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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Schlossrekonstruktion_in_Potsdam_gescheitert_-_mit_Kommentar_25620.html

15.11.2006

Der erste Streich

Schlossrekonstruktion in Potsdam gescheitert - mit Kommentar


Die Stadtverordnetenversammlung Potsdams hat den Neubau des Landtages und damit die Rekonstruktion des ehemaligen Stadtschlosses gestoppt. Eine Mehrheit von 27 zu 24 Stimmen verhinderte am 14. November 2006, dass der Bebauungsplan für das Gelände des ehemaligen Stadtschlosses öffentlich ausgelegt wird. Bereits im Oktober 2006 war ein erster Versuch in einer geheimen Abstimmung gescheitert.

Damit ist die 80-Millionen-Euro teure Rekonstruktion in Potsdams Stadtmitte vom Tisch. Der Potsdamer PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hatte erklärt, dass die Wiedererrichtung des einstigen Stadtschlosses nicht dem Willen der meisten Potsdamer entspreche und man den Mut zu einem Neuanfang nutzen sollten. Neben der Linkspartei.PDS hatte auch die Fraktion „Die Andere“ erklärt, gegen den Bebauungsplan zu stimmen. Beide zusammen verfügen im Stadtparlament jedoch nur über 21 der 51 Stimmen. Somit müssen in der geheimen Abstimmung auch andere Abgeordnete, deren Fraktionen zuvor Zustimmung signalisiert hatten, gegen das Projekt gestimmt haben.

Oberbürgermeister Jann Jakobs, der zu Beginn der Sitzung noch einmal nachdrücklich an die Stadtverordneten appelliert hatte, dem Bebauungsplan zuzustimmen, nahm die wiederholte Ablehnung fassungslos und zutiefst beunruhigt zur Kenntnis: „Es besteht die reale Gefahr, dass heute die Chance, die historische Mitte Potsdams wiederzugewinnen, für lange Zeit verspielt wurde. Der Bebauungsplan sollte die Wünsche nach historisch getreuer Wiederherstellung des Stadtschlosses mit der erforderlichen Funktionalität eines Landtagsgebäudes vereinen. Er war ein Kompromiss. Alle wussten das. Er war aber auch eine Hoffnung für Potsdam. Die Arbeit von vielen Jahren wurde zunichte gemacht.“

Kommentar der Redaktion

Der Beschluss der Potsdamer Stadtverordentenversammlung kommt überraschend und bedeutet das Aus für das zweite unselige Großprojekt in der brandenburgischen Hauptstadt: Im Mai 2006 war am Ende einer Provinzposse dem Spaßbad nach Plänen Oskar Niemeyers zu Recht der Geldhahn zugedreht worden (BauNetz-Meldung vom 15. 5. 2006). Nun also das Aus für der Neubau des Landtages in der Form des verlorenen Knobelsdorffschen Stadtschlosses.

Beide Projekte vereint die baukulturell fatale Entscheidung, bei einer so wichtigen öffentlichen Bauaufgabe auf einen offenen Architektenwettbewerb zu verzichten. Gut, dass solch undemokratisches Vorgehen abgestraft wird. Nicht, dass diese Bauvorhaben tatsächlich an den beherzten Aufrufen der Architektenschaft und Berufsverbände gescheitert wären. Aber die fehlende baukulturelle Legtimation solcher Projekte, die statt auf architektonische Qualität auf billige Schlagworte („Schloss!", „Pritzkerpreisträger!") setzen, schlägt sich eben auch in den politischen Ergebnissen nieder.

Bleibt zu hoffen, dass sich für den Landtag eine bezahlbare und architektonisch wie städtebaulich befriedigende Alternative finden lässt – ein offener städtebaulicher Ideenwettbewerb wäre wohl das angemessene Instrument.

Und bleibt außerdem zu hoffen, dass die Entscheidung in Potsdam auch nach Berlin austrahlt: Auch hier wäre es notwendig, sich endlich von der ahistorischen und abwegigen Vorstellung zu verabschieden, eine vereinfachte Attrappe eines Stadtschlosses im Zentrum würde die hochverschuldete Stadt irgendwie weiterbringen.

Im Gegensatz zu den Berliner Schlossfetischisten hatten die Potsdamer Rekonstruktionsbefürworter ja sogar die besseren Argumente: Dort hätte kein nutzbares Bauwerk für einen Neubau abgerissen werden müssen, dort hätte es ein halbwegs schlüssiges Nutzungkonzept und Raumprogramm gegeben, dort wäre auch eine seröse Finanzierung möglich gewesen. Auch wäre man in Potsdam sogar bereit gewesen, einen Neubau in der Grundform des Schlosses, aber mit zeitgemäßer Formensprache in der Fassade zu akzeptieren.

All das trifft für das Berliner Neubauvorhaben nicht zu. Warten wir ab, wann das Berliner Schloßgespenst endlich ausgespukt hat.

Henning Sigge


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