Peter Thomann lebt den Kindertraum von Architekt*innen. Er zeichnet und entscheidet selbst, was gebaut wird. Denn bei fast allen seiner Entwürfe war er auch Bauherr. Dabei erinnern die Häuser tatsächlich an Kinderzeichnungen: verspielt, überbordend proportioniert, dennoch überraschend stimmig. Lange übersehen, präsentieren die Herausgeber*innen Alexandre Thériot, Stéphanie Bru und Blanka Major von der ETH Zürich das Werk des Schweizer Architekten nun als Monografie Peter Thomann. Hors piste. Vier Gespräche und zahlreiche Arbeitsproben geben Einsicht in sein abseitig-ikonisches Werk. Man bekommt durchaus das Gefühl, dass der 1935 geborene Architekt seiner Zeit ein Stückchen voraus war.
Thomann studierte Architektur an der ETH Zürich. Gemeinsam mit Max Kasper und Hans Bosshard gründete er 1961 das Büro KTB, das etwa ein Wohnhaus an der Rütiwiese in Adliswil, südlich von Zürich plante. Der Bürobund löste sich allerdings rasch. Thomann verfolgte daraufhin eigene Projekte – und finanzierte sie aus dem privaten Geldbeutel. Nach dem erfolgreichen Auftakt an der Rütiwiese erwarb er in den späten 1970er Jahren ein angrenzendes Grundstück, das ihm fortan als Testfeld zur Verfügung stehen sollte.
Abseits vom Druck etwaiger Auftragsgeberschaften hatte er sich hier eine Möglichkeit zum selbstbestimmten Experimentieren geschaffen. Thomanns Bautätigkeit in Adliswil reicht bis ins Jahr 2024. In dieser Zeit entstand eine bemerkenswert vielfältige Siedlung: Reihen und Zeilen, Terrassenhäuser und Stelzenbauten als dichte städtische Struktur. Getragen von der Suche nach einer „technischen Lösung, die keine technische ist“ finden sich oft zweckentfremdete und doch funktionale Auswüchse an seinen Bauten. Gastanks dienen als Badkern, PVC-Folien bilden einen Wintergarten. Die prägnante Ausformulierung der Elemente erinnert dabei an die körperhaften Strukturen, die Peter Cook für sein Kollektiv Archigram in den 1960er- und 70er Jahren zeichnete.
Oft gehe es in der Architektur um „ganz simple Probleme“, so Thomann im Gespräch mit Blanka Major. Darauf finde er zuweilen auch simple Lösungen: „In der Rütiwiese konnte ich aus technischen Gründen die Fensterrahmen nicht dünner machen. Also hab’ ich die gewünschte optische Wirkung durch Farbe erreicht. Das Standardprodukt wird durch die Farbe in seiner formalen Erscheinung aufgelöst.“
Die Monografie macht diese architektonischen Lösungen anschaulich – mit technischen Zeichnungen, Farbskizzen oder durch die Konfrontation des Geplanten mit dem fotografierten Werk. Dabei nimmt sie über 50 Jahre Schaffenszeit in den Blick. Fast 400 Bilder hat man aus Archiven und der Privatsammlung Thomanns zusammengetragen.
„Ich orientiere mich schon auch an Standarddetails“, wird Thomann im Buch zitiert, „wenn mir aber die Standardlösung nicht gefällt, überlege ich lieber, wie ich es denn selbst machen würde.“ Diese verspielten Details sind allerdings nicht nur gestalterische Finessen. Vielmehr drücken sie den Experimentierwillen des Architekten aus und stellen etablierte Bauweisen infrage. In diesem Sinne liefern sie auch radikale Antworten auf aktuelle Planungsaufgaben: Peter Thomann hat sich schon mit Re-Use und alternativen Bautechniken auseinandergesetzt, bevor es zum Mainstream wurde. Ähnlich wie auch Marcel Raymaekers, dessen exzentrischen Second-Hand-Architekturen das Kollektiv Rotor eine Publikation widmete.
Text: Tim Gebhardt
Peter Thomann. Hors piste
Alexandre Thériot, Stéphanie Bru und Blanka Major (Hg.)
Texte in Deutsch und Englisch
424 Seiten
gta Verlag, Zürich 2025
ISBN 978-3-85676-480-7
49 Euro
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