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14.11.2022

Zirkus mit Autorampen

Umbau und Sanierung in Gent von Atelier Kempe Thill und aNNo architects


Von der Baumwollproduktion über Seiltanz bis hin zum Autoverkauf – das Areal an der Lammerstraat im Herzen von Gent besitzt eine bunte Vergangenheit: Im Jahre 1885 wurde hier anstelle der einstigen, zwischenzeitlich abgebrannten Baumwollfabrik zunächst ein Zirkusbau errichtet. Nachdem dieser ebenfalls einem Brand zum Opfer fiel, folgte 1923 ein Neubau, der neben Zirkusvorstellungen auch Raum für Konzerte und Filmvorführungen bot. Dass sich das versteckt gelegene Gebäude schließlich zu einer Art collagenhaftem Kunstwerk mit modernen Elementen weiterentwickelte, ist dem rigorosen Umbau des Fahrzeughändlers Ghislain Mahy zu verdanken.

Mahy erwarb das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg und baute es zu einem Autohaus um. In Eigenregie ließ er Elemente hinzufügen oder entfernen sowie Rampen bauen, um das Gebäude befahrbar zu machen. Unter anderem schuf er das riesige Atrium im Zentrum des Baus sowie einen Showroom an der Lammerstraat, der die gestalterischen Züge der Nachkriegsmoderne aufweist. Im Laufe der Jahre entstand so ein außergewöhnliches, teilweise seltsam eklektisch anmutendes Raumgefüge, dessen Erscheinung dem Gebäude auch heute seinen besonderen Charakter verleiht.

Das Autohaus wurde 1978 geschlossen, doch die Oldtimersammlung mit 950 Fahrzeugen verblieb noch bis 2000 im Wintercircus. Danach stand das Gebäude allerdings leer und verkam zusehends. Mit dem Ziel einer Rehabilitierung wurde das Haus schließlich im Auftrag der Stadt Gent von der Stadtentwicklungsgesellschaft Sogent aufgekauft und ein Wettbewerb ausgeschrieben. Den konnten bereits 2012 Atelier Kempe Thill (Rotterdam) zusammen mit aNNo architects (Gent) für sich entscheiden.

Um den außergewöhnlichen Bestand möglichst wenig zu verändern, reduzierten die Architekt*innen die baulichen Eingriffe auf ein Minimum. Der mit einer zylinderförmigen Kuppel überdachte, 1.200 Quadratmeter große Zirkusraum blieb beispielsweise vollständig leer. Dieser kann nun als flexibler öffentlicher Raum genutzt werden. Angrenzend daran befinden sich neue Räume für ein Café, eine Bar und einen Laden. Die Zirkusbühne im ersten Obergeschoss wurde hingegen zu einem Auditorium umgebaut. Weiterhin gibt es hier Büroräume. Die größte Veränderung allerdings ist nicht sichtbar: Unter dem großen Zirkusraum entstand in einer Haus-in-Haus-Konstruktion aus Stahlbeton ein Konzertsaal. Die früheren Pferdeställe, die sich ebenfalls im Untergeschoss befinden, wurden zu Konferenzräumen umfunktioniert.

Das Team um Atelier Kempe Thill und aNNo sieht den Wintercircus nicht so sehr als perfektes, bis ins letzte Detail ausgefeiltes Projekt. Vielmehr ging es den Verantwortlichen um eine „Methode der Erhaltung“, bei der auch Faktoren wie Zeit und Verfall Teil einer „romantischen Lesart“ sind, die dem komplizierten historischen Entstehungsprozess des Gebäudes besser gerecht wird. (dsm)

Fotos: Ulrich Schwarz, Berlin


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