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13.12.2017

Buchtipp: Ursprungsforschung

When Is the Digital in Architecture?


Der Moment, in dem man wirklich begreift, worum es in dem voluminösen Essayband geht, entsteht auf Seite 180. Dort nämlich macht der Architekt, Autor und Dekan der Architekturfakultät an der New Yorker Columbia University Mark Wigley einen ästhetischen Wendepunkt aus: Plötzlich wurde Architektur nicht mehr mit dunklen Linien auf einem weißen Blatt Papier entworfen, sondern mit hellen Linien auf einem schwarzen Bildschirm. Schwarz ist die Standardeinstellung der Software, mit Schwarz als Grundton des digitalen Zeichenblatts startete 1963 das erste kommerzielle Entwurfsprogramm DAC (Design Aided by Computer) von 1963 und auch kurz darauf der bekannte Rivale CAD (Computer Aided Design).

In seinem Beitrag für den Band „When Is the Digital in Architecture” sieht Wigley eine Analogie zwischen der digitalen Zeichnung und den schon älteren Blueprints, reproduzierte technische Zeichnungen auf blauem Grund, und hebt schließlich hervor: „Das Blueprint ist die Antithese zur klassischen Skizze (…). Es dient der technischen Produktion, nicht dem Denken und Reflektieren“. Im Jahr 1963 also findet aufgrund des ersten rechnerunterstützten Konstruierens ein ästhetisch-sinnlicher Wandel an den Mitteln des Architekturentwurfs statt, und dieser kann sich schließlich auf die Architektur selbst auswirken. Nicht zufällig, könnte man vermuten, rückt der zeitgleiche Stil des Rationalismus das Ökonomische und Effiziente seiner Bauten hervor.

Mark Wigley ist einer von vierzehn Autorinnen und Autoren, deren Texte das Canadian Center for Architecture für den Band „When Is the Digital in Architecture?“ zusammengetragen hat. Er gibt eine von vierzehn Antworten auf die Frage, wo das Digitale in der Architektur ansetzen könnte. Dabei weist der Direktor des CCA Mirko Zardini schon in der Einleitung des 464 Seiten schweren Bandes darauf hin, dass die vierzehn Verfasser nur punktuelle Erklärungsansätze bieten. Es könne schließlich auch „acht Millionen Geschichten” um diesen diffusen historischen Moment geben, an dem die digitale Technik ästhetisch auf die Architektur zugegriffen hat. Mehrere Symposien fanden in den letzten zehn Jahren am CCA zu dieser Fragestellung statt, von denen ausgewählte Beiträge wie ein Vortrag Bernard Tschumis von 2013 über das Paperless Studio an der Columbia University nun in diesem Band veröffentlicht werden.

Der Herausgeber Andrew Goodhouse legt die Texte nach einer inhaltlichen Chronologie an und beginnt überraschenderweise mit dem recht undigitalen Zeitalter der Renaissance. Schon 1570, so weiß es Mario Carpo im zweiten Essay, löst eine zahlenbasierte Mathematik die auf der Zeichnung gründenden Geometrie ab. Erste Algorithmen finden Eingang in den Entwurfsprozess. Ein paar historische Sprünge später erkennt die Designsoziologin Orit Halpern, wie Algorithmen und Zahlen zu ersten datenbasierten Stadtmodellen führten: In den Siebzigerjahren entwickelte die Architecture Machine Group anhand algorithmisierbarer Kommunikationstheorien am Massachusetts Institute of Technology eine Software, die das soziale Gefüge in amerikanischen Städten simulieren sollte. Die Forschungen der AMG zielten darauf ab, für die Stadtplanung Zukunftsszenarien zu entwickeln, ebneten aber auch den Weg für die heutige datenbasierte Überwachung im öffentlichen Raum.

Die genannten Beiträge zeigen es bereits: Der Essayband „When Is the Digital in Architecture?” gleitet freimütig über die letzten fünfhundert Jahre hinweg. Auf ihrer Suche nach dem historischen Moment, an dem das Digitale auf die Architektur Einfluss nahm, holen der Herausgeber und seine Autoren vergessene und unbekannte Aspekte der Technikgeschichte hervor, verknüpfen sie mit reichen Archivabbildungen und schaffen schließlich etwas Ungewöhnliches: ein verständliches Bild von einer schier undurchdringlichen Thematik.

Text: Sophie Jung

When Is the Digital in Architecture
?
Andrew Goodhouse (Hg.)

Sternberg Press/Canadian Centre for Architecture (CCA), 2017
464 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Softcover
in englischer Sprache
ISBN: 978-1-927071-46-5
29 Euro


Zum Thema:

Eine französische Version ist ebenfalls bei Sternberg Press unter dem Titel
„Quand le numérique marque-t-il l'architecture?”, ISBN 978-1-927071-47-2, erschiene
n


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