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20.02.2017

Zwischen Tatami und Ikea

Wohnhaus in Japan von Movedesign


Wer an japanische Einfamilienhäuser denkt, hat spektakuläre Raumwunder und ästhetische Radikalität vor Augen. Seit Jahren entwerfen die Kollegen im Fernen Osten immer wieder geradezu geniale kleine Kisten, die sie in das chaotische Gefüge der japanischen Großstädte einfügen. In der Masse stellt sich der japanische Hausbau natürlich – wie überall auf der Welt – weitaus prosaischer dar. Haus N in Kamakura ist vor dem Hintergrund dieser alltäglichen Haus-Produktion zu sehen.

Der Entwurf stammt vom Büro Movedesign aus Fukuoka. Das zweigeschossige Haus mit insgesamt nur 116 Quadratmetern Wohnfläche fällt von außen nicht unbedingt sofort auf. Kubatur und Dach entsprechen den landestypischen Vorstellungen von einem durchschnittlichen Einfamilienhaus. Die raumhohen Milchglasscheiben im Erdgeschoss und die großen, verschiebbaren Paneele an der Terrasse im Obergeschoss deuten jedoch bereits an, dass man es nicht mit einem ganz alltäglichen Haus zu tun hat. Hinter beiden Elementen verbergen sich semi-private Raumzonen, die im traditionellen japanischen Haus eine wichtige Rolle spielen. In diesem Sinne zeigt Haus N beispielhaft, wie in Japan auf beengtem Raum Wohnen organisiert wird und welche Rolle die Abstufung vom öffentlichen zum privaten Raum spielt.

Die beiden Geschosse des Hauses sind funktional klar differenziert. Im Obergeschoss liegen der offene Wohnbereich mit Esstisch und Küche sowie ein Gästezimmer, im Erdgeschoss die kleinen Schlafzimmer für die Eltern und zwei Kinder sowie das Bad. Auffällig für den europäischen Blick sind nicht zuletzt die Größenverhältnisse von Schlafzimmern, Bad und Zirkulationsräumen im Erdgeschoss, denn knapp ein Drittel der Fläche dient der Organisation des Zugangs. Hinter dem Milchglas liegt eine inner terrace, von der aus man den entrance betritt, von dem aus wiederum ein Schuhraum und die um zwei Stufen erhöhte Diele mit Treppe in das Obergeschoss erreicht werden. Bekanntermaßen betritt man japanische Häuser nicht mit Straßenschuhen, was sich in dieser komplex gestuften Zugangssituation deutlich niederschlägt. Vergleichsweise groß fällt auch das Bad aus, vor allem wenn man es mit den geradezu winzigen Kinderzimmern in Bezug setzt.

Eine Mischung einheimischer und westlicher Architekturelemente findet sich auch im Obergeschoss wieder. Denn in den offenen Wohnbereich fügten die Architekten ein traditionell japanisch gestaltetes Gästezimmer mit entsprechenden Fenstern, Tatami-Matten und einem Wandschrank ein. Die Privatheit auf der großen Terrasse kann mit den erwähnten Paneelen gesteuert werden, Sonnensegel schützen vor der mitunter drückenden Hitze. Interessant ist auch der Boden. Einfache, schmale Balken schaffen hier nämlich eine direkte räumliche Verbindung zum Zugangsbereich im Erdgeschoss. Weniger überzeugend als die räumliche Konfiguration scheint für das westliche Auge die Detaillierung: klassische Zierleisten, Halogenspots und Einbauschränke à la Ikea. Aber das ist wohl letztlich eine Frage der Perspektive. (gh)

Fotos: Kojima Junji


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