Ismaili-Zentren sind nicht nur Gebetsstätten, sondern zugleich kulturelle Einrichtungen und gesellschaftliche Treffpunkte der Nizari-Ismailiten. Weltweit existieren bislang sechs Zentren der schiitischen Glaubensgemeinschaft – unter anderem in London, Lissabon und Dubai. Nun ergänzt ein siebtes in Houston diese Reihe. Im Auftrag des derzeitigen Imam Aga Khan V. realisierten Farshid Moussavi Architecture FMA (London) zusammen mit Nelson Byrd Woltz Landscape Architects (New York) ein Gebäude mit weitläufigen Gärten. AKT II (London) übernahmen die Tragwerks- und Fassadenplanung, DLR Group (Omaha) die Ausführungsplanung.
Das bauliche Umfeld des Ismaili Center ist geprägt von mehrgeschossigen Wohnbauten sowie Bürokomplexen – darunter die von Michael Graves entworfene Filiale der Federal Reserve Bank of Dallas, das Clocktower Building aus den 1920er und das Star Engraving Building aus den 1930er Jahren. Der rund 14.000 Quadratmeter große Neubau befindet sich auf einem langen, schmalen, etwa 4,5 Hektar großen Grundstück, das an den Buffalo Bayou Park sowie den Magnolia Cemetery grenzt und bereits seit 2006 im Besitz der Aga Khan Foundation USA ist.
Der Neubau gliedert sich in drei Teile, die in ihrer Nutzung jeweils dem Glauben, dem Sozialen und der Bildung zugeordnet sind. Untergebracht sind hier unter anderem Ausstellungsräume, ein Theater, Bankettsäle, Tagungs- und Bildungsräume, ein Café sowie eine große 1.140 Quadratmeter große Gebetshalle.
Überall finden sich gestalterische Bezüge zu islamischen Architekturen. Aber auch das heiße, feuchte Klima Houstons sei ein wichtiger Aspekt beim Entwerfen gewesen, so FMA. Der Neubau solle sowohl die Eigenständigkeit der islamischen Tradition betonen als auch ihre Berührungspunkte mit westlicher Gestaltung sichtbar machen. Ein zentrales Gestaltungselement, das in Houston völlig neu interpretiert wurde, ist der sogenannte Iwan (auch Aiwan oder Liwan bezeichnet): eine hohe, an einer Seite offene Halle, ursprünglich von einem Tonnengewölbe überdeckt. Im Ismaili Center sind diese offenen, verandaartigen Räume je nach Norden, Osten und Westen ausgerichtet. Sie sollen ganzjährig soziale und kulturelle Aktivitäten im Freien ermöglichen.
Prägend sind die schlanken, sternförmigen Stahlstützen, die an Persepolis und die Paläste des 17. Jahrhunderts in Isfahan erinnern sollen. Die Decken sind in hellem Blau gehalten, das in der persischen Architektur traditionell für Stein- und Ziegelbauten Verwendung findet. Die perforierten blauen UHPC-Paneele verbessern zugleich die Akustik und verfügen über eine integrierte Beleuchtung. Für die Gebäudehülle ließen sich FMA von den Motiven traditioneller Wandteppiche und dem Konzept der Mashrabiya inspirieren. Mittels kleiner Steinziegel schufen sie ein stellenweise gitterartiges Muster. Variierende Tessellierungen und Reliefsteine verleihen der Gebäudehülle Tiefe.
Ähnlich verfuhren die Architekt*innen in den Innenräumen. Hier strukturieren drei Atrien den Bau, die je an einen Iwan angrenzen und Licht in das Gebäude bringen. Das zentrale Atrium mit seiner keramisch verkleideten, gestuften Struktur zitiert die traditionelle islamische Kuppel. West- und Ostatrium erschließen Theater, Festsaal und Lernräume. Herzstück des Gebäudes ist die Gebetshalle – eine stützenfreie Fläche von 35 mal 35 Metern –, die von einer Tragstruktur aus sieben ineinandergreifenden Quadraten überspannt wird. Die doppellagige, perforierte Aluminiumdecke verleiht dem Raum einen schwebenden Charakter.
Die Landschaftsgestaltung von Nelson Byrd Wolz greift die geometrischen Motive des Gebäudes auf und führt sie weiter. Rund 3,6 Hektar Außenfläche wurden beplant. So entstanden Wasserbecken, Brunnen und aufwendig geflieste Plätze. Zum Einsatz kamen Pflanzenarten aus verschiedenen Teilen des Bundesstaates, um einen „Querschnitt durch Texas“ zu schaffen, der „die Anpassungsfähigkeit der Ismaili in ihrer neuen Heimat“ widerspiegelt. Mehr als 800 Bäume und Tausende Stauden sollen die Anlage zu einer widerstandsfähigen Landschaft machen. Immerhin liegt die Anlage teilweise in einem überflutungsgefährdeten Gebiet.
Zu den Kosten äußern sich weder Architekt*innen noch Bauherrschaft. Auf einer offiziellen Webseite des Bundesstaates Texas findet sich jedoch ein Betrag von umgerechnet rund 150 Millionen Euro. (dsm)
Fotos: Iwan Baan, Nic Lehoux, Salina Kassam
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