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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Interview_mit_Sabine_Horlitz_zu_neuen_Eigentumsmodellen_7282533.html

25.06.2020

Fünf Fragen zum Boden

Interview mit Sabine Horlitz zu neuen Eigentumsmodellen


Wohnen wird immer teurer. Das liegt zu einem großen Teil an den steigenden Bodenpreisen. BauNetz hat mit Sabine Horlitz von der Berliner Stadtbodenstiftung darüber gesprochen, wie Wohnraum langfristig vor Preissteigerungen geschützt werden kann. Mit ihrer Orientierung am anglo-amerikanischen Modell des Community Land Trust möchte die Stiftung über Berlin hinaus einen neuen Beitrag zur virulenten Bodenfrage liefern.

Interview: Kim Gundlach

Frau Horlitz, im Architektur- und Stadtdiskurs sprechen zurzeit alle von der Bodenfrage. Wie sind Sie dazu gekommen und was ist Ihre Position?

Ich beschäftige mich seit langem mit stadtpolitischen Themen und alternativen, nicht gewinnorientierten Eigentumsmodellen. Thematisch bin ich über die Wohnungsfrage zur Bodenfrage gekommen. Die Bodenpreisentwicklung ist ein, wenn nicht der wesentliche Faktor in der Verteuerung von Wohn- und Gewerberaum. Wir brauchen einen anderen, nicht marktförmigen, sozial verantwortlichen Umgang mit Boden – in den Städten wie im ländlichen Raum. Die Stadtbodenstiftung möchte hierzu einen Beitrag leisten.
 
In Berlin gibt es bereits das Berliner Modell kooperativer Baulandentwicklung, das bezirkliche Vorkaufsrecht und auch die Vergabe von städtischen Grundstücken per Konzeptvergabe rückt mehr in den Fokus. Braucht es da überhaupt noch ein Stiftungsmodell?
Ziel der Stadtbodenstiftung ist es, einen Gegen­pol zur Spekulationsspirale wie zur Praxis der Top-Down Planung zu setzen, indem Immobilien dem profitorientierten Markt entzogen und für eine zivilgesellschaftlich ge­lenkte, soziale Nutzung gesichert werden. Die Stiftung orientiert sich dabei am Modell des Community Land Trust. Sie knüpft an bestehende Bodenstiftungen wie die Stiftung Edith Maryon oder die Stiftung Trias an, führt aber Elemente des Community Organizing und eine basisdemokratische Besetzung ihrer Organe ein. Die Stiftung möchte ein Modell zivilgesellschaftlich-solidarischer Stadtentwicklung sein, das unterschiedliche Akteure zusammenbringt und soziale Zielsetzungen langfristig sichert. Sie geht damit weit über die in der Frage genannten, vor allem punktuell wirkenden und vom politischen Tagesgeschäft abhängigen Maßnahmen hinaus.
 
Mit welchen konkreten Instrumenten kann eine Stiftung eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung fördern?
Das Grundprinzip der Stadtbodenstiftung ist die Trennung zwischen dem Eigentum an Boden – dieser gehört der Stiftung und wird von ihr treuhänderisch verwaltet – und dem Eigentum an den Gebäuden. Diese gehören den Nutzer:innen – beispielsweise einer Genossenschaft oder einem Hausverein. In der Stiftungssatzung ist festgeschrieben, dass der Boden unverkäuflich ist. Indem dieser der marktförmigen Verwertung entzogen wird, ist ein wesentlicher preistreibender Faktor ausgeschlossen. So wird es möglich, bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum sowie andere soziale und kulturelle Nutzungen herzustellen und dauerhaft zu sichern. Die soziale Ausrichtung, aber auch die Transparenz in der Vergabe werden dabei im Erbbaurechtsvertrag, der zwischen Stiftung und Nutzer:innen geschlossen wird, festgeschrieben. Auf diese Weise setzt sich die Stadtbodenstiftung sehr direkt über die einzelnen Projekte für einen gemeinwohlorientierten Umgang mit Liegenschaften ein. Sie wirkt aber auch abstrakter, indem sie beispielhaft aufzeigt, wie eine andere Stadtentwicklungspolitik realisierbar wäre

In den Stiftungsorganen der Stadtbodenstiftung soll demokratische Teilhabe gesichert werden. Wie funktioniert das und warum ist das wichtig?
Ziel ist, dass unterschiedliche Interessen in der Stiftung vertreten sind und dass insbesondere jene eine Stimme haben, die sonst in Stadtentwicklungsfragen meist nicht mitentscheiden können. Das Kuratorium ist das zentrale Entscheidungsorgan der Stiftung. Dort sitzen unter anderem auch Vertreter:innen der Nutzer:innen und aus den jeweiligen Nachbarschaften. Es wird zudem ein Stiftungskomitee geben, das für alle an den Projekten beteiligten, für Nachbar:innen und Stifter:innen offen ist. Dieses ist mit einer Mitgliederversammlung vergleichbar und stellt in dieser Art ein Novum in der Stiftungslandschaft dar.
 
Die Bodenpreise in Deutschland steigen seit Jahren und sind mittlerweile bei exorbitanten Summen angelangt. Wie realistisch ist es, dass Grundstücke in das Eigentum von Stiftungen überführt werden? Was gibt es hier für Ansätze?
Sicherlich wäre die Stiftung vor 20 oder 30 Jahren leichter an den Start gegangen. Doch auch jetzt sehen wir noch viele Möglichkeiten. Der Kauf auf dem Markt ist nur eine davon. Wir zielen auch auf sozial orientierte Eigentümer:innen, die ihre Immobilien langfristig in guten Händen wissen möchten oder auf schon bestehende Hausprojekte, die der Stiftung den Boden schenken, um mittels des Erbbaurechtsvertrags ihre eigenen Ziele abzusichern. Momentan suchen wir Gründungsstifter:innen, die mit kleineren und größeren Zustiftungen helfen, das für die Gründung der Stiftung notwendige Anfangsvermögen aufzubringen und die Idee eines nicht spekulativen Umgangs mit Boden Realität werden zu lassen.


Zum Thema:

www.stadtbodenstiftung.de


Kommentare:
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Sabine Horlitz, Mitbegründerin der Berliner Stadtbodenstiftung

Sabine Horlitz, Mitbegründerin der Berliner Stadtbodenstiftung


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