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11.05.2022

Aus dem 3D-Drucker

Wohnhaus in Beckum von Mense-Korte ingenieure+architekten


Ein Einfamilienhaus und dann noch aus Beton, das wird heutzutage fast schon als Provokation verstanden. Nicht so das Wohnobjekt, das im nordrhein-westfälischen Beckum entstanden ist. Das vom ortsansässigen Büro Mense-Korte ingenieure+architekten in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Industriepartnern realisierte Projekt gilt als erstes 3D-Druck-Wohnhaus in Deutschland. Das Konstruktionsexperiment wurde digital geplant und in acht Monaten Bauzeit umgesetzt, wobei alle Außen- und Innenwände als auch Raumelemente wie Treppen, Kamin oder Wannenschürze in nur 100 Stunden aus einem Spezialbeton gedruckt und für den weiteren Ausbau fertiggestellt wurden.

Insgesamt zwei Geschosse mit jeweils 80 Quadratmetern ließen sich mithilfe des Portalroboters BOD2 von Peri drucken, der die Technologie des dänischen Herstellers Cobod verwendet. Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde wanderte dabei der Druckkopf entlang einer fest installierten Anlage und baute die Raumelemente Schicht für Schicht auf. Der speziell entwickelte Betonmörtel stammt von HeidelbergCement und ist an die computergestützte Technologie und konstruktiven Anforderungen angepasst. So musste sich das Material, das nun den Namen i.tech 3D trägt, gut pumpen und extrudieren lassen, zudem sollte es möglichst schnell eine Tragfähigkeit entwickeln, um so die Last der oberen Schichten aufzufangen. Letztendlich ließ sich die gewünschte Form mit ihren markanten Rundungen oder auskragenden Elementen einfacher realisieren, als dies in konventioneller Bauweise der Fall gewesen wäre. Die Kammzugputz-ähnliche Sichtbetonstruktur zeigt bewusst die Konstruktionstechnik, innen wie außen.

Die dreischaligen Außenwände bestehen aus einer äußeren Wetterschale und zwei Innenschalen mit jeweils sechs Zentimetern Dicke. Die mit Luftschichtankern verbundenen äußeren beiden Schichten übernehmen mithilfe einer Perlitschüttung die Dämmfunktion. In den Gebäudeecken, im Treppenhaus und bei zwei Innenwänden dienen die gedruckten Wandschichten als Schalung für Ortbeton. Die tragenden Innenschalen nehmen auch Auflagerpunkte für die 20 Zentimeter starke Elementdecke mit integrierten Heizleitungen auf. In den gedruckten Wandschichten sind bereits alle Aussparungen für Leitungen und Anschlüsse berücksichtigt, an denen Handwerker schon während des Druckvorgangs arbeiten konnten. Den Drucker selbst steuern lediglich zwei Personen, was im Zuge von Fachkräftemangel und Arbeitssicherheit als großer Vorteil der Technologie aufgeführt wird. Daneben bilden die architektonische Gestaltungsfreiheit, eine um 20 Prozent kürzere Bauzeit und potenzielle Materialersparnis weitere Pluspunkte.

Architekt Waldemar Korte ist Teil der vierköpfigen Bauherrengesellschaft Hous3Druck. Er sieht das Pilotprojekt als gelungenes Experiment für Gebäudedruck an sich, nicht speziell als Plädoyer für den 3D-Druck mit dem Material Beton. Der Spezialdruckmörtel im Beckumer Projekt sei analog zum Mauerwerk und Stahlbeton eingestuft worden und hätte sonst die notwendigen Genehmigungen nicht erhalten. Es zeige Potenziale für weitere Entwicklungen auf, und sei es in einem ersten Schritt nur die Weiterverwertung des hier verwendeten Zementwerkstoffs im Straßenbau oder aber das Recycling für zukünftige Betondruckobjekte. Bei den behördlichen Genehmigungsprozessen der neuartigen Bauweise unterstützte das Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat (München), die Zulassungsprüfungen übernahm die Technische Universität München.

Das Land Nordrhein-Westfalen förderte den wohnfähigen und bereits prämierten Prototypen im Rahmen des Programms „Innovatives Bauen“ mit 200.000 Euro. Das Geld wurde und wird ausschließlich für Forschungszwecke, Gutachten und Langzeitbeobachtung verwendet. Fundierte Kostenaussagen lassen sich beim Erstlingswerk nicht machen, würde es jedoch nachgebaut werden, lägen die Baukosten bei circa 500.000 Euro. Während das Beckumer Projekt zunächst ein Jahr lang als Musterhaus diente, geht es im Sommer 2022 in eine private Wohnnutzung über. Bis zu dreigeschossig könnten Nachahmer derzeit werden. Eine Grenze gibt lediglich die Druckerinstallation mit 14,5 x 17,5 Meter Grundfläche vor. (sab)


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