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03.06.2025

Drehmoment in der Schlafstadt

Museum in Seoul von Jadric Architektur und 1990uao


Letzte Woche wurde das Photography Seoul Museum of Modern Art eröffnet. Gebaut haben es Jadric Architektur aus Wien gemeinsam mit dem Partnerbüro 1990uao aus Seoul. Sie stellten eine Camera obscura mit UHPC-Lamellenfassade in die Stadt hinein, die geheimnisvoll auf das Innere neugierig macht.

Von Wojciech Czaja

Unweigerlich muss man an einen Stapel von Diapositiven denken, eingeklemmt in dunkelgraue, fast schwarze Plastikrahmen, so wie damals, als wir noch zu Diavorträgen eingeladen wurden. An der Basis, inmitten des städtischen Treibens Seouls, regiert ein dynamischer Schwung, als wäre man beim Versuch, das Paket hoch und in den Diaschlitten zu hieven, mit Daumen und Zeigefinger noch etwas tollpatschig am Werk gewesen. Doch schon bald, nach ein paar Höhenmetern nur, findet die Großform zu einer architektonischen Ordnung. Links oben, in dezenten weißen Lettern liest man schließlich, dass hier das Photography Seoul Museum of Art Photo untergebracht ist.
 
„Fotos, Prints, Polaroids, Positive oder auch Negative sind etwas Flaches, Flächiges, Zweidimensionales“, sagt Mladen Jadrić - und ergänzt: „Sammeln und Archivieren ist immer auch mit einer höhenmäßigen Addition, mit Schichten und Stapeln verbunden.“ 2017 hat Jadrić mit seinem Team am internationalen Wettbewerb für ein neues städtisches Fotomuseum unter der Dachmarke des Seoul Museum of Art (SeMA) teilgenommen. Zusammen mit dem koreanischen Partnerbüro 1990uao konnte er sich gegen 72 Mitbewerber*innen aus aller Welt durchsetzen. Am 29. Mai 2025, nur wenige Tage vor den südkoreanischen Präsidentschaftswahlen, wurde das Photo SeMA nach vierjähriger Bauzeit eröffnet. 

XXL-Bauoffensive in Dobong-gu

Das Museum steht nicht allein da, sondern bildet Teil einer XXL-Bauoffensive, die den Bezirk Dobong-gu im Nordosten Seouls, der bislang eine Schlafstadt und Kulturwüste ist, soziokulturell und wirtschaftlich aufwerten soll. Dazu zählen in unmittelbarer Nachbarschaft auch ein Technologie-Start-up-Hub, das Robot & AI Museum nach Plänen der türkischen Architektin Melike Altınışık sowie eine gigantische K-Pop-Arena, die sich derzeit in Bau befindet. Die neuen öffentlichen Bauten sollen als Publikumsmagnete und lokale Identitätsstifter fungieren. 

Vor diesem Hintergrund versteht man auch die zunächst formal erscheinende, parametrisch entwickelte Stapelmetapher des Gebäudes. „Mit der Schichtung und sukzessiven Verdrehung im Sockelbereich“, erklärt Jadrić, „wollte ich trotz der hohen Grundstücksausnutzung eine Tribüne mit teils sonnigen, teils verschatteten Sitzstufen schaffen und den geringen öffentlichen Raum auf diese Weise maximieren.“ Obwohl die geplante Platzerweiterung ein ausschlaggebender Faktor für den Wettbewerbssieg war, musste aus Haftungsgründen am Ende eine Absperrung vorgesehen werden. Die bürokratische Barriere ist mehr als bedauerlich, weil sie das soziale, stadträumliche Konzept de facto aushebelt.

Camera obscura aus Ultra High Performance Concrete

Außen ist der 36 mal 36 Meter große Bau – bei dem ausgerechnet im prominenten Eingangsbereich das Architekturskalpell etwas entglitten ist, mit leider nicht immer sauber ausgeführten Kanten und Zäsuren – in eine Lamellenstruktur aus Ultra High Performance Concrete (UHPC) gehüllt. Die 60 Millimeter starken Hohlkammerprofile, 6.500 Stück in Summe, sorgen für Verschattung und Hinterlüftung der Fassade. Dank minimalem solaren Eintrag, 40 geothermischen Tiefenbohrungen und der auf dem Dach installierten PV-Anlage kann das Photo SeMA bis zu 85 Prozent seines Gesamtenergiebedarfs abdecken. Das ist in einem Land, in dem die Energiedebatte noch in den Kinderschuhen steckt, eine beachtliche Geste.

Innen erscheint der Bau als dunkelgrau gestrichene Camera obscura mit offen geführten, schwarz lackierten Installationen an der Decke. Ein einziger Lichtstrahl nur gelangt durch den Eingang ins Innere. Vor dem dunklen Hintergrund bekommen die ausgestellten Fotos eine fast erleuchtete Erhabenheit. Der Architekt wollte den Raum, wie er selbst meint, entmaterialisieren: „Alles, bloß nicht noch eine White Box!“ Die Wegeführung ist logisch, die beiden Ausstellungsebenen sind je nach Szenografie im Kreis begehbar. Büros, Workshop-Räume und eine kleine Bibliothek samt eingeschnittenem Atrium sind im dritten Obergeschoss angesiedelt. 

Fotofestival und Quartiersentwicklung



„Fotografie spielt in Südkorea eine wichtige Rolle“, sagt Jung Hee Han, Direktorin des Photo SeMA, „sowohl im persönlichen, künstlerischen Ausdruck als auch in der Dokumentation des Alltags. Zudem ist es eines der demokratischsten Medien, das jedem die Teilnahme ermöglicht. In den Stammhäusern des SeMA gab es bislang nur wenig Platz dafür. Nun haben wir die Möglichkeit und die räumlichen Gegebenheiten, eine fundierte fotografische Sammlung aufzubauen – von der Geschichte bis zur Gegenwart.“

Geplant ist außerdem ein biennal stattfindendes Foto-Festival. Die Baukosten des Photo SeMA belaufen sich auf 30,8 Milliarden Won, rund 21,2 Millionen Euro – und sind damit auch eine Investition in die künftige Quartiersentwicklung von Dubong-gu. 

Fotos: Namgoon Sun, Wojciech Czaja, Imaga Joom, Jihyun Jung




Anmerkung der Redaktion: Anpassungen des Zitats in Rücksprache mit Jung Hee Han am 6. Juni 2025.


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