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16.01.2007

Die letzte Meldung

Louvre bald in Abu Dhabi? Widerstand in Frankreich


Die königliche Familie von Abu Dhabi beabsichtigt, sich mit bis zu einer Milliarde Dollar beim Pariser Louvre einzukaufen und einen architektonischen Ableger in der Nahost-Metropole zu bauen. Die spanische Webzeitung Noticias de Arquitectura verweist angesichts solcher Pläne am 13. Januar 2007 auf ausführliche Artikel in der New York Times unter der Schlagzeile „Abu Dhabi erwirbt einen Louvre“ und in der argentinischen Zeitung Clarín mit der Überschrift „Der Louvre in Abu Dhabi: Kunst oder Petrodollars?“

Der Louvre ist eines der berühmtesten und vollständigsten Museen der schönen Künste weltweit. Abu Dhabi, die Haupstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, ist eine der reichsten Städte des Planeten. Vor wenigen Tagen erst wurde darüber spekuliert, ob ein Zusammenschluss beider unmittelbar bevorstehe. Insbesondere würde das bedeuten, dass eine arabische Zweigstelle in Abu Dhabi eröffnet werden wird.
Henri Loyrette, Direktor des Pariser Louvre, hatte am 8. Januar 2007 per Pressemitteilung bestätigt, dass seine Institution tatsächlich Hunderte von Kunstwerken über zwanzig Jahre an das Museum von Abu Dhabi verleihen wolle, die Araber würden damit ihre eigene Sammlung stärken. Führende kulturelle Köpfe in Frankreich sehen das anders: sie betrachten diese Leihgabe indes als Verkauf der Seele des Louvre. Loyrette beschwichtigte inzwischen dahingehend, dass das Museum weder geklont noch eine Spezies des kulturellen Disneyland werde – womit er offenbar auf den internationalen Guggenheim-Architekturzirkus anhob.

Dass es keinen zweiten Louvre geben soll, ist übrigens eine glatte Lüge. Die königliche Familie von Abu Dhabi will entgegen ihrem ersten Angebot von mehr als 650 Millionen Dollar noch ein paar Hundert Millionen mehr auflegen, um den Deal „in trockene Tücher“ zu bekommen. Die Louvre-Bilder sollen Teil des neuen Kulturdistrikts werden, der zur Zeit auf der Insel Saadijat für 27 Milliarden Dollar gebaut wird. Die Guggenheim Foundation errichtet dort bereits einen Museums-Neubau (siehe BauNetz-Meldung vom 11. Juli 2006 zu Gehrys Bauvorhaben). Mit diesem Kraftakt möchte das Königshaus seine Hauptstadt Abu Dhabi zur Kulturkapitale der Region und sich selbst unsterblich machen. In diesem Zusammenhang stehen in Paris neben dem Louvre noch weitere Museen, unter anderen das Picasso-Museum sowie das neue Museum Quai Branly (siehe BauNetz-Meldung vom 21. Juni 2006 zur Eröffnung von Nouvels Museumsbau), in finanziellen Verhandlungen mit der Königsfamilie von Abu Dhabi.

Loyrette sagte indes zu seiner Verteidigung, der Louvre habe „eine soziale und diplomatische Mission in der Welt“ zu erfüllen, er zeige nur 35.000 Werke aus der 380.000 Stücke umfassenden Sammlung und verleihe jährlich etwa 1.500 Werke an verschiedene Institutionen. Ziehe man alle französischen Museen in Betracht, erhöhe sich die Zahl auf 12.000 Leihgaben pro Jahr. Die Frage hierauf könnte lauten: Warum baut man dann nicht weitere Museen in Frankreich, die die restlichen neun Zehntel der Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen oder überlässt die „Missionierung“ nicht staatlichen französischen Kulturinstitutionen im Ausland?

Die Kritiker des Ausverkaufs von Kulturgut an den Meistbietenden, Redakteure der franzöischen Webseite „La Tribune de l'Art“, haben im Dezember mit Bekanntwerden der Pläne Loyrettes eine Internet-Petition gestartet und inzwischen über 3.000 Unterschriften gesammelt – darunter übrigens zahlreiche Architekten –, um dagegen zu protestieren, dass der Louvre quasi verkauft wird. Die Protestierenden erklären in ihrer Petition, nationale Kunstsammlungen dürfe man nicht wie Ölreserven behandeln, die freigegeben werden, wenn sich die Gelegenheit zu einem guten Geschäft bietet.

Die Medaille hat wie immer zwei Seiten: Auf der einen Seite der Ausverkauf von Kulturgut, das, wie im Falle des Louvre, eigentlich der Bevölkerung Frankreichs gehört. Auf der anderen Seite fast eine Milliarde Petro-Dollars. Die Frage, die zu stellen ist, lautet: Wer profitiert? Die Bevölkerung Frankreichs und die Besucher des Louvre jedenfalls nicht. Frankreichs Präsident Chirac und sein Kulturminister Donnedieu de Fabrès, haben unterdessen offiziell bekanntgegeben, die Entscheidung sei gefallen: der Name des Louvre, seine Kunstschätze und seine Expertise werden für bis zu eine Milliarde Dollar an eines der fünf neu zu errichtenden Museen auf der Insel Saadijat in Abu Dhabi „vermietet“. Dieses soll bis 2012 unter der Leitung einer Agentur eröffnet werden und auch Teilausstellungen anderer berühmter Museen – wohl eine Art museale Shop-in-Shop-Lösung – beinhalten.
Angesichts der kurzen Projektzeit darf man davon ausgehen, dass Chirac und sein Kulturminister bereits heute wissen, welcher der „üblichen Verdächtigen“ den „Wüsten-Louvre“ entwerfen wird.

Till Wöhler


Zum Thema:

La Tribune de l Art


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