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25.02.2025

Buchtipp: A House to Live With

16 Häuser von Dom Hans van der Laan und seinen Schülern


Dom Hans van der Laan (1904-1991) gilt wohl zu Recht als Kultfigur und absoluter Sonderling der niederländischen Moderne. Über den niederländischen Architekten und Benediktinermönch und seine Bossche School sind bereits einige Bücher erschienen, darunter „Der architektonische Raum“ von van der Laan selbst oder „Dom Hans van der Laan. Works and Words“ von 2001. Das jetzt vorliegende Buch „A House to Live With“ unternimmt jedoch erstmals den Versuch, 16 Wohnhäuser von van der Laan und seinen Schülern nach den Proportionssystemen der Bossche School zu analysieren – und wie!

Auf prall gefüllten 420 Seiten werden die Häuser nicht einfach nur in Grundriss und Schnitt zerlegt, sondern detailgenau in Skizzen und eigens angefertigten Proportionsdiagrammen regelrecht seziert. Neben den präzisen Texten zu jedem Haus werden größtenteils die handschriftlichen Notizen der Architekten (ja, es sind alles Männer) übersetzt und erläutert, dazu gibt es Proportionsstudien zu beinahe jeder Fassade, jeder Wand, jeder Stütze, jedem Fenster. 3:4, 7:4, 1:7 – je länger man liest und schaut, desto mehr wünscht man sich einen Abakus, wie ihn van der Laan für seine Kurse entwickelt hatte, um die verschiedenen Proportionen besser nachstellen zu können.

Dazu kommen die fantastisch trockenen, harten Fotos von Annabelle Stampaert, in denen die menschenleeren Räume in ihrer knochentrockenen Eigenwilligkeit irgendwo zwischen absoluter Zeitlosigkeit und ambivalenter Anziehungskraft zu leuchten scheinen. 50 Shades of Grey? Hier scheinen es eher 500 Schattierungen zu sein. Man freut sich schon, wenn zwischendrin mal wenigstens ein Fensterladen in dunklem Blau leuchtet.

Nicht nur van der Laans spröd-mysteriöse Architektur wirkt wie aus einem anderen als dem 20. Jahrhundert. Auch sein gesamtes Leben liest sich wie aus einer anderen Zeit. Geboren wurde er in Mamelis, einem winzigen Dorf im katholischen Südosten der Niederlande, kaum zehn Kilometer von Aachen entfernt. Hans ist das neunte von insgesamt elf Kindern der tiefkatholischen Familie. Vater Leo ist Architekt, und von den fünf Brüdern sollten zwei ebenfalls Architekten werden, Jan und Nico. Hans allerdings hat primär ein Faible für die Natur, die er in einsamen Spaziergängen erforscht, genau wie eine alte Burgruine und das mächtige nahegelegene Benediktinerkloster.

Später erzählt van der Laan, er habe sich schon als Kind für die Schönheit der Natur und die Kraft der mittelalterlichen Bauwerke sowie für die Gestaltungsprinzipien der Natur interessiert. Nur aus diesen, so beginnt er zu glauben, könne sich eine sinnvolle menschgemachte Ordnung und damit also Architektur entwickeln. 1923 beginnt er sein Architekturstudium in Delft. 

Das Studium ist für van der Laan eine Enttäuschung. Einzig die Vorlesungen von Marinus Jan Granpré Molière können ihn fesseln. In dessen exklusivem Kreis von Studierenden, dem Bouwkundige Studie Kring (BSK) engagiert er sich sehr. Dennoch bricht er das Studium im dritten Jahr ab und tritt in den Benediktinerorden ein, den er ja bereits aus seiner Kindheit kennt. 1933 wird er zum Priester geweiht. Als Mönch in der Abtei von Oosterhout setzt van der Laan seine Studien der Natur und ihrer grundlegenden Prinzipien auf eigene Faust fort. Noch als Novize entwickelt er sein eigenes Proportionssystem, das lose auf Ideen von Aristoteles, Pythagoras und Alberti basiert. 1938 wird der neue Gästetrakt der Benediktinerinnen in Oosterhout nach seinen Plänen gebaut.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er auf Vermittlung von Molière Dozent für einen Kurs über kirchliche Architektur. Diesen Kurs nutzt van der Laan ab 1945 zusammen mit seinem Bruder Nico und bis 1973 zur Verfeinerung seines Proportionssystems. Die Lehre von van der Laan wird heute als Bossche School bezeichnet nach dem Ort des Kurses in ’s-Hertogenbosch. Basis dieser Schule ist die sogenannte Plastische Zahl, ein komplexes System verschiedener Proportionen, die auf der dreidimensionalen menschlichen Raumwahrnehmung fußt und das Gebäude immer im Zusammenhang mit der umliegenden Natur betrachtet. Dazu gesellte sich eine strenge Material- und Farblehre, die dafür sorgt, dass sich die Häuser der Bossche School immer durch eine klösterliche Strenge und einen intensiven Fokus auf eine geradezu sakrale Lichtführung legt.

Zu den wichtigsten Werken dieser eigensinnig modernen Schule zählt die Erweiterung des Benediktiner-Klosters in Lemiers und die Kapelle der Benediktinerabtei in Mamelis, beide entworfen von Dom Hans van der Laan selbst, und die Kruisvindingskerk in Odiliapeel von Jan de Jong (1917-2001), dem wohl bedeutendsten Schüler van der Laans.

Auch wenn das Buch ab und zu etwas zu viele Worte braucht, um auf den Punkt zu kommen: Der ganze Wahnsinn und das ganze Genie dieser seltsam verschworenen Gemeinschaft der Bossche School, die ja übrigens bis heute auch eine gern genannte Referenzgröße für aktuelle niederländische Büros wie Happel Cornelisse Verhoeven oder Monadnock ist, ist selten besser dargestellt worden als in diesem wilden, grauen und wahnwitzig akribischen Buch.

Text: Florian Heilmeyer

A House to Live With. 16 Variations by Dom Hans van der Laan and his Companions
Caroline Voet, Hans W. van der Laan (Hg.)
Gestaltung: Undercast, Antwerpen
420 Seiten
Park Books, Zürich 2024
ISBN 978-3-03860-376-4
68 Euro



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Haus Vaessen in ’s-Hertogenbosch, Niederlande, 1968, von Nico van der Laan

Haus Vaessen in ’s-Hertogenbosch, Niederlande, 1968, von Nico van der Laan

Eingangshof von Haus Jan de Jong in Schaijk, Niederlande, 1967, von Jan de Jong

Eingangshof von Haus Jan de Jong in Schaijk, Niederlande, 1967, von Jan de Jong

Treppe im Haus Jan Peterse in Oss, Niederlande, 1968, von Jan Peterse

Treppe im Haus Jan Peterse in Oss, Niederlande, 1968, von Jan Peterse

Haus Jan Peterse in Oss, Niederlande, 1968, von Jan Peterse

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