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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Deutscher_Pavillon_auf_der_Biennale_in_Venedig_9915077.html

09.05.2025

Alarm außerhalb der Blase

Deutscher Pavillon auf der Biennale in Venedig


Die drohenden Folgen von Hitze und was wir dagegen tun können – das sind die Themen des Deutschen Pavillons. Während die nach der Konzeptpräsentation erwartete Feier der Landschaftsarchitektur ausbleibt, schlägt das Team Stresstest mit einer emotionalen Inszenierung Alarm. Und richtet sich dabei an ein fachfremdes Publikum.

Von Friederike Meyer

Das Gute an der Biennale in Venedig ist, dass sie alle zwei Jahre zeigt, was die Fachwelt umtreibt und wie sie sich die Zukunft vorstellt. Auch bei dieser 19. Ausgabe gibt es wieder vielschichtige Antworten auf den Klimawandel und kluge Ideen für ein Überleben innerhalb der planetaren Grenzen. Deutschland warnt vor allem vor den Folgen der Symptome.

Das Team „Stresstest“ um Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci hatte sich viel vorgenommen. Sie wollen die drohende Überhitzung der Städte physisch erlebbar machen, dabei aufrütteln und zum Nachdenken und Handeln anregen. Schließlich sollen Lösungsvorschläge zeigen, wie man Städte herunterkühlen kann, erzählen sie beim Rundgang. Das ist viel für einen Biennalepavillon, in dem Besucher*innen im Durchschnitt etwa fünf Minuten Zeit verbringen. Sie setzen auf viele Formen der Vermittlung.

Da wäre zunächst die Kunst: Ein Schwarm von Windhosen auf dem Dach soll die Unberechenbarkeit des Klimas verdeutlichen, den Wind in der Lagune, der immer wieder die Richtung wechselt. So erklärt es der Künstler Christoph Brech, der ebenfalls für den großen Dong am Eingang verantwortlich ist. Signal für Gefahr oder Einladung zum Fest? Die Glocke in seinem Video sei vielfältig deutbar, sagt er.

Im Inneren hat sich das Team für eine plakative Schwarz-Weiß-Inszenierung entschieden. Stress entsteht in einem dunklen Raum, wo Heizplatten den Kopf zum Glühen bringen – woraufhin dieser dann, von einer Wärmekamera gefilmt, knallrot auf einer Videowand zu sehen ist. Zusätzlich soll eine Heizskulptur des Künstlerduos Rasthofer/Neumaier die Wirkung von Metallfassaden in der dichten Stadt erlebbar machen. Danach folgen alarmierende Statistiken. Zum Beispiel, dass es 2022 in Europa mehr als 61.000 Hitzetote gab oder dass Athen zu 80 Prozent versiegelt ist. Oder dass in Berlin ein Temperaturanstieg von 1,37 Grad zu erwarten ist, wenn es so weiter geht wie bisher.

Dass es auch anders geht, zeigt der sogenannte Destress-Bereich im Pavillon. Dort künden eingetopfte Hainbuchen unter geöffnetem Dach und in leichtem Windzug von einer besseren Zukunft, die im Raum nebenan als berechnetes Kurvendiagramm dargestellt ist. Pflanzt Bäume, sie spenden Schatten und kühlen, heißt hier die Botschaft.

Auch die Videoinstallation in der zentralen Halle arbeitet mit starken Kontrasten und Emotionen. Sie spannt den Bogen von der Hölle überhitzter Städte und Menschen zum Paradies der realisierten Freiraumplanung. Vom basslastigen Brummen der Betonverdichter wechselt der Sound in wenigen Minuten zu Maria Callas, die mit einer Arie aus der Oper Medea Bilder von grünen Dächern, Parks und Gärten besingt.

Wer diese geplant hat? Was sie ausmacht und wie das Lob des Schattens Realität werden kann? Wir erfahren es nicht. Die beeindruckend lange Liste der Teilnehmer*innen bleibt ein Textblock auf der Pavillonwand. Spätestens hier wird klar, welche Zielgruppe die Kurator*innen erreichen wollen. Es ist weniger das Fachpublikum, das sich von der Arbeit der Kolleg*innen inspiriert fühlen soll. Sondern es sind die frisch gewählten Politiker*innen in Deutschland und all jene, die demnächst nach Venedig kommen oder daheim in den Amtsstuben planerische Entscheidungen für ihre Kommune treffen müssen. „Menschen, die nicht vom Fach sind, sollen begreifen, wie bedrohlich die Lage ist“, sagt Nicola Borgmann.

Der klare Fokus auf das fachfremde Publikum ist irritierend und mutig zugleich. So fühlt man sich im Deutschen Pavillon eher wie auf einer Weltausstellung denn auf einer Veranstaltung, die den Fachdiskurs pflegt. Was kein Zufall ist, entstand doch der Film zusammen mit der Regisseurin Corinna zu Ortenburg und dem Designstudio flora&faunavisions, die auch für die Präsentation im deutschen Expo-Pavillon in Osaka 2025 zuständig sind.

Der Katalog zum Pavillon erscheint als deutsche und englische Ausgabe im Berliner Distanz Verlag.

Fotos: Patricia Parinejad, newjersey.am, Nina Kirste, Josef Grillmeier


Zum Thema:

Die 19. Internationale Architekturbiennale in Venedig läuft vom 10. Mai bis 23. November 2025. Weitere Beiträge zur Biennale finden sich auf unserer von der Firma Godelmann unterstützen Sonderseite .


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