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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Stadthaus_von_Karl_Richter_im_Frankfurter_Westend_3934073.html

18.06.2014

Der bauende Bourgeois

Stadthaus von Karl Richter im Frankfurter Westend


Wo einst das Herz des deutschen Geisteslebens schlug, ist „eine der teuersten Wohnanlagen Frankfurts“ (FAZ) entstanden: Auf dem Grundstück des ehemaligen Suhrkamp-Verlagssitzes in der Lindenstraße im Westend hat das Frankfurter Büro Karl Richter Architekten einen gediegener Geschosswohnungsbau als „konventionellen Bautyp eines Stadthauses“ errichtet. Es enthält zwanzig Eigentumswohnungen „des gehobenen Segments“ (Richter).

Bei der Gestaltung beziehen sich die Architekten auf zwei Vorbilder: „Das Gebäude greift mit seinen erkerartigen Vorbauten, die optisch durch Loggien und Balkone verbunden sind, Motive von Bauten der vorletzten Jahrhundertwende im Frankfurter Westend, aber auch der klassischen Moderne auf“.

Ein Teil der Fassade ist verputzt, die Brüstungsbänder mit Naturstein verkleidet. Doppelflügelige Fenster und Fenstertüren sollen „die Eleganz des Fassadenbilds unterstreichen“, der plastisch ausgebildete südliche Gebäudekopf soll der Fassade eine starke Dynamik verleihen.

Die Architekten verbinden ihren Entwurf mit einer Gesellschaftsanalyse: „Das Haus ist ein Beispiel dafür, dass der bauende Bourgeois wieder elementare Stadtbausteine liefert. In diesem Fall handelt es sich um eine Eigentümergemeinschaft, deren Mitglieder auf der Suche nach Urbanität aus den Villenkolonien des Vordertaunus in die Innenstadt zurückgekehrt sind.“

Dieser Klientel werden nutzungsoffene Grundrisse angeboten; die Festlegung von Raumfunktionen, wie sie im sozialen Wohnungsbau üblich waren, wird vermieden. Das Gebäude trage dem großen Bedarf an neuen Häusern, die traditionelle Ansprüche an Dauerhaftigkeit und Nutzungsvielfalt erfüllen, Rechnung, so Richter, „zumal dies die Rentnerkolonien in den Einfamilienhausteppichen oder die großen Siedlungen, die sich zu subventionierten Gehäusen des sozialen Notstands entwickelt haben, immer weniger leisten können.“

Dem entsprechend sind auch die gemeinsamen öffentlichen Innenräume gestaltet: „Hauseingänge sind keine Löcher neben Garageneinfahrten, sondern eröffnen Schwellenräume und Vestibüle. Die beiden Treppenhäuser sind künstlerisch gestaltet, große Spiegel erweitern das Foyer im Erdgeschoss optisch.“

Schließlich macht Richter noch einmal klar, an wen sich sein Gebäude richtet: „Wenn das bürgerliche Individuum zum ersten Mal seit Beginn der Moderne aus den Vorortsiedlungen wieder in die Stadt zurückkehrt, ist das eine kulturelle Innovation von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Das Stadthaus Lindenstraße ist dabei Gegenbild zur architektonischen und gesellschaftlichen Utopie der Moderne, die nach hundertjährigem Kampf um die kollektive Verfügungsgewalt über die Stadt zu nackter Planerhybris auf vergesellschaftetem Boden geführt hatte.“

Fotos: Uwe Dettmar


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