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14.11.2025
Gizehs neuer Tempel
Ägyptisches Museum bei Kairo von heneghan peng architects
Nach 23 Jahren Planungs- und Bauzeit hat das Grand Egyptian Museum außerhalb von Kairo eröffnet. Für die umfassende Sammlung einer der ältesten Kulturen der Menschheit gibt es nun 80.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche inklusive Flaniermeile und einem Konservierungszentrum mit 17 Laboren. Nach Plänen von heneghan peng architects entstand ein Haus, das der Monumentalität der Pyramiden gerecht werden will. Ein Blick auf die Baugeschichte.
Von Tim Gebhardt
Ägypten – schon der Klang des Wortes beschwört Bilder von Kleopatra und Hieroglyphen herauf. Rund 100.000 archäologische Artefakte – von Halsketten über Holzspielzeuge bis hin zu raumhohen Statuen – zeugen von dem reichen Erbe der über 5.000 Jahre alten Kultur. Bislang wurden sie im 1902 erbauten klassizistischen Ägyptischen Museum und im Nationalmuseum der ägyptischen Zivilisation in Kairo gezeigt. Mit ersten Ideen zum Bau eines gänzlich neuen Museums, das der Dimension der sagenumwobenen Sammlung würdig ist, brüstete sich der damalige Präsident Husni Mubarak schon Anfang der 1990er Jahre.
Das neue Haus sollte am Rande Kairos, nur zwei Kilometer entfernt von den großen Pyramiden von Gizeh errichtet werden. Im Januar 2002 wurde die Sache mit einem symbolisch gelegten Grundstein zwischen Siedlungsrand und Wüstenplateau offiziell. Dort hatte eine Machbarkeitsstudie die Tragfähigkeit des Bodens bestätigt. Keine Woche später verkündete Mubarak einen internationalen Wettbewerb für das Archäologische Museum. Für Museumsbelange ist in Ägypten der Supreme Council of Antiquities verantwortlich – die oberste nationale Denkmalbehörde. Gemeinsam mit der UNESCO und der Union Internationale des Architects formulierte sie die Auslobung.
Gefordert waren unter anderem 80.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, ein Forschungszentrum und ein formales Konzept mit starkem historischen Verweis. Rund 1.560 Entwürfe aus über 80 Ländern gingen ein. Die Jury unter Vorsitz von Präsident Mubarak entschied sich für den Vorschlag des damals frisch gegründeten Büros heneghan peng architects aus Dublin. Inzwischen ist der Name unter anderem mit dem Palästinensischen Museum und dem Kunstmuseum in Moskau verbunden.
Über 5.000 Pläne fertigten die Planer*innen in den 23 Jahren Planungs- und Bauzeit. Die Ansprüche waren hoch. Zum Beispiel sollte das Haus auf dem neuesten Stand der Technik sein – von immersiven Lichtspektakeln bis zu modernen Konservierungsräumen. Zahlreiche Fachplaner*innen waren beteiligt, darunter Atelier Brückner aus Stuttgart, das neben der Tutanchamun Gallery zahlreiche Ausstellungen entwickelte. „Das Museum ist so konzipiert, dass sich Besucher durch eine Abfolge von Räumen bewegen, um allmählich von der zeitgenössischen Welt zurück in die Welt der Pharaonen zu gelangen“, schreiben heneghan peng architects über ihren Entwurf.
Auf über 800 Meter Länge erstreckt sich das Grand Egyptian Museum (GEM) als eine Art Sandsteinwall, der nach Norden an das Terrain des Plateaus anschließt und somit zwei Schauseiten mit Vorplatz erzeugt. Bei der Ausgestaltung bedienten sich die Architekt*innen altägyptischer Symbolik. Große Teile der Hülle schmückt ein Mosaik aus Alabaster-Dreiecken, dazwischen finden Vergoldungen und Friese mit Insignien der Pharaonen Platz. Direkte Einblicke gibt es kaum, dafür lässt sich mit dem integrierten Obelisken bereits vor Eintritt das erste Exponat beäugen. Mit seiner schlichten Geometrie, so scheint es auf den Fotos, könnte der Bau auch aus einem Science-Fiction-Film stammen.
Über pyramidenförmige Vordächer nebst akribisch platzierten Dattelpalmen gelangen Gäste in den Baukörper hinein. In der Eingangshalle setzt sich der mystisch-monumentale Raumeindruck fort. Der Blick soll auf das größte Exponat der gesamten Ausstellung fallen: die 13 Meter hohe Statue von Ramses, die bereits im Rohbau eingebaut wurde. Eindrücklich geht es weiter, entlang der felsenartigen Wandgeometrien bis hinüber zur Haupttreppe, auf der neben den Besucher*innen weitere 90 Statuen alter Pharaonen in chronologischer Reihe emporsteigen. Die Lichtstimmung ist diffus. Laut heneghan peng ermögliche die Anordnung der Oberlichter, dass das Gesicht von Ramses zweimal im Jahr direkt angestrahlt wird – zum Geburtstag und zum Krönungstag – genau wie in seiner Grabkammer im alten Ägypten.
Bei all dem sakralen Flair der neu interpretierten Grabkammer werden Gäste wohl spätestens von der Anwesenheit zahlreicher Läden und Cafés auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt – immerhin heißt die Eingangshalle Entrance Court. Passend dazu versprüht sie unter dem Pfosten-Riegel-Konstrukt des Dachtragwerks und mit dem geschäftigen Treiben anderer Gäste auch ein wenig Shopping-Mall-Ambiente. Im Obergeschoss erstrecken sich fünf Ausstellungshallen parallel zur Haupttreppe. Herzstück der Ausstellung ist die Tutanchamun-Galerie mit rund 5.000 Exponaten. Am Ende der Treppe wartet der dramaturgische Höhepunkt des Gebäudes: Sein Grundriss fächert sich in Richtung der originalen Grabstätte auf und rahmt durch Raumfluchten und ein Fenster den Blick zu den großen Pyramiden.
Das GEM, das ursprünglich schon 2012 eröffnen sollte, präsentiert sich spektakulär, seine zähe Baugeschichte zeichnet dagegen ein düsteres Bild: 2013 putschte sich Abdel Fatah El-Sisi, bis heute regierender Präsident Ägyptens, ins Amt und ersetzte Husni Mubarak auch in der Rolle des Hauptbauverantwortlichen. Als Gründe für diverse Verzögerungen werden neben zivilgesellschaftlichen Protestwellen wie dem Arabischen Frühling die Unruhen im Nahen Osten angegeben. Angesichts der politischen Situation im Land wirft auch die Finanzierung des Projekts Fragen auf und bestätigt den Größenwahn, der sich im Ausmaß der Architektur abbildet.
Neben nationalen Geldern und internationalen Spenden wurde der Großteil aus japanischen Krediten finanziert. Einst rechnete man mit 500 Millionen US-Dollar – laut Medienberichten sollen die Baukosten auf knapp 1,2 Milliarden gestiegen sein. Erwartet werden zwischen fünf und sieben Millionen Gäste jährlich. Für die Medienwirksamkeit ist die verspätete Eröffnung im November 2025 wohl zuträglich. Kurz zuvor waren die benachbarten Staatsoberhäupter zu den Friedensverhandlungen um Gaza eingereist und so konnte El-Sisi sie binnen kurzer Zeit gleich zweimal einladen. Und sollte das GEM am Ende nicht genau für solch einen Glanzmoment errichtet werden?
Immerhin scheinen monumentale Museen in der arabischen Welt gerade in Mode – man denke an die spektakulären Bauten des Louvre Abu Dhabi, des Nationalmuseums in Katar oder des Museum of Future in Dubai, deren Hallen viele Leihgaben aus dem Ausland füllen. Dem GEM hingegen muss man zugestehen: Bei aller Symbolik wirkt die monumentale Architektur mit ihren 5.000 Jahre zurückreichenden Raumverweisen ein stückweit authentisch.
Fotos: The GS Studio, Iwan Baan, Atelier Brückner, Grand Egyptian Museum
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