Seit 2012 entstehen in Indonesien die sogenannten Microlibraries. Dabei hat das Büro SHAU (Bandung) laut Programmtitel „100 Microlibraries“ noch einiges vor. Immerhin fünf der kleinen, pavillonartigen Bauten wurden bereits fertiggestellt. Eine davon ist die Bima Microlibrary in Bandung, deren Fassade aus 2.000 recycelten Eisverpackungen besteht. Ganz anders präsentiert sich die Microlibrary Warak Kayu in Semarang an der Nordküste Javas: Ein aufgeständerter Bau, der das traditionelle „Rumah Panggung“ zitiert – ein für Südostasien typisches Wohnhaus auf Holzstelzen.

Langfristig sollen die Einrichtungen, die sich an die jeweiligen Bedingungen vor Ort, das Klima und die vorhandenen Ressourcen anpassen, von der Nachbarschaft selbst betreut werden. Bei der 160 Quadratmeter großen Bima Microlibrary in Bandung handelt es sich um das erste von SHAU entwickelte Projekt der Reihe. Die Kosten für die kleine Bibliothek, die auf einem beschaulichen Platz in der Nähe des Flughafens steht, beliefen sich auf gerade einmal rund 35.000 Euro.

Für den Bau wurde eine vorhandene Bühne genutzt, die sich auf dem Platz befand. Über dieser errichtete man die neue Konstruktion, wodurch die bestehenden Tribünenstufen zu einem regengeschützten, halböffentlichen Veranstaltungsraum wurden. Das darüberliegende Volumen ist schlicht: eine Stahlstruktur mit Betonplatten als Boden und Dach. Die Plastikelemente sind zwischen vertikale Stahlrippen eingesetzt und nach außen geneigt. Innenliegende Schiebetüren schützen bei zu starkem Regen.

Das Zuschneiden der über drei Monate gesammelten Eisverpackungen und die Montage der Elemente übernahmen lokale Handwerksbetriebe, die dafür eigens entwickelte Werkzeuge verwendeten. Durch die Anordnung der Plastikelemente zeigt sich ein binärer Code auf der Fassade, der eine Botschaft des Bürgermeisters übermittelt: „Buku adalah jendela dunia“ – Bücher sind Fenster zur Welt. Die Elemente, teils geöffnet, teils geschlossen, erzeugen ein weiches, gestreutes Licht im Innenraum.

Während die Bibliothek in Bandung mit ihren Eisverpackungen künstlerisch-experimentell daherkommt, wirkt das fünfte realisierte Projekt, die Microlibrary Warak Kayu in Semarang, deutlich etablierter und aufgeräumter. Dafür war der Holzbau aber auch fast doppelt so teuer. Die Baukosten betrugen rund 65.000 Euro.

Das Gebäude liegt zentral mit Blick auf Kampung Pelangi, ein dichtes Dorf, das durch bunte Fassadenfarben zur touristischen Attraktion wurde. Die aufgeständerte Bauweise schafft auch hier einen halb offenen Bereich mit Tribünenstufen für Vorführungen und Workshops. Pflanzkästen fassen den Raum ein, eine große Schaukel schafft eine zusätzliche Attraktion. Im Obergeschoss verbindet ein Netz im Boden die Lesenden mit den darunter Spielenden.

Das 182 Quadratmeter große Gebäude entstand in enger Abstimmung mit dem lokalen Holzhersteller PT Kayu Lapis Indonesia. Die Planung orientierte sich an den verfügbaren Produkten des Unternehmens. Verschattung, Dachüberstände, Brise-Soleil-Elemente und Querlüftung verhindern eine Überhitzung des Raums und schützen die Bücher vor Feuchtigkeit. Die Hauptkonstruktion aus Bangkirai-Fingerjoint-Lamellenholz und Meranti-Sperrholz wurde komplett vorgefertigt. Reststücke fanden für kleinere Bauteile Verwendung.

Die überlappenden Holzelemente der Fassade formen ein Muster aus Rauten, das an das geschuppte Fabelwesen „Warak Ngendog“ erinnern soll – eine mythische Kreatur mit Drachenkopf und Flügeln, die für die Toleranz zwischen den drei ethnischen Gruppen in Semarang steht: Javanesen, Chinesen und Araber. Der Name der Bibliothek, Warak Kayu, lässt sich mit hölzerner Warak übersetzen. (dsm)

Fotos:  Sanrok Studio, KIE

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