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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Spielstaette_in_Mulegns_von_der_Stiftung_Origen_und_der_ETH_Zuerich_9970622.html

04.07.2025

3D-gedruckter Zuckerguss

Spielstätte in Mulegns von der Stiftung Origen und der ETH Zürich


Waren hier Zuckerbäcker*innen aus Graubünden am Werk? Zumindest scheint es so, als hätte man den expressiven Turm mit Freiluftbühne in der Ortschaft Mulegns im Schweizerischen Surses komplett aus Zucker gegossen. In Wirklichkeit goss oder besser gesagt, druckte man Beton. Die Kulturstiftung Nova Fundazien Origen entwickelte hier gemeinsam mit der ETH Zürich die bis dato weltweit höchste 3D-gedruckte Baustruktur.

Genauer gesagt handelt es sich beim Weissen Turm von Mulegns um das „weltweit erste mehrgeschossige Bauwerk, das vollständig tragende 3D-gedruckte Säulen verwendet, bei denen die Bewehrung bereits während des Druckvorgangs integriert wird.“ So ambitioniert wie dieser Superlativ klingt, gestaltete sich auch die vorhergehende Planung des Turms, die federführend von Benjamin Dillenburger und Michael Hansmeyer vom ETH-Lehrstuhl Digital Building Technologies (DBT) betreut wurde.

Der Turmbau ist ein Forschungsprojekt der Hochschule. Mit dem sogenannten Weissen Turm (rätoromanisch: Tor Alva) wollte sie „zukunftsweisende Entwicklungen im Bereich des computergestützten Designs und der digitalen Fertigung“ erzielen. Die vier Geschosse bestehen aus 124 vorgedruckten Elementen. 30 Meter Höhe erreicht der Bau samt Sockel – einer alten Kutschenremise, die künftig Räume des Zentrums für digitale Bautechnologien aufnimmt.

Der Fertigungsprozess der Struktur sei einzigartig, so die Stiftung. Statt mit nur einem, habe man mit zwei Robotern gearbeitet – einer goss die Betonschichten, während der andere die Bewehrungsstäbe einwob. Insgesamt liefen die Drucker über 900 Stunden, dafür konnte komplett auf Schalungen verzichtet werden. Dem Beton wurde ein Mittel beigemischt, das die insgesamt 2.500 Schichten schneller aushärten ließ. Wie für 3D-Drucke üblich, lässt sich jede einzelne dieser Schichten im fertigen Zustand nachvollziehen.

Ganz oben findet sich der sogenannte Kuppelsaal mit Bühne und Platz für 32 Personen, der als Theater von der Kulturstiftung Origen betrieben wird. Diese gründete sich 2005 mit dem Ziel, Kultur- und Theaterräume im Kanton Graubünden zu entwickeln. Seither realisierte sie unter anderem den roten Theaterturm und das Wintertheater in Riom. Erstmals arbeitete sie mit der ETH Zürich 2019 an 3D-gedruckten Elementen – bei der Gestaltung eines Bühnenbilds in den Gärten der Villa Carisch in Rom. Die frei angeordneten „Säulen“ sollen laut Stiftung erste Erkenntnisse für den Bau des Weissen Turms geliefert haben.

Seit 2018 macht sich die Stiftung auch für den Erhalt der Graubündner Ortschaft Mulegns stark. Das ehemals eigenständige Dorf war Anfang des 20. Jahrhundert unter anderem durch seinen Post- und Hotelbetrieb ein belebter Ort und dank seiner Lage am Julierpass ein Pflichthalt für Durchreisende. Seit die Rhätische Bahn das Gebirge überwindet, sank die Zahl von Mulegns Einwohner*innen drastisch. Waren es 1900 noch 150, sind es mittlerweile nur noch rund ein Dutzend Menschen.

Mulegns bot sich also geradezu an, dem ambitionierten Forschungsprojekt eine Heimat zu bieten: Die Gemeinde könnte von steigenden Besuchszahlen profitieren, die Stiftung erhielt einen neuen Kulturort und die ETH Zürich kann neue Formen des Bauens erproben. Neben Origens und der ETH beteiligten sich rund 20 weitere hochspezialisierte Firmen an dem Projekt, unter anderem aus den Gebieten Bauchemik, Industrierobotik und Betonkosmetik.

Ebenso breit gestreut wie die Beteiligung ist auch die Finanzierung. Sie besteht aus einem Mix öffentlicher Gelder von Bund, Kanton und Gemeinde, Spenden von Privatleuten und Stiftungen sowie Unternehmenssponsoring. Beispielsweise konnten im Vorfeld einzelne „Säulen“ gestiftet werden – die kleinsten für 18.000 und die größten für knapp 30.000 Euro. Insgesamt wurden Kosten in Höhe von umgerechnet etwa 4,7 Millionen Euro aufgewendet.

Fünf Jahre soll der Turm stehen bleiben, danach abgebaut und dank seiner modularen Bauweise in veränderter Form weiterexistieren. Bis dahin soll ein Turm-Ticket für knapp 100 Euro Geld in die Gemeindekasse spülen. Der Medienrummel läuft schon länger: Pressemitteilungen haben Planung, Bau und Fertigstellung beinahe im Wochenrhythmus kommuniziert. Und nebenan lockt seit Kurzem eine Eisdiele: bunt und verspielt, mit einem 3D-gedruckten Deckenspiegel wie aus dem Zuckerbäckerhimmel. (tg)

Fotos: Benjamin Hofer


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Mehr Hintergründe zur Fertigungstechnik gibt es bei BauNetz Wissen .


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