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29.08.2025

Wohnen mit Gred

Wolfgang Rossbauer in Siegenburg


In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung kritisiert der Architekt Wolfgang Rossbauer die „gesichtslosen Neubaugebiete“, die seit Jahrzehnten auch an den Ortsrändern Bayerns entstehen  – „gepflastert, sauber, gut ausgeleuchtet. Chromstahl. Glattputz.“ In seiner Heimat Hallertau wagt der Architekt mit seinem Büro einen Gegenentwurf: ein Wohnhaus in Siegenburg, das traditionelle Bautypen adaptiert, Materialien sparsam einsetzt und die Pro-Kopf-Wohnfläche reduziert.

Auf einem familieneigenen Grundstück des Architekten ist das Projekt Teil einer dreiseitigen Hofanlage, wie sie im 19. Jahrhundert in der Gegend entstanden. Anstelle eines Wohnhauses, das stark verfallen bereits 2012 abgerissen wurde, stellten die Architekt*innen im vergangenen Jahr ein Mehrfamilienhaus mit 330 Quadratmetern fertig. Fünf Wohneinheiten für insgesamt zehn Bewohner*innen kommen darin unter. Mit nur etwa 30 Quadratmetern Wohnfläche pro Person folgt daraus ein bemerkenswert geringer Flächenverbrauch – insbesondere im Kontext des ländlichen Raums.

Der Neubau ist giebelseitig an der Straße positioniert und stellt so die städtebauliche Figur der Hofanlage wieder her. Dem erhöhten Erdgeschoss ist hofseitig eine überdachte Gred vorgesetzt. Der historische Begriff beschreibt hier eine schmale Terrasse, die zu den Eingängen führt und den Bewohner*innen als Treff- und Aufenthaltsbereich dient. Im Erdgeschoss liegen zwei Einraumwohnungen, die flexibel auch als Atelier genutzt oder mit den darüber liegenden Wohnungen verbunden werden können. Die Wohnungen im ersten Obergeschoss sind als Maisonetten bis ins Dachgeschoss ausgelegt. Eine gemeinschaftliche Waschküche, die an das Treppenhaus anschließt, ergänzt das Raumangebot.

Die massive Konstruktion kombiniert eine einschalige Ziegelmauer mit Beton. Darüber sitzt ein traditionell steil geneigtes Sparrendach aus Holz. Hanfkalksteine dämmen Stürze und Deckenstirnen, Kalkputz verkleidet das Wohnhaus nach innen und außen. Da das Haus nicht unterkellert ist, blieb der Aushub gering und fand in unterschiedlicher Weise eine neue Verwendung: Backstein- und Ziegelreste kamen als Humus ins einstige Hühnerhaus, das nun als riesiger Pflanztrog dient. Feinere, mineralische Bestandteile wurden, mit bis zu drei Prozent Zement vermischt, auf die Ziegelgewölbeschalen im Erdgeschoss aufgebracht. Organische Reste wurden auf ein Feld der Familie im Nachbardorf gebracht.

Der Berliner Künstler Tima Nasseri reflektiert die Geschichte des Hauses und seines ehemaligen Eigentümers, des Kunstschmieds Johann Eckmayer, in kunstvoll gearbeiteten Türschilden und -griffen, für die er sich von Eckmayers Skizzen inspirieren ließ. Nichttragende verspiegelte Eckstützen sollen darüber hinaus den Blick öffnen. Die Baukosten gibt das Büro mit rund 1,7 Millionen Euro brutto einschließlich eines Grundstücksanteiles an.

Auch die übrige Hofanlage soll künftig umgenutzt werden. Im einstigen Wirtschaftsgebäude sollen weitere Wohn- und Arbeitsräume entstehen. Der Holzschuppen gegenüber dem Wohnhaus existiert heute nicht mehr. An seiner Stelle soll eine Garage mit Werkstatt und Veranstaltungsraum entstehen. Wann der Umbau weitergeht, ist aktuell noch offen. (sbm)

Fotos: Sebastian Schels

[Redaktionelle Anmerkung: Angaben zur Dämmung des Wohnhauses mit Hanfkalkstein wurden präzisiert.]


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