RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Lopes_Brenna_im_Tessin_10043614.html

18.09.2025

Zurück zur Meldung

Bundesasylzentrum in der Wendeschleife

Lopes Brenna im Tessin


Meldung einblenden

Auf einer nationalen „Asylkonferenz“ hatte die Schweiz 2014 beschlossen, in jeder ihrer sieben Großregionen eigene „Bundesasylzentren“ einzurichten. Seit vergangenem Jahr verfügt auch das Tessin über eine solche Einrichtung. Um den Standort wurde heftig gerungen, bis ein Bahngelände in einem Gewerbegebiet zwischen Balerna und Novazzano gefunden war, unmittelbar an der Grenze zu Italien. Der Neubau steht nun auf einer vormaligen Restfläche innerhalb einer weiten Wendeschleife für den Zugverkehr. Den Ende 2018 vom Bundesamt für Bauten und Logistik durchgeführten Wettbewerb konnte das junge Büro Lopes Brenna Architetti (Chiasso) mit Filippo Bolognese (Como) gewinnen.

Die Bundesasylzentren haben die Aufgabe, Asylsuchende von der Einreise bis zur Entscheidung über ihren Antrag zu beherbergen und zu versorgen. Im Regelfall soll der Aufenthalt maximal 140 Tage andauern. In dieser Zeit dürfen die Menschen das Zentrum nur zeitlich begrenzt verlassen. Für die Anlagen bedeutet dies, dass sie eine Vielzahl räumlicher Angebote schaffen müssen, fast wie eine kleine Stadt. Etwa 350 Asylsuchende sollen pro Zentrum untergebracht werden können. 

Eine delikate Bauaufgabe also. Es galt, alle notwendigen Untersuchungs- und Beratungsräume unterzubringen, dazu Gemeinschafts- und Schulungsräume, einen Speisesaal und getrennte Schlafräume für Männer, Frauen, Familien und unbegleitete Minderjährige. Bis zu zehn Bewohner*innen teilen sich einen Schlafsaal von 45 Quadratmetern. 

Der Entwurf ist ein langes, schmales Gebäude, das sich neben einen bestehenden Altbau schiebt. Dieser nimmt die Büroräume des Asylzentrums auf. Zwischen den beiden Gebäuden liegt nun ein annähernd dreieckiger Platz, von dem alle Zugänge erreichbar sind. Ebenerdig befinden sich die Ankunfts- und Untersuchungsräume. Im zweiten und dritten Obergeschoss liegen jeweils mittig die Räume für Familien, zu den Stirnseiten die Schlafsäle für Männer oder Frauen. Aus Sicherheitsgründen können die Gruppen bei Bedarf durch abschließbare Tore an den Treppenhäusern voneinander getrennt werden.  

Das erste Obergeschoss dient der Beschäftigung. Hier sind Werkstatt, Schulungsräume und Speisesaal samt Küche sowie weitere multifunktionale Zimmer angeordnet. Viele Bereiche sind auf räumliche Flexibilität ausgelegt. Dies gilt auch für die umzäunten Freiräume auf der Nordseite des Neubaus, zwischen Straße und Schienen.

Die Landschaftsgestaltung übernahm Giorgio Aeberli (Gordola). An der Westseite, wo der Gebäuderiegel an die Bahnlinie stößt, sind die spitz zulaufenden Etagen als große, gemeinschaftlich nutzbare Terrassen ausgebildet, die ebenfalls aus Sicherheitsgründen vollständig von Metallnetzen umschlossen sind. Insgesamt bietet der Neubau 7.390 Quadratmeter Bruttogrundfläche. (fh)

Fotos: Marco Cappelletti, Maurizio Fraquelli, Walter Mair 


Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
BauNetz-Maps


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

MENSCH ARCHITEKT | 22.10.2025 12:31 Uhr

Asylzentrum als Mahnmal einer kalten Haltung

Das Bundesasylzentrum in der Wendeschleife Lopes Brenna im Tessin offenbart auf bedrückende Weise, wie sehr Architektur Ausdruck einer Haltung sein kann. Wer die Anlage sieht, könnte sie leicht mit einem funktionalen Verwaltungsbau oder gar mit einer Einrichtung zur Tierhaltung verwechseln. Karg, abweisend, durchrationalisiert: Dieses Gebäude vergisst, dass hier Menschen untergebracht werden sollen, die vor Krieg, Verfolgung oder Elend geflohen sind – Menschen, die Schutz suchen, nicht nur Unterkunft.

Stattdessen begegnet ihnen eine Architektur, die nichts von Wärme, Würde oder Empathie vermittelt. Vielleicht ist das kein Zufall. Vielleicht war dieses Bild sogar beabsichtigt – als Ausdruck einer migrationspolitischen Haltung, die zwar rechtsstaatlich korrekt, aber menschlich kühl agiert. In Mitteleuropa überrascht eine solche ästhetische und emotionale Verarmung öffentlicher Bauten leider kaum noch. Sie steht sinnbildlich für eine Gesellschaft, die sich mit der bloßen Verwaltung von Notlagen begnügt, statt Räume zu schaffen, die auch Hoffnung zulassen.

Wer ein Asylzentrum wie einen Hochsicherheitstrakt gestaltet, sät Misstrauen und Ausgrenzung – nicht nur gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern, sondern auch in der Gesellschaft, die daran vorbeifährt. Es wäre an der Zeit, Architektur wieder als Möglichkeit zu begreifen, Menschlichkeit sichtbar und spürbar zu machen.

6

Ulrich Zeutschel | 23.09.2025 09:48 Uhr

Asylknast

@5: Ich finde, dass man so ein Gebäude nicht unpolitisch kommentieren kann, denn Architektur macht sich hier zum Vollstrecker eines menschenverachtenden Systems. Die "mutwilligen" Zerstörungen sind eine Reaktion auf solche Umgebungen und Umstände.

[Anmerkung der Redaktion: Wir haben Teile Ihres Kommentars gelöscht, da diese gegen unsere Regeln verstoßen: Schreiben Sie zur Sache. Teilen Sie etwas Neues mit. Nennen Sie Argumente. Keine Unterstellungen. Keine Beleidigungen. Verzichten Sie auf einen aggressiven Tonfall. Bitte schreiben Sie Ihren Namen. Verwenden Sie keine Links im Text.]

Mir geht es hier eher um Ethik als um Politik.

5

auch ein | 22.09.2025 08:33 Uhr

architekt

@4:
leider ist in CH die situation genau so!
deswegen habe ich auch geschrieben dass ein wandanstrich einfacher wäre, weil man ständig "renovieren" muss und sichtbeton ungeeignet für die leider notwendige frequenz.
und das ist KEINE politische diskussion sondern es geht um praktibilität.
denn füe die ankommenden ist es besser wenn sie eben NICHT auch noch im heim die mutwilligen zerstörungen erleben müssen

4

Ulrich Zeutschel | 20.09.2025 09:52 Uhr

Asylknast

Also bitte! Die Geflüchteten sind keine Schuldigen, sondern OPFER von globalen Verhältnissen, zu denen Länder wie die Schweiz und Deutschland kräftig zum eigenen Nutzen beigetragen haben.Und dann so ein Parkhaus-Knast, der klar signalisiert "Und wenn Ihr hier wieder weg seid, Ihr demolierenden Eindringlinge, dann kärchern wir hier mal kurz durch, um unseren körperlosen vergeistigten Raum wieder rein zu haben."

3

Arcseyler | 19.09.2025 13:56 Uhr

.de

Beton als die nackte Materie, als Ausfüllung vom Raum. Wie geklumpte Milch im Kaffee. Ein elementares Verhältnis von Masse und Raum zur Gewinnung des körperlosen reinen, vergeistigten Raums. Man muss seinen Wahn kennen, um mit ihm auskömmlich zu leben.

2

auch ein | 19.09.2025 09:49 Uhr

architekt

@1:
eigentlich dachte ich dass eher kommentare zu den netzen=gitter= knast kommen.
ja es IST ein knast.
deswegen ist auch der etwas unwirtliche standort nicht so ein problem.
und die netze und gitter hat es aus gutem grund.
den beton finde ich eher ein problem weil man ihn nach demolierungen schwer flicken kann, nicht weil er brutal/istisch aussieht.

man muss da schon die realitäten einbeziehen wenn man einen zweckbau plant....und das ist absolut unpolitisch gedacht

1

Also | 18.09.2025 22:29 Uhr

ich

mag Schweizer Minimalismus und ich bin der Letzte, der schreit: "Hilfe Sichtbeton = Bunker".

ABER: Es muss dennoch anerkannt werden, dass ein derartiger Stil nicht immer massentauglich und der kulturelle Rezeptionskotext wichtig ist.

In diesem Zusammenhang (Asylzentrum) ist das wirklich so ganz und gar nicht angebracht.

 
Mein Kommentar
Name*:
Betreff*:
Kommentar*:
E-Mail*:

(wird nicht veröffentlicht)

Zur Durchführung dieses Service werden Ihre Daten gespeichert. Sie werden nicht an Dritte weitergegeben! Näheres erläutern die Hinweise zum Datenschutz.


Die Eingabe einer E-Mail-Adresse ist zwingend, um einen Kommentar veröffentlichen zu können. Die E-Mail ist jedoch nur durch die Redaktion einsehbar und wird nicht veröffentlicht!


Ihre Kommentare werden nicht sofort veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.




Alle Meldungen

<

18.09.2025

Beton im Kreislauf

BAUNETZWOCHE#679

18.09.2025

Selbstbewusster Netzbetreiber

Empfangsbau in Hamburg von Busch & Takasaki Architekten

>
baunetz CAMPUS
VOLLGUT eG
baunetz interior|design
Bio-Bau am Seeufer 
Baunetz Architekt*innen
LH Architekten
vgwort