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05.12.2025

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Pergamonmuseum in Berlin

Zum ersten Bauabschnitt der Grundinstandsetzung


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In Berlin geht der teuerste Museumsumbau der deutschen Geschichte vonstatten. Im März startete der zweite Bauabschnitt der Grundinstandsetzung des Berliner Pergamonmuseums, nun wurde der erste Bauabschnitt übergeben. Jetzt richten die Antikensammlung, das Museum für Islamische Kunst und das Vorderasiatische Museum ihre Räume ein. Im Frühjahr 2027 ist deren Wiedereröffnung im Ost- und Nordflügel geplant. Unser Autor hat sich die baulichen Ergebnisse aber bereits angesehen – und zieht ein ambivalentes Fazit. 

Von Nikolaus Bernau

Frühestens 2037 wird das Pergamonmuseum wieder vollständig zu sehen sein. Das sind dann fast zwei Generationen, nachdem Oswald Matthias Ungers 2000 den Wettbewerb für die Grundsanierung, den radikalen Umbau der Seitenflügel und die Ergänzung gewonnen hatte. Wenn man die Planungen der DDR berücksichtigt, werden mehr als 50 Jahre Planungs- und Bauzeit vergangen sein. Nun wurde der erste Bauabschnitt der Grundinstandsetzung übergeben, der von der Sanierung der Fundamente über die jedes einzelnen Kabels bis hoch zur Stabilisierung der Glasdächer im Ost- und Nordflügel reichte.

Immer schon ein politisches Museum

Der Bau ist eine einzigartige Herausforderung: Geplant wurde er seit 1907 von Alfred Messel und vor allem seit 1910 von dem damaligen Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann. Es ging darum, ein deutsches Nationalmuseum für Kunst zu gestalten. Das Pergamonmuseum war immer schon ein politisches Projekt. Deshalb konnte es auch in der Weimarer Republik und trotz explodierender Baukosten durchgesetzt werden. 1930 eröffnete der „Museumsneubau“ erstmals mit vier hart konkurrierenden Sammlungen: Im Nordflügel das Deutsche Museum für die als national betrachtete west- und nordeuropäische Kunst bis um 1800; im Ostflügel die Antikensäle mit dem Pergamonaltar; im Südflügel das seit 1927 neu figurierte Vorderasiatische Museum mit der Vorderasiatischen Abteilung für die Kulturen des Alten Orient im Hauptgeschoss und der Islamischen Kunst-Abteilung für die Kunst seit der Spätantike im Obergeschoss.

In der Nazizeit wurde das Pergamonmuseum zum Kern eines gigantischen Ausbauprogramms der Berliner Museen. Die DDR ließ die Antiken-Architektursäle in den frühen 1950er Jahren als Teil ihres Kampfes für eine neuklassizistische „Nationale Tradition“ in der Architektur rekonstruieren. Die neue Bundesrepublik wiederum versucht seit den 1990er Jahren ihre Vorstellung eines übernationalen Museums entstehen zu lassen. Nie ging es bei diesem Bau nur um museale Funktionen. Dass nun zum Abschluss des ersten Bauabschnitts der massiv unter Druck stehende Bundes-Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) sprach, passte also.

Widersprüchliche Ergebnisse

Diese Geschichte muss im Hinterkopf bleiben, wenn man sich die Ergebnisse des Projekts von Oswald Matthias Ungers und seinen Nachfolgern von Kleihues + Kleihues (Berlin) betrachtet. Sie sind, vorsichtig gesagt, extrem widersprüchlich. Da ist einmal die phänomenale Sicherung und Reinigung der Fassaden des Nord- und Ostflügels. Der graublaue Muschelkalkstein schimmert wieder in genau der kalten, kantenharten Monumentalität, die Messel, Hoffmann, und auch Wilhelm II. sich gedacht hatten. Durch den Smog der Metropole war er aber schon 1930 schwarzgrau verschmiert.

Im Inneren wurden auch die Antikensäle sorgfältig-kritisch restauriert, mit ebenfalls dramatischer Wirkung: Die riesigen (übrigens: alles ist riesig in diesem Bau) Oberlichter – konstruktiv stabilisiert und mit Kunstlicht verstärkt – lassen das Licht wieder strahlend hell einfallen auf wieder lichtblau gestrichene Wände. Assoziieren wollte man damit 1930 das Licht des Mittelmeers. Tatsächlich ist die Wirkung allerdings eher die einer klassizistischen Erkaltung. Selbst das immense Pathos der Skulpturen vom Pergamonaltar wirkt ausgeglichen. Genau das aber wollten die Kurator*innen um Theodor Wiegand 1910 erreichen. Sie konnten im Unterschied zu den 1880er Jahren, als der Fries vom Pergamonaltar nach der Ausgrabung zur Sensation geworden war, wenig mit hellenistisch-barocker Kraftentwicklung anfangen. Stattdessen suchten sie nach neuem, angeblich zeitlosem Klassizismus.

Die Doktrin des Quadrats

Es ist genau diese kulturkonservative Haltung, die auch den neuen Eingangsbau prägt, der Ungers Architekturdoktrinen am meisten spiegelt: Die hohen Glaswände sind quadriert, ebenso die Decke, der Fußboden, das Raster, aus dem eine gewaltige Treppe aufsteigt ins Hauptgeschoss. Es ist eine Treppe der monumentalen Repräsentation. Man schwebt sie nicht hinauf wie über die in Scharouns Philharmonie, sondern steigt empor wie zu einem Tempel. Gerastert sind so auch die Aussichten auf die machtvollen Pilaster Hoffmanns an Nord- und Südflügel und die kleinen Bürgerhäuser am Kupfergraben.

Das Quadrat als Sinnbild für Ordnung, für Überzeitlichkeit: Was die Kurator*innen im Frankfurter Deutschen Architekturmuseum und in der Hamburger Kunsthalle genauso wie die Manager*innen der Berliner Messegesellschaft erheblich belastet, wirkt hier als blankes L'art pour l'art – trotz der massigen Details von Glasrahmungen und Geländern. Dass Ungers und Kleihues diesen Bau als „Tempietto“ verniedlichen, ist schlichtweg absurd. Die Museen sollten trotzdem der Versuchung widerstehen, hier Infomaterial oder gar antike Säulen aufzustellen. Dieser Raum ist längst selbst Geschichte gewordenes Pathos, das man nun auch so inszenieren sollte – auch wenn es anachronistisch wirkt in Zeiten postkolonialer Neulesung der Museumsbestände.

Passt die Mschatta-Fassade in den neuen Grundriss?

Das Pergamonmuseum steht unter Denkmalschutz und auf der UNESCO-Welterbeliste – eigentlich ein doppeltes Bollwerk. Und doch war der Einfluss der Denkmalpflege begrenzt. Was sich vor allem im Nordflügel zeigt, der für das Museum für Islamische Kunst um- und ausgebaut wurde. Im Hauptgeschoss wurden dafür die museumshistorisch einzigartigen Säle des Deutschen Museums faktisch beseitigt, um einen riesigen Saal für die in voller Breite aufgebaute, herrliche Mschatta-Fassade einzurichten.

Doch ist dieser Saal wieder ein langer, relativ schmaler Saal geworden. Die Hoffnung, dass durch die hohen Fenster der Südseite genug Naturlicht in ihn dringen, ist minimal: Vor diese wurden nämlich klobig wirkende Pavillons für empfindliche Kleinkunstwerke gestellt. Sie machen den gigantischen Aufwand, die tragende Mittelwand des Gebäudes aufzubrechen, vollkommen absurd. Die Mschatta-Fassade steht wieder beengt da. Distanzsichten erhält man wie schon seit 1932 im Südflügel nur über die Mittelachse, das Museumsdenkmal ist zerstört, und es braucht nun Kunstlicht, das durch eine selbstverständlich strikt quadrierte Lichtdecke einfällt. Dass Kleihues + Kleihues es für nötig hielten, selbst die gut erhaltenen Türrahmen Hoffmanns mit wiederum recht klobigen, im Quadratraster proportionierten Steinportalen zu überfassen, sei am Rand erwähnt.

Große Versäumnisse und herrliche Überblendungen

Welche Wirkungen dagegen aus dem Miteinander des historischen Baus und neuer Inszenierungsvorstellungen gezaubert werden können, ist im Obergeschoss zu erleben. Hier konnten der Grundriss des Deutschen Museums weitgehend – wenn auch mitnichten vollständig, wie Jan Kleihues bei der Übergabe sagte – sowie die Fenster und die Oberlichtdecken erhalten werden. Allerdings wurden über ihnen riesige Ent- und Belüftungsanlagen eingebaut, sodass die Oberlichter nur mit Kunstlicht arbeiten. Dass der Umbau nicht genutzt wurde, um das von oben einem Glashaus gleichende Pergamonmuseum aus dem immensen Wärmeeintrag heraus energetisch autark zu machen, wie es zur ursprünglichen Planungszeit um 2000 ohne Weiteres bereits möglich gewesen wäre, ist eine der größten und kaum korrigierbaren Versäumnisse des 1,2 Milliarden-Projekts.

Die Wände der Räume sind nun in satten Farben gestrichen, was Keramiken und Fliesen der islamischen Kunst geradezu strahlen lässt – eine atemberaubende Wirkung. Die zarte Wandvertäfelung eines Repräsentationszimmers aus dem Haus eines christlichen Kaufmanns in Aleppo kann erstmals seit der Demontage 1912 wieder in der historisch korrekten Form gesehen werden. Vergleichbar dramatisch ist die Wirkung der neu installierten Kuppel aus dem Torre de las Damas der Alhambra, die 1970 für die Staatlichen Museen erworben werden konnte. Auch hier wurde der Raum, über den sie sich spannte, abstrakt nachgebaut – allerdings so, dass die Fenster des einstigen Deutschen Museums Teil der Inszenierung wurden. Denn durch sie hindurch sieht man auf das Bode-Museum, in dem das Museum für Islamische Kunst 1904–32 gezeigt worden war.

Künftig werden in diesem neuen Raum mit seinen intimen Proportionen heitere Gedichtzeilen aus der Kuppeldekoration verlesen, während der Blick in das Treppenhaus fällt, das zu DDR-Zeiten vollkommen neugestaltet worden war. Eine seiner Wände ist nun mit einem Kunstwerk des aus Pakistan stammenden Malers Imran Qureshi bemalt: Senkrecht verlaufende Farbstreifen, die sich beim Blick aus dem Alhambra-Zimmer wie ein Garten ausnehmen, in dem aber blutrote Pflanzen zeigen: auch die Geschichte der schönsten Kunst ist oft die der Gewalt. Auf einen Blick vermengen sich islamisches Mittelalter, deutsche Kaiserzeit, Museumsreform der 1920er-Jahre, DDR und moderne, postkolonial inspirierte Kunst. Hier kündigt sich eines der schönsten Museen Deutschlands an. Zu schade, dass man den Mut zu solch raffinierten Überblendungen nicht auch im Hauptgeschoss hatte.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

1

Arcseyler | 05.12.2025 17:03 Uhr

.de

Noch mal zum Phänomen Ungers. Raster kann sowohl über sich optimistisch hinausgreifen als moderner kontinuierlicher Raum, als auch pessimistisch postmodern einkasteln. Überraschend modern dagegen im Messelbau das elementar vertikale Zenithlicht, das jeden zeitgebundenen Fassadengeschmack nebensächlich macht.Dies auch als Hoffnung zum Fassadenstreit des Wettbewerbs Bauakademie. Dieser entscheidet sich auch über eine moderne großzügige Vertikale des Zenithlichts und nicht über den Fassadengeschmack. Seit den Kathedralen entscheidet sich die Architektur am Licht.

 
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Die sanierte Fassade des Nordflügels und Mittelbaus im November 2025. Im Vordergrund finden derzeit Gründungsarbeiten für den Pergamonsteg statt.

Die sanierte Fassade des Nordflügels und Mittelbaus im November 2025. Im Vordergrund finden derzeit Gründungsarbeiten für den Pergamonsteg statt.

Im Pergamonsaal wurden die sogenannten Tageslichtdecken erneuert. Der ebenfalls restaurierte Altar verblieb zusammen mit dem großen Fries während der Baumaßnahmen geschützt vor Ort.

Im Pergamonsaal wurden die sogenannten Tageslichtdecken erneuert. Der ebenfalls restaurierte Altar verblieb zusammen mit dem großen Fries während der Baumaßnahmen geschützt vor Ort.

Die restaurierte Mschattafassade zog vom Süd- in den Nordflügel. Nun soll die Ausstellungsgestaltung und Ersteinrichtung der Museumsflächen beginnen.

Die restaurierte Mschattafassade zog vom Süd- in den Nordflügel. Nun soll die Ausstellungsgestaltung und Ersteinrichtung der Museumsflächen beginnen.

Der Tempietto wird nach der Gesamtfertigstellung des Museums als zentraler Eingangsbereich dienen. Ab 2027 ist er aber bereits von innen zu betreten.

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