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26.01.2024

Filmtipp: Capital B

Dokumentationsreihe zu drei Jahrzehnten Berlin


Drei Jahrzehnte Berliner Geschichte in einer fünfteiligen Dokumentation zusammenzufassen, das ist kein leichtes Vorhaben. Regisseur Florian Opitz gelingt es in seiner Reihe Capital B – Wem gehört Berlin? trotzdem erstaunlich gut, das große Ganze in den Blick zu nehmen. Und das mithilfe eines reduzierten Formats: keine Erzählstimme, lediglich Interviews und Archivmaterial leiten durch die letzten rund 30 Jahre Berlin. Allein die beeindruckende Fülle an Originalbild- und Tonaufnahmen macht den Mehrteiler sehenswert. Wer bis jetzt nicht die Gelegenheit dazu hatte, kann die Reihe noch bis 1. Oktober 2025 in der Arte-Mediathek abrufen.

Die Episodentitel „Sommer der Anarchie“, „Größenwahn“, „Absturz“, „Arm, aber sexy!“ und „Die Stadt als Beute“ lassen erahnen, um was es geht: Den Aufstieg und Fall einer Stadt, die es nie einfach hatte. Dabei spannt sich der Bogen sehr weit – vom Mauerfall über die ersten Technoclubs und die Hausbesetzerszene bis hin zum Bankenskandal und den Initiativen „Media Spree Versenken“ sowie „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Auch der mehrdeutige Titel Capital B verweist auf turbulente Zeiten: Einerseits deutet er auf die Rolle Berlins als (neue) Hauptstadt und als größte Stadt Deutschlands (Großbuchstabe B) hin. Oppitz spielt damit aber auch auf das Kapital und damit das Hauptthema der Serie an.

Begleitet von Peter Fox’ „Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein…“ wird im Intro ein emotional durchaus herausfordernder Wechsel aus Bildern von Straßenschlachten, Technopartys, Baustellen und Politiker*innen gezeigt. Die Aufnahmen bereiten auf den multiperspektivischen Ansatz vor, der darauf folgt. Zu den unterschiedlichen Stimmen gehören nicht nur Politiker*innen wie Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), die ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Klaus Wowereit (SPD) sowie der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin (damals SPD). Auch Rapper Kool Savas, Loveparade-Mitgründerin Danielle de Picciotto oder Aktivist Sandy Kaltenborn teilen unter vielen weiteren ihre Sicht auf wichtige Ereignisse der letzten Jahrzehnte.

Die Wahl der Gesprächspartner*innen wirkt auf den ersten Blick reißerisch und polarisierend – Politik und (Immobilien-)Wirtschaft auf der einen, Club- und Alternativszene auf der anderen Seite. Noch dazu werden nicht nur die Originalszenen, sondern auch die Interviews zu großen Teilen mit Musik untermalt. Dabei hält sich die Waage eindeutig auf der Seite der Alternativszene. Und dennoch lässt sich auch immer wieder ein Dazwischen erkennen, das die Pole auszutarieren versucht. Zum Beispiel durch die Journalistin und Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln Güner Balcı, deren Spaziergang mit Thilo Sarrazin und dem ZDF für Aufsehen sorgte. Oder durch Radiomoderatorin Marion Brasch, die für das Jugendprogramm DT64 des DDR-Rundfunks arbeitete. Auch die Sicht von Stadtsoziologe Andrej Holm hilft, die größeren Zusammenhänge besser einordnen zu können.

Am Ende steht die Frage, wem Berlin gehört, weiterhin offen im Raum. Stattdessen rückt die Dringlichkeit in den Vordergrund, sich ganz persönlich mit der Gegenwart und Zukunft zu beschäftigen und damit, wie es mit dieser Stadt weitergehen kann und soll.

Text: Dorit Schneider-Maas

Capital B - Wem gehört Berlin?

Florian Opitz
Deutschland, 2021–23
5 Folgen, je 53 bis 57 Minuten


Video:



Zum Thema:

arte.tv


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