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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Diskussion_und_Studentenentwuerfe_zum_Berliner_Kulturforum_3523625.html

08.04.2014

Problem oder Potential?

Diskussion und Studentenentwürfe zum Berliner Kulturforum


Das Kulturforum in Berlin, seit 1964 nach einem Entwurf von Hans Scharoun entstanden, gilt als einer der städtebaulich problematischsten Orte der Stadt. Hört man seinen Befürwortern und Gegnern zu, klingt es fast, als streiten Eltern über ihr hochbegabtes, aber leider drogensüchtiges Kind, das entweder als vielschichtig komplex oder vollkommen gestört beschrieben wird. Während das Kind selbst etwas abseits sitzt, traurig und sich selbst überlassen.

Schon im letzten Jahr hatte die Akademie der Künste damit begonnen, über die Zukunft dieses Ortes nachdenken. Im Februar fand ein weiterer Gesprächsabend unter Beteiligung vor allem von Vertretern der Institutionen am Platz statt, dessen Ergebnis einer Wunschliste glich.

Gestern ging es nun um die räumlichen Bedingungen vor Ort, die von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, den Architekturkritikern Gerwin Zohlen, Ira Mazzoni und Ursula Baus und den Architekten Matthias Sauerbruch und Wilfried Wang kontrovers diskutiert wurden. Letztere steuerten außerdem Entwürfe ihrer Studenten aus Berlin und Texas bei, die sich parallel mit den Potentialen des Kulturforums beschäftigt hatten.

Doch halt, was heißt hier Potentiale? Einigkeit besteht vor allem darüber, dass der Ort gravierende Probleme hat und dringend Hilfe braucht: Bemängelt werden seine fehlende Urbanität und Strahlkraft, was wiederum vor allem als Folge von Scharouns autogerechter Planung gesehen wird. Die Lösungsvorschläge für diese Probleme sind allerdings eher gegensätzlich, je nach Weltanschauung. Die Einen sehen eine Austreibung der Ideologie der Moderne im Geiste Hans Stimmanns als einzige Möglichkeit, während die Anderen eher an die Domestizierung dieses wilden Orts durch eine Fortschreibung des ursprünglichen Entwurfs samt kuratierter Freiräume und vorsichtig ergänzter Pavillons glauben.

Dabei ähneln sich die beiden Ansätze nicht nur in ihrer Verzagtheit der Mittel, sondern auch darin, dass sie sich wenig um das kümmern, was dort vor Ort wirklich ist: nämlich einer der letzten innerstädtischen Räume, der einer vollkommenen anderen Logik folgt und der tatsächlich in dem Sinne öffentlich ist, als dass er sich bisher (fast) jedem Aktivierungsgebot, auch jenem zur brav geordneten Zwischennutzung, erfolgreich entzogen hat. Wobei das von den Diskutanten schon anerkannt wurde, allein, dass es nicht gelang, daraus radikale Schlüsse zu ziehen und so die offizielle, eher ängstlich-problematisierende Sicht auf das Kulturforum zu überwinden.

Diese Freiheit blieb den Studierenden vorbehalten, deren Arbeiten sich zu einem Publikum weit jenseits der fünfzig wie zukunftsträchtig-bunte Lichtblicke verhielten. Perfekte Lösungen gab es keine, dafür aber eine Vielfalt, die daran erinnert, dass es manchmal, wie schon beim vielzitierten Centre Pompidou, etwas ganz anderes braucht, um aus den vorhandenen Qualitäten eines Ortes etwas Außergewöhnliches zu machen. In diesem Sinne funktionieren ihre Entwürfe wie ein Lackmustest: Wer angesichts von Hochhausscheiben, Schwimmbädern, riesigen schwebenden Dächern oder anarchischen Gewerbehöfen kopfschüttelnd zusammenzuckt, der ist möglicherweise nicht furchtlos genug, um am Kulturforum einen „Ort des 21. Jahrhunderts“ zu gestalten, wie ihn sich Regula Lüscher wünscht.

Dem Kulturforum selbst sind solche Überlegungen aber zum Glück ohnehin egal, fast hat man den Eindruck, es entwickelt sich einfach, wie es will. Und warum auch nicht? Die Unwirtlichkeit des Orts beklagen doch vor allem jene, die zuvor ihr Auto in den Tiefgaragen am Potsdamer Platz abgestellt haben. Während ein Großteil derer, die dort täglich arbeiten, in der Staatsbibliothek oder im Wissenschaftszentrum, zuvor lustvoll mit ihren Rennrädern und Fixies den großen Schwung der Potsdamer Straße hinunter gerauscht sind.

Vielleicht sollte man darum jenen die Planung überlassen, die nicht mehr in der Dichotomie von Auto- und Fußgängerstadt denken, sondern sich auch für die Zwischenformen interessieren. Dass nun, nach 15 Jahren, doch das Freiraumkonzept von Valentien+Valentien verwirklicht wird, ist dafür sicherlich kein schlechter Auftakt. (Stephan Becker)


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