruktionsmaterial war Beton, 20 Prozent davon laut Angaben CO₂-reduziert. Die Fassaden folgen keinem starren Raster, sondern sind so abwechslungsreich wie der Wohnungsmix. Verschiedene Fensterformate, würfelförmig auskragende Balkone, tiefe Loggien und das Spiel mit unterschiedlichen Höhen lassen den Komplex von jeder Seite anders aussehen. Hinzu kommen diverse Farben: zum Beispiel erdiges Rot an den Hauptfassaden als Anspielung auf Ivrys Industriegeschichte mit viel Backstein sowie Türkis an den Gemeinschaftsloggien und -terrassen.
Der Projektname START soll all das zusammenfassen und steht für „Social, Transformable, Affordable, Resilient“. Die Nettokosten geben die Architekt*innen mit knapp 43,4 Millionen Euro an. (da)
Fotos: Nicolas Grosmond, Nicolas Trouillard, Vladimir Partalo, Kamel Khalfi
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