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13.09.2017

Virtuoses Spiel mit der Ungewissheit

Futurium von Richter Musikowski in Berlin


Von Friederike Meyer

Es ist ein guter Tag für die Architektur an der Spree. Denn inmitten der kosten- und raumoptimierten Bauten südöstlich und westlich des Berliner Hauptbahnhofs wird heute ein Haus übergeben, dessen Architektur das Meckern über die Mittelmäßigkeit für einen Moment verstummen lässt: Das Futurium, gebaut nach Plänen von Richter Musikowski Architekten (Berlin). Das Futurium ist weder Entertainmentcenter für gestrandete Bahnkunden noch reines Museum. Vielmehr will das Bundesforschungsministerium hier Ideen für die Zukunft präsentieren und mit der Öffentlichkeit diskutieren. Eine Bühne soll es sein, Labor und Forum zugleich. Neben Ausstellungen über künstliche Intelligenz, selbstfahrende Autos oder Virtual Reality darf man auf den 3.000 Quadratmetern im Haus auch Kongresse und andere Veranstaltungen von zum Beispiel Fraunhofer, Helmholtz, Max-Planck und Co. erwarten.
 
Für ein Haus, das allen offen stehen will, haben Richter Musikowski die Schwellen nach Kräften geebnet. Ihre Idee, das Volumen über zwei Plätze sowohl zur Spree als auch in Richtung Bahnviadukt zu öffnen und die Fassaden als große Schaufenster auszubilden, hatte die Jury des Wettbewerbs 2012 überzeugt. Dass diese Schaufenster im fertigen Bau nur von innen funktionieren und von außen zumindest tagsüber als abweisende schwarze Flächen erscheinen – anstatt wie ursprünglich angedacht als großflächige Medienwände – ist das einzige Manko am fertigen Haus. An vielen Stellen offenbart es eine gestalterische Frische und Experimentierfreude der Architekten, die hier – einem offenen Wettbewerb sei dank – ihr erstes großes Werk realisieren durften.

Dies beginnt schon auf dem Platz davor. Juca Architektur + Landschaftsarchitektur (Berlin) haben die Fläche mit einem Punktraster überzogen, das den Reigen der geometrischen Grundelemente eröffnet. Rhomben und Dreiecke hingegen zeigt die mehrschichtige Fassade aus gefalteten Edelstahlreflektoren und bedrucktem Gussglas, die diffus das Licht reflektiert und subtil das Unbestimmte der Zukunft manifestiert. Die Architekten hatten dabei das Bild von Partikelströmen vor Augen, die durch Verdichtung zum Element werden. Das ambivalente Gefühl, nicht zu wissen, wie die Zukunft aussieht, vermittelt das innere Spiel der Kontraste. Gleißend hell ist das Forum im Erdgeschoss, das als Cave bezeichnete Untergeschoss kommt als Blackbox daher, im Obergeschoss, der Cloud, wirken die Fenster wie eine helle Leinwand im Kinosaal. Ob das dahinter sichtbare Kanzleramt eine Antwort weiß?

In der Abhangdecke, die Richter Musikowski zu einer artifiziellen Wolke modifizierten oder in den Akustikpaneelen im Kongressbereich, wo die Form der Fassadenelement als Lochmuster wieder auftaucht, zeigt sich ein unkonventioneller, ja fast spielerischer Umgang mit Material und Oberflächen. In Zusammenarbeit mit realities united entstand ein sensorgesteuertes Beleuchtungskonzept, das die Besucherströme über Bewegungsmelder erfasst und ihnen folgt. Auch der Erschließungskern, der zugleich als Energiespeicher wirkt, erinnert beiläufig an die bisweilen unheimlichen Anwendungen neuer Technik. Hinter runden Glasfenstern wird effektvoll beleuchtetes Paraffin sichtbar, das vor allem beim Kühlen des Gebäudes helfen soll. Das begehbare Dach vermittelt schließlich, wie viel die Zukunft mit Energiefragen zu tun hat. Der Weg ist so konzipiert, dass der Blick auf das Zentrum der Bundespolitik ohne den auf die Photovoltaik- und Solarthermiekollektoren nicht zu haben ist.

Jetzt liegt der Ball bei Stefan Brandt, seit Juni Direktor des Futuriums. Er muss das Haus nun bespielen, bis 2019 ist eine Ausstellung versprochen. Ob die Schaufenster dann vielleicht doch noch zur Medienwand werden? Wer weiß das schon. Eines jedoch ist gewiss: Für Stelltafeln von Ministerien und Industrieunternehmen ist das Haus nicht gemacht. Das ist es seinem Namen schuldig.

Fotos: Schnepp Renou


Zum Thema:

Am Samstag, den 16. September öffnet das Futurium mit großem Programm erstmalig und vorerst einmalig von 11 Uhr bis open end.
Informationen unter www.futurium.de


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