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04.11.2016

Kinderkultur am Jakobsweg

Holzbau in Tirol von Schenker Salvi Weber


Die Volksschule in der Tiroler Gemeinde Absam hat einen Neubau bekommen: Zur Eröffnung Mitte Oktober erschien das halbe Dorf. Tief in der Erde liegt die neue Sporthalle, im Kindergarten darüber wird gespielt, während sich die Berge dahinter zu einem Postkarten-Panorama staffeln. Mit ihrem aktuellen Projekt zeigen die österreichischen Architekten Schenker Salvi Weber (Bern/Wien), wie der kindliche Maßstab Innenräume formt, in denen sich auch Erwachsene gerne aufhalten – und wie Absam ganz nebenbei auch noch einen Dorfplatz mit Sommerkino bekommen hat.

Absam liegt am Rand des Karwendelgebirges in Tirol – und am Jakobsweg. Gute 20 Autominuten von Innsbruck entfernt, pilgern also die einen zur Absamer Basilika, der Wallfahrtskirche St. Michael – die anderen wachsen hier auf, gehen in den Kindergarten und zur Schule. Viel Platz gab es für die notwendigen Erweiterungsbauten der Volksschule in der 7.000-Seelen-Gemeinde nicht – was vielleicht Glück war. Denn so konnten die Architekten Andreas Schenker, Michael Salvi und Thomas Weber sich eine andere Lösung überlegen, die auf dem kompakten, engen Grundstück neben Kindergarten und Turnhalle auch noch einen neuen Dorfplatz generiert hat. Die Musik spielt unter dem Dach der denkmalgeschützten Volksschule: in den kleinteiligen, geschlossenen Räumen befindet sich eine neue Musikschule.

Mit seinen Referenzprojekten hatte sich das Team Schenker Salvi Weber 2013 für die Teilnahme an dem offenen Wettbewerb qualifiziert und lieferte einen mutigen Entwurf. Die Lösung der Platzproblematik erweist sich im Nachhinein als einfach: Die Architekten ließen das gesamte Volumen der Dreifachsporthalle unter der Erde verschwinden und haben so einen gemeinsamen Platz für Schule, Kindergarten und das Dorf geschaffen. „Niemand der anderen 20 Teilnehmer hatte sich so etwas getraut“, erinnert sich Michael Salvi. Dass die Ursprungsidee, die das Projekt so stark prägt, gut angenommen wird, freut nicht nur die Architekten. Auf dem Platz soll ab 2017 ein Sommerkino stattfinden.

Aus der Entscheidung für die unterirdische Halle folgte die Holzbauweise, in der die Architekten den Kindergarten geplant haben – „damit er leicht ist, denn er steht zu einem Drittel auf der Sporthalle“, erläutert Michael Salvi. „Was man von außen gar nicht sieht, da wir den Holzbau mit einem Dickputz verputzt haben. Die alte Putztechnik hat ihren Grund“, erklärt der Architekt. „Absam lebt von seinen mineralischen Fassaden, die Faschen haben. Wir haben versucht, uns mit viel Understatement in das Ortsbild einzugliedern.“ Der Neubau setzt deshalb keinen Akzent und schreit auch nicht, sondern erweist sich als zurückhaltend und entpuppt sich erst im Inneren als eine offene Spiel- und Lernlandschaft mit kleinen und großen Möglichkeiten.

Dass der kindliche Maßstab auch für Erwachsene funktioniert, schafften die Architekten durch ihr „moderates“ Farb- und Materialkonzept: Weiße Wände, warme Eiche, allein die weichen Vorhänge setzen mit ihrem Moosgrün einen kleinen Akzent – für ein buntes Treiben sorgen die Kinder. Blieb noch eine Herausforderung, die durch die offene Raumstruktur verstärkt wurde: die Lärmkulisse, die sich bei 120 Kindern nicht vermeiden lässt. Den nötigen Schallschutz bietet die Holzwolle-Akustikdecke von Heradesign: ein Produkt, das man normalerweise in Industriebauten verwendet, das sich gestalterisch aber auch in Schulen oder Sporthallen einsetzen lässt. Schenker Salvi Weber haben die Holzwollplatten in einem Naturton gewählt und lassen die Decke für eine gute Akustik im gesamten Raumkontinuum durchgehen – ebenso den Boden aus Eiche, der in allen Gruppenräumen, in den kleinen Räumen und im Foyerbereich verlegt wurde.

Insgesamt 120 Kindergarten- und 24 Krippenplätze bietet der zweigeschossige Neubau, in dessen Untergeschoss sich die 1.000 Quadratmeter große Sporthalle versteckt. Schenker Salvi Weber denken den Neubau in Raumsequenzen und haben den Kindergarten als klare Struktur entworfen, die mehrfach nutzbar und lesbar wird. Dass man Räume teilen und Türen offen stehen lassen kann, um in Kontakt zu bleiben, war den Architekten wichtig. „Es gibt Bindungen von jedem Raum in den nächsten“, so Salvi. „Das Gebäude ist mit seinen großen Sequenzen sowie kleinen, intimen Zonen, in die man sich einnisten kann, eine Art Raumkontinuum geworden, das auch von den Nutzern sehr angenommen wird.“ Elemente wie Schiebetüren, Vorhänge und Wandschränke, die diese Flexibilität ermöglichen, findet man in vielen Projekten von Schenker Salvi Weber Architekten wieder. In Wänden und Fenstern kann man sitzen, sich hinter dem Vorhang oder unter der Treppe verstecken.

Wie die neuen Räume genutzt werden, darauf haben Andres Schenker, Michael Salvi und Thomas Weber nicht nur kurzzeitig ein Auge; sie verfolgen auch, wie sich ihr Gebäude in ein paar Jahren weiterentwickelt: Das Trio pilgert quasi durch sein eigenes Werksverzeichnis, weil es den Gedanken seltsam findet, dass man als Architekt ein Projekt nur einen kurzen Moment wirklich mitlebt. „Als Architekt macht man sich unglaublich viele, abstrakte Gedanken: in Konzepten, Skizzen, Modellen bis hin zu Ausführungsplänen“, meint Michael Salvi. „Aber am Schluss baut man für jemanden. Das ist wesentlich.“ (jk)

Fotos: Bengt Stiller


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

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